Der Ausdruck gehört in den Kontext „O certe necessarium Adamae peccatum, quod Christi morte deletum est. O felix culpa quae talem ac tantum meruit habere Redemptorem!“ – „O wahrlich notwendige Schuld Adams, die durch Christi Tod getilgt worden ist! O glückliche Schuld, die es verdiente, einen solchen und so großen Erlöser zu haben!“
Daraus die Worte „felix culpa“ („glückliche Schuld“), der Gedanke, wonach der Sünder sich durch die Vergebung in einem glücklicheren Zustand befindet als vor der Sünde.
O Fortuna.
„O Glück!“ – Anfangsworte aus den Carmina Burana (1. Fortuna Imperatrix Mundi):
O Fortuna
velut luna
statu variabilis,
semper crescis
aut decrescis;
vita detestabilis
nunc obdurat
et tunc curat
ludo mentis aciem,
egestatem,
potestatem
dissolvit ut glaciem.
O Fortuna,
wie der Mond
bist du veränderlich,
ständig wachsend
oder schwindend;
das schmähliche Leben
bald härtet es ab,
bald verwöhnt es
spielerisch den wachen Sinn,
Armut
und Macht
