Er studierte 1881 bis 1886 Medizin in Leipzig, Jena, Heidelberg und Berlin und wurde 1886 bei Carl Ludwig[1] in Leipzig promoviert. Während seines Medizinstudiums in Heidelberg wurde Krehl Mitglied der Burschenschaft Frankonia.[2] 1886–1892 war er Assistent von Ernst Leberecht Wagner und Heinrich Curschmann an der Leipziger Medizinischen Klinik. Dort habilitierte er sich 1888 für Innere Medizin. Es folgten Berufungen an die Medizinischen Polikliniken in Jena 1892, Marburg 1899 und Greifswald 1900. 1902 übernahm er die Medizinischen Kliniken in Tübingen, 1904 in Straßburg als Nachfolger von Bernhard Naunyn[1] und übernahm 1907 als Professor der Inneren Medizin schließlich die Medizinische Klinik in Heidelberg als Nachfolger von Wilhelm Erb.[1] In Heidelberg entstanden gemeinsame Arbeiten aus mit dem Chirurgen Eugen Enderlen durchgeführten experimentellen Forschungen.[3] Krehl führte gemeinsam mit Enderlen Denervierungsoperationen am Herzen sowie Blockaden von Nervenknoten am Hals durch.[4]
1909 konnte Krehl die für ihn errichtete Villa Krehl im Stadtteil Handschuhsheim beziehen. In dem herrschaftlichen Gebäude lebte er mit seiner aus Russland stammenden Frau Elisabeth großbürgerlichen Lebensstil. Zu seinen regelmäßigen Gästen zählte der badische Großherzog Friedrich.[5]
Krehls Wirken in Heidelberg wurde durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen. Er war beratender Internist und Leiter eines Seuchenlazaretts im besetzten französischen Montmédy. Aus dieser Zeit stammen die Feldpostbriefe an seine Frau.[1] In diesen Briefen setzte sich Krehl unter anderem mit der Kriegs-Perspektive des Heidelberger Theologen und Berliner Philosophen Ernst Troeltsch auseinander.[6] Krehl las in jener Zeit als beratender Generalarzt auch den Standesentwurf „Der Arzt“ von Ernst Schweninger aus dem Jahr 1906.[1]
Die wirtschaftlichen Probleme der Kriegszeit führten zum Verlust von Krehls Villa in Handschuhsheim. Er bezog mit seiner Frau das bisherige Gartenhaus, während die Villa zum Schülerheim Friedrichsstift der evangelischen Landeskirche wurde.[7] In Heidelberg konnte Krehl 1922 einen Klinikneubau beziehen, war an der Gründung des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Medizinische Forschung beteiligt und übernahm nach seiner 1930 erfolgten Emeritierung bis 1937 die Leitung der Abteilung für Pathologie an diesem Institut.
Krehls Hauptarbeitsgebiet, die Erkrankungen des Herzens, zeigte ihm, dass es Leistungsstörungen gibt, für die kein pathologisch-anatomisches Substrat existiert.[10] Ähnliches beobachtete er bei Verdauungsstörungen (Dyspepsien) und am Musterbeispiel der Hysterien. Dass an Infektionen nicht alle Menschen und wenn, dann auf unterschiedliche Weise erkranken, veranlasste Krehl, den Allgemeinkrankheiten ihr Recht neben den Organkrankheiten einzuräumen: nämlich den das Krankwerden begünstigenden und die Krankheitsverläufe prägenden Bedingungen (Konstitution, Diathesen; Krankheitsform und Persönlichkeit, 1929). Einerseits wollte und konnte Krehl die naturwissenschaftliche Grundlage der medizinischen Forschung und Diagnostik als Voraussetzung für eine rational begründbare Therapie, die experimentell-induktive Methode, nicht aufgeben. Andererseits drängte ihn die ärztliche Erfahrung zu einem offenen Blick auf die seelischen Bedingungen