1841 wurde er an der Universität Kiel promoviert.[2] In den Jahren 1841/42 folgten Studien- und Forschungsaufenthalte in Berlin und Paris. Nach seiner Habilitation in Kiel wurde er ebendort erst Privatdozent und 1846 außerordentlicher Professor der Staatswissenschaften. 1848 hielt Stein sich als Beobachter für die Frankfurter Nationalversammlung noch einmal in Paris auf.
Bei den Wahlen zur konstituierenden schleswig-holsteinischen Landesversammlung 1848 scheiterte er im 4. holsteinischen Wahlbezirk (Kiel, Plön). In einer Nachwahl am 28. März 1850 wurde er dann im 23. Holsteinischen Wahlbezirk (Preetz) in die Landesversammlung gewählt.
Wegen seiner aktiven Beteiligung an der schleswig-holsteinischen Bewegung gegen Dänemark wurde er 1852 seines Kieler Professorenamtes entbunden.
In Wien-Penzing (14. Bezirk) ist die Lorenz-Stein-Straße nach ihm benannt und in Eckernförde der Lorenz-von-Stein-Ring.
Sein Sohn Alwin (Ritter von) Stein (* 1848 in Kiel; † 1919 in Wien) war Maler.[5]
Werk und Wirkung
Als einer der ersten deutschen Interpreten des französischen Sozialismus und Kommunismus setzte Stein bedeutende Impulse für die politische Ideengeschichte in Deutschland. In seinen frühen theoretischen Arbeiten versuchte Stein eine Vermittlung zwischen der systemkritischen Perspektive von Sozialismus und Kommunismus mit dem bürgerlich-liberalen Fortschrittsgedanken.
In seinen späteren Theorie-Schriften hob Stein den starren Gegensatz zwischen der allgemeinen Staatsidee und den jeweils besonderen gesellschaftlichen Interessen auf. Er postulierte eine Aufgabenverschiebung öffentlichen Handelns vom Rechtsstaat zum Sozialstaat. Von ihm stammt der Begriff der „socialen Demokratie“.[6]
Von Stein teilte im Jahre 1860 das gesamte Staatsvermögen in Staatsbesitz und Staatsdomänen ein. Während er unter Staatsbesitz alle ertraglosen Güter verstand, bezeichnete er als Staatsdomänen die „Gesammtheit der für Urproduction und Landwirthschaft bestimmten Staatsgüter“ (also Land- und Forstwirtschaft, Bergbau und Fischerei).[7] „Gesälle“ nannte er alle Einnahmen aus Staatsdomänen, also Lehen und Pacht.[8]
Ein Einfluss der stein’schen Ideen auf Karl Marx gilt als wahrscheinlich, ist aber nicht nachgewiesen. Eine besondere Rezeption im Japan der Meiji-Restauration ist belegt. Er beriet 1882 gemeinsam mit dem Rechtswissenschaftler Rudolf von Gneist (1816–1895) den späteren japanischen Ministerpräsidenten Itō Hirobumi (1841–1909) in Fragen der ersten japanischen Verfassung.
In Mannheim fungiert eine Lorenz-von-Stein-Gesellschaft als eingeschriebener Verein zur Förderung des Mannheimer Zentrums für Europäische Sozialforschung (MZES) an der Universität.
Werke (Auswahl)
Der Socialismus und Communismus des heutigen Frankreichs, Leipzig 1842[9], 2. Aufl. 1847.
Die sozialistischen und kommunistischen Bewegungen seit der dritten französischen Revolution, Stuttgart 1848.
Geschichte der sozialen Bewegung in Frankreich von 1789 bis auf unsre Tage, 3 Bde. Leipzig 1850.
Geschichte des französischen Strafrechts, Basel 1847.
Französische Staats- und Rechtsgeschichte, 3 Bde. Basel 1846–48.
System der Staatswissenschaft, Bd. 1: Statistik etc., Basel 1852; Bd. 2: Gesellschaftslehre, Basel 1857.
Zur preußischen Verfassungsfrage. In: Deutsche Vierteljahresschrift 1852.
Die neue Gestaltung der Geld- und Kreditverhältnisse in Österreich, Wien 1855.
Lehrbuch der Volkswirtschaft, Wien 1858; 3. Aufl. als „Lehrbuch der Nationalökonomie“, 3. Aufl. 1887.
Lehrbuch der Finanzwissenschaft, 4 Bde. Leipzig 1860; 5. Aufl. 1885–86.
Die Lehre vom Heerwesen, Stuttgart 1872.
