Liturgie der Hagia SophiaAls Liturgie der Hagia Sophia bezeichnet man den byzantinischen Kathedralritus der griechisch-orthodoxen Kirche, wie er bis 1453 in der Hagia Sophia in Konstantinopel, heute Istanbul, gefeiert wurde. Die Liturgie war auf der Basis der byzantinischen Philosophie als mystagogische Gesamterfahrung aus Architektur, Musik, Akustik und den eigentlichen liturgischen Handlungen konzipiert. Der überwältigende Eindruck dieser Liturgie war entscheidend für die Konversion Wladimirs des Großen und der Kiewer Rus im Jahr 988. Akustik und architektonische BedingungenDer Raum der Hagia Sophia ist durch einen enormen Nachhall geprägt und nicht auf Verständlichkeit des gesprochenen Wortes hin ausgelegt. Die Kuppel der Hagia Sofia projiziert vor allem Frequenzen jenseits von 1000 Hertz. Während der Liturgie kamen über 500 Personen zum Einsatz. Neben den zelebrierenden Klerikern sangen im Jahr 612 vom Ambo aus neben dem Solisten (domestikos) 25 so genannte psaltai unterstützt von bis zu 160 anagnostes.[1] Besonders die Musik der psaltsai war stark melismatisch. Der Verbund aus Klang- und Lichtreflexionen in der Kathedrale zielte somit auf eine synästhetische und performative Spiegelung des Himmels. Diese abstrakte Vorstellung des Göttlichen spiegelt sich, jedenfalls zu Beginn, im sparsamen, anikonischen Bildprogramm der Kathedrale. Sie stellt sich insoweit als Gegenpol zur westlichen, lateinischen Liturgietradition hin.[1] Der Eindruck der Liturgie scheint für Außenstehende überwältigend gewesen zu sein. Für das Jahr 877 überliefert die Nestorchronik das Erlebnis einer Gesandtschaft Wladimirs des Großen:
– Nestorchronik, 987, 44—48 Historische EntwicklungDie historische Entwicklung kann in zwei Phasen der Rezeption monastischer Riten zergliedert werden: Die erste Phase begann im neunten Jahrhundert und dauerte bis 1204. Sie ist durch die Übernahme liturgischer Elemente des Studionklosters gekennzeichnet. Die zweite Phase begann nach dem Ende der lateinischen Besetzung Konstantinopels von 1204 bis 1261. In dieser zweiten Phase nahm die Liturgie Elemente der neo-sabatäischen Liturgie konstantinopolitanischer Klöster und vom Berg Athos aus dem elften Jahrhundert auf. Diese Liturgie ist schriftlich überliefert in Aufzeichnungen der Hagia Sofia aus Thessaloniki durch Bischof Symeon von Thessaloniki.[1] MusikVom musikalischen Repertoire der Chöre ist nur ein kleiner Teil bekannt. Die Melodien finden sich heute in den Bibliotheken süditalienischer Klöster. Nach dem Fall Konstantinopels im Jahr 1453 wurde dort eine Zeit lang ein Mischritus gefeiert, bei dem an Hochfesten der konstantinopolitanische Kathedralritus teilweise fortlebte. Nur ein Bruchteil kann in heutige Musiknotation zuverlässig übertragen werden. Die Gesänge des Solisten finden sich im Psaltikon und Kondakarion, diejenigen des Chors im Asmatikon. Die Überlieferung kann durch einige slawische Manuskripte ergänzt werden.[1] LiturgieDie Liturgie erreicht in der Mitte des zehnten Jahrhunderts den Höhepunkt ihrer Entwicklung und blieb eine Stationsliturgie in der Tradition der Spätantike. Der Ritus setzte sich zusammen aus:[1]
StundenliturgieDie wichtigsten Gottesdienste des Stundengebetes waren orthros und lychnikos. Ihre Gesänge (asmatike akolouthia) waren bis ins 13. Jahrhundert nur mündlich überliefert und speisten sich aus der Psalmodie des vierten Jahrhunderts in Jerusalem und Antiochia. Sie ist in zwei spätbyzantinischen Manuskripten der Hagia Sofia in Thessaloniki überliefert.[1] Die Psalmen würden meist syllabisch gesungen. In den Gesang der Psalmen war die Gemeinde stets miteinbezogen. Die Chöre sagen die Verse der Psalmen und die Gemeinde den Kehrvers. Im Unterschied zur Jerusalemer und Antiochenischen Psalmodie waren die Psalmen des konstantinopolitanischen Psalters unter dem Einfluss des Patriarchen Anthimos I. in größere Einheiten, so genannte Antiphonen, aufgeteilt.[1] Psalm 85, 140, die Psalmen 3—62—133, Psalm 118, Psalm 50 und die Psalmen 148, 149 und 150 wurden bei jedem orthros bzw. lychnikos gesungen. Zerteilt in Einheiten von 68 bis 74 Antiphonen konnte der Psalter so in etwa einer Woche einmal vollständig gesungen werden.[1] Göttliche LiturgieDie Reflexion des Klanges im Gewölbe und des Lichts in Gold und Marmor der Kathedrale fand seine Rechtfertigung im Ziel der liturgischen Spiegelung des Himmels. Als Beispiel dient der hier Cherubikon-Hymnus, der während des Großen Einzugs gesungen wurde:[1]
ebenso wie das Gebet des Patriarchen vor dem Großen Einzug. Die Liturgie versteht sich somit als performative Umsetzung der Theologie des Pseudo-Dionysios.[1] Literatur
TondokumenteWeblinksEinzelnachweise
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