für Krankwerden und Kranksein. Schon 1902 würdigte er die Arbeit Sigmund Freuds und Josef Breuers. In Symptomen erkannte er Ausdrucksgemeinschaften des Körperlichen und Seelischen und die Wirkungen des Unbewussten. Neben das kausale trat ein teleologisches Denken. Damit trat das Individuum, die Person des Kranken, in den Vordergrund. In der Therapie wird die Stärkung des Gesundungswillens im Kranker-Arzt-Verhältnis wirksam. Hinter Konstitution, Person und Gespräch des Kranken mit seinem Arzt steht der Gedanke einer Ganzheit. Aus den darin wirksamen Wertebezogenheiten folgte Krehl für die ärztliche Praxis eine Sicht auf den Kranken und ein Verhalten zu ihm, das naturwissenschaftliche und geisteswissenschaftliche Sichtweisen vereinigt (Der Arzt, 1937). Das Gespräch überformt zwei Personen zu einer existentiellen Einheit. Auf diesem Wege sind Krehl vor allem seine Mitarbeiter Viktor von Weizsäcker (1886–1957) und Richard Siebeck (1883–1965), die sich auf gemeinsamen Wanderungen durch die Vogesen kennen lernten, gefolgt.[1][11][12][13]
Die Südwestdeutsche Gesellschaft für Innere Medizin vergibt den Ludolph-Krehl-Preis für hervorragende Dissertationen und Forschungsarbeiten.[14]
Am 11. April 2017 wurde ein nach über 80 Jahren im Lager des Max-Planck-Instituts für medizinische Forschung wiederentdecktes Bronzeportrait Krehls vor dem großen Hörsaal der Medizinischen Universitätsklinik, der Krehl-Klinik, angebracht.[15]
In Heidelberg und Mannheim sind Straßen nach Ludolf von Krehl benannt.[16][17]
Literatur
Paul Christian: Ludolf Krehl und der medizinische Personalismus. In: Heidelberger Jahrbücher 6 (1962) S. 207–210
Friedrich Curtius: Das Individualitätsprinzip im Denken Ludolf Krehls. In: Münchner Medizinische Wochenschrift 103 (1961) S. 2494–2497
Rolf Uebe: Das medizinische Konzept Ludolf Krehls und sein Versuch einer Kritik der Therapeutik. Med. Diss., Heidelberg (1972)
Viktor von Weizsäcker: Ludolf von Krehl – Gedächtnisrede. In: Ders.: Gesammelte Schriften, Bd. 1, Frankfurt am Main (1986), S. 415–423
Heinrich Schipperges: Krehl – der Mann und sein Werk, in: Ärzte in Heidelberg. Eine Chronik vom „Homo Heidelbergensis“ bis zur „Medizin in Bewegung“. Edition Braus Heidelberg 1995, mit Einlegeblatt Wolfgang U. Eckart 2006, S. 201+202
Wolfgang U. Eckart: "Und über allem waltet die Persönlichkeit des Arztes", Ludolf von Krehls Suche nach der Einheit im Kranksein und Heilen, in: Peter Kröner (Hrsg.): Ars medica – Verlorene Einheit der Medizin, Gustav Fischer Stuttgart 1995, S. 85–95.
Dagmar Drüll: Heidelberger Gelehrtenlexikon 1803–1932. (Hrsg.): Rektorat der Ruprecht-Karls-Universität-Heidelberg, Springer, Berlin Heidelberg Tokio 2012, 324 S., ISBN 978-3-642-70761-2
Nicole Mayer: Krehl, Ludolf von. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin / New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 805 f.
↑ abcdefWolfgang U. Eckart: Die Heidelberger Schule der Anthropologischen Medizin, in: Peter Meusburger und Thomas Schuch, im Auftrag des Rektors Prof. Dr. Bernhard Eitel: Wissenschaftsatlas der Universität Heidelberg, Bibliotheca Palatina Knittlingen 2011, S. 116+117.
↑Willy Nolte (Hrsg.): Burschenschafter-Stammrolle. Verzeichnis der Mitglieder der Deutschen Burschenschaft nach dem Stande vom Sommer-Semester 1934. Berlin 1934, S. 269.