Verwaltungslehre, 8 Bde. Stuttgart 1865–84 (Gilt als bedeutendstes Werk, eine umfassende, nicht zum Abschluss gelangte Behandlung desjenigen Gegenstandes, den man sonst als Polizeiwissenschaft zu behandeln pflegt.)
Ernst Grünfeld: Lorenz von Stein und die Gesellschaftslehre. G. Fischer, Jena 1910.
Ansgar Fürst: Die soziologische Dimension in der Gesellschaftslehre Lorenz von Steins. Lorenz von Steins Beitrag zur Soziologie, dargestellt an einer Interpretation der Begriffe „Gesellschaft“ und „Gesellschaftswissenschaft“. Dissertation, Ruprecht-Karls-Universität, Heidelberg 1957.
Andrea Boockmann: Lorenz von Stein (1815–1890). Nachlass, Bibliothek, Bibliographie, Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek, Kiel 1980.
Heinz Taschke: Lorenz von Steins nachgelassene staatsrechtliche und rechtsphilosophische Vorlesungsmanuskripte. Zugleich ein Beitrag zu seiner Biographie und zu seinem Persönlichkeitsbegriff (= Schriftenreihe des Lorenz-von-Stein-Instituts für Verwaltungswissenschaften an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Bd. 5). Von Decker, Heidelberg 1985, ISBN 3-7685-3284-4 (zugl. Dissertation Universität Bochum, 1982/1983).
Klaus H. Fischer: Die Wissenschaft der Gesellschaft. Gesellschaftsanalyse und Geschichtsphilosophie des Lorenz von Stein unter besonderer Berücksichtigung seines gesellschaftlichen Entwurfs. Haag & Herrchen, Frankfurt/M. 1990, ISBN 3-89228-476-8 (zugl. Dissertation, Universität Freiburg/B. 1989).
Stefan Koslowski: Die Geburt des Sozialstaats aus dem Geist des Deutschen Idealismus. Person und Gemeinschaft bei Lorenz von Stein. VCH, Acta Humaniora, Weinheim 1989, ISBN 3-527-17666-7.
Albert von Mutius (Hrsg.): Lorenz von Stein. 1890–1990. Akademischer Festakt zum 100. Todestag. Verlag von Decker, Heidelberg 1992, ISBN 3-7685-2091-9.
Katharina Ibrahim: Gesellschafts- und Geschichtstheorie Lorenz von Steins. Herausbildung, Formierung und Wandel seiner Ansichten zwischen 1839 und 1856. Lorenz-von-Stein-Institut für Verwaltungswissenschaften, Kiel 1993 (zugl. Dissertation, Universität Halle).
S. Noma (Hrsg.): Stein, Lorenz von. In: Japan. An Illustrated Encyclopedia. Kodansha 1993, ISBN 4-06-205938-X, S. 1158.
Michael Löbig: Persönlichkeit, Gesellschaft und Staat. Idealistische Voraussetzungen der Theorie Lorenz von Steins. Königshausen & Neumann, Würzburg 2004, ISBN 3-8260-2738-8.
Christoph Brüning, Utz Schliesky (Hrsg.): Lorenz von Stein und die rechtliche Regelung der Wirklichkeit. Mohr Siebeck, Tübingen 2015, ISBN 978-3-16-154366-1.
Aufsätze
Dirk Blasius: Lorenz von Stein. In: Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Historiker. Bd. 1. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1971, S. 25–38.
Eckart Pankoke: Stein, Lorenz von. In: Wilhelm Bernsdorf, Horst Knospe (Hrsg.): Internationales Soziologenlexikon. Bd. 1. Enke, Stuttgart ²1980, S. 412 f.
Ernst-Wolfgang Böckenförde: Lorenz von Stein als Theoretiker der Bewegung von Staat und Gesellschaft zum Sozialstaat. In: Ders.: Recht, Staat, Freiheit.Studien zur Rechtsphilosophie, Staatstheorie und Verfassungsgeschichte. Suhrkamp, Frankfurt/M. 1991, ISBN 3-518-28514-9, S. 170–208.
Norbert Waszek: Lorenz von Stein Revisited. In: Politische Vierteljahresschrift. Bd. 37/2, 1996, S. 378–384.
Norbert Waszek: Aux sources de l’État social à l’allemande. Lorenz von Stein et Hegel. In: Ders.: Hegel. Droit, histoire, société (= Revue Germanique Internationale. Vol. 15). PUF, Paris 2001, ISBN 2-13-051487-1, S. 211–238.
Norbert Waszek: L’Etat de Droit Social chez Lorenz von Stein. In: Olivier Jouanjan (Hrsg.): Figures de l’Etat de droit. Le Rechtsstaat dans l’histoire intellectuelle et constitutionnelle de l’Allemagne. Presses universitaires, Strasbourg 2001, ISBN 2-86820-180-6, S. 193–217.
Norbert Waszek: Lorenz von Stein. Propagateur du droit français en Allemagne; „ambassadeur“ officieux de la recherche juridique allemande en France. In: Jean-François Kervégan, Heinz Mohnhaupt (Hrsg.): Wechselseitige Beeinflussungen und Rezeptionen von Recht und Philosophie in Deutschland und Frankreich (= Ius commune. Sonderband 144). Vittorio Klostermann, Frankfurt/M. 2001, ISBN 3-465-03169-5, S. 379–403.
Helge Dvorak: Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft. Band I: Politiker. Teilband 5: R–S. Winter, Heidelberg 2002, ISBN 3-8253-1256-9, S. 495–497.
Stefan Koslowski: Zur Philosophie von Wirtschaft und Recht. Lorenz von Stein im Spannungsfeld zwischen Idealismus, Historismus und Positivismus, Duncker & Humblot, Berlin 2005 (= Philosophische Schriften, Band 6), ISBN 3-428-11657-7.
Dirk Blasius: Lorenz von Stein. Deutsche Gelehrtenpolitik in der Habsburger Monarchie, Lorenz-von-Stein-Institut für Verwaltungswissenschaften, Kiel 2007 (= Schriftenreihe des Lorenz-von-Stein-Instituts für Verwaltungswissenschaften, Band 24), ISBN 978-3-936773-35-4.
Joachim Krause: Lorenz von Stein als politikwissenschaftlicher Theoretiker und politischer Philosoph. In: Wilhelm Knelangen, Tine Stein (Hrsg.): Kontinuität und Kontroverse. Die Geschichte der Politikwissenschaft an der Universität Kiel. Klartext Verlag, Essen 2013, ISBN 978-3-8375-0763-8, S. 181–208.
Stefan Koslowski (Hrsg.): Lorenz von Stein und der Sozialstaat, Nomos, Baden-Baden 2014 (= Staatsverständnisse, Band 63), ISBN 978-3-8487-1063-8.
Dirk Blasius: Zur Bedeutung Lorenz von Steins für Ernst Rudolf Huber und Carl Schmitt. In: Ewald Grothe (Hrsg.): Ernst Rudolf Huber. Staat – Verfassung – Geschichte (= Staatsverständnisse, Band 80), Nomos-Verlag, Baden-Baden 2015, ISBN 978-3-8487-2618-9, S. 261–278.
Christoph Brüning u. a. (Hrsg.): Lorenz von Stein und die rechtliche Regelung der Wirklichkeit, Mohr Siebeck, Tübingen 2015, ISBN 978-3-16-154344-9.
Utz Schliesky, Jan Schlürmann: Lorenz von Stein. Leben und Werk zwischen Borby und Wien, Wachholtz, Kiel/Hamburg 2015, ISBN 978-3-529-07605-3.
Norbert Waszek: Die soziale Frage bei Lorenz von Stein. In: Wolfgang Fink, Thomas Nicklas u. a. (Hrsg.): Vormärz und soziale Frage 1830–1840. Vergleichende Perspektiven. Epure, Reims 2018, ISBN 978-2-37496-071-5, S. 245–279.
Reinhart Koselleck: Geschichtliche Prognose in Lorenz v. Steins Schrift zur preußischen Verfassung. In: Reinhart Koselleck: Vergangene Zukunft. Frankfurt a. Main 1989, S. 87–104.
↑Helge Dvorak: Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft. Band I: Politiker. Teilband 5: R–S. Winter, Heidelberg 2002, ISBN 3-8253-1256-9, S. 495.
↑Die Geschichte des dänischen Civilprozesses und das heutige Verfahren. Als Beitrag zu einer vergleichenden Rechtswissenschaft, jur. Diss. Kiel 1841.
↑Lorenz von Stein: Lehrbuch der Finanzwissenschaft. Als Grundlage für Vorlesungen und zum Selbststudium. 1860, S. 133.
↑Lorenz von Stein: Der Socialismus und Communismus des heutigen Frankreichs: ein Beitrag zur Zeitgeschichte. O. Wigand, 1842 (google.com [abgerufen am 27. September 2021]).