↑Vgl. Andreas Mettenleiter: Das Juliusspital in Würzburg. Band III: Medizingeschichte. Herausgegeben vom Oberpflegeamt der Stiftung Juliusspital Würzburg anlässlich der 425jährigen Wiederkehr der Grundsteinlegung. Stiftung Juliusspital Würzburg, Würzburg 2001, ISBN 3-933964-04-0, S. 188.
↑Webseite Universitätsklinikum Heidelberg: Chirurgische Ordinarien, Eugen Enderlen, abgerufen am 23. April 2017; sowie Bildertafeln im Hörsaalbereich der Chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg.
↑Ernst Gund: Villa Krehl, ein zweites Handschuhsheimer Schlößchen, in: Stadtteilverein Handschuhsheim e. V. Jahrbuch 1995, Heidelberg 1995, S. 69–71.
↑Wolfgang U. Eckart: Der Krieg, das ‚Ärztliche‘ und die Pathologische Physiologie – Ludolf von Krehl in seinen Briefen an die Gattin, 1914–1918, in: Ingo Runde (Hrsg.): Die Universität Heidelberg und ihre Professoren während des Ersten Weltkriegs, Beiträge zur Tagung im Universitätsarchiv Heidelberg am 6. und 7. November 2014, Universitätsverlag Winter Heidelberg 2017, S. 259–278.
↑Ernst Gund: Villa Krehl, ein zweites Handschuhsheimer Schlößchen, in: Stadtteilverein Handschuhsheim e. V. Jahrbuch 1995, Heidelberg 1995, S. 69–71.
↑ abErnst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, 2. aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, S. 338.
↑Ludolf Krehl: Die Erkrankungen des Herzmuskels und die nervösen Herzkrankheiten. In: Hermann von Nothnagel (Hrsg.): Spezielle Pathologie und Therapie. Band XV/1, 1901.
↑Ralf Bröer, Wolfgang U. Eckart: Schiffbruch und Rettung der modernen Medizin. Zur Geschichte der Heidelberger anthropologischen Schule der Medizin. In: Ruperto Carola. Forschungsmagazin der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Heft 2, 1993, S. 4–9.
↑Wolfgang U. Eckart: Illustrierte Geschichte der Medizin. Von der französischen Revolution bis zur Gegenwart, 1.+2. Ausgabe 2011, Springer Verlag Berlin, Heidelberg, zu Ludolf von Krehl und der Heidelberger anthropologischen Schule S. 192, Illustrierte Geschichte der Medizin Online Ressource
↑Karin Buselmeier, Jens Dannehl, Susanne Himmelheber, Wolfgang U. Eckart et al.: Universitätsmuseum Heidelberg - Kataloge Bd. 2, Begleitheft zur Ausstellung, Heidelberger E-Books, heiBOOKS 2006, Die Heidelberger Schule der Anthropologischen Medizin mit Ludolf von Krehl, Richard Siebeck und Viktor von Weizsäcker S. 62, publiziert am 19. Februar 2016.
↑Ludolf-Krehl-Preis (Memento vom 6. Dezember 2013 im Internet Archive) bei der Südwestdeutschen Gesellschaft für Innere Medizin (swgim.de); abgerufen am 31. Dezember 2013
↑Webseite Universitätsklinikum Heidelberg: Bronzeschatz am neuen Platz: Ein wiederentdecktes Bronzeportrait ziert nun die Wand vor dem großen Hörsaal der Krehl Klinik. In der Feierstunde am 11. April 2017 betonten Ilme Schlichting, Direktorin des Max-Planck-Instituts für medizinische Forschung, Hugo A. Katus, Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie sowie Wolfgang U. Eckart, Direktor des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin, dass die „Krehl-Klinik“ sich trotz moderner High-Tech Medizin nach wie vor dem Anliegen Krehls verpflichtet fühle; Beitrag abgerufen am 15. April 2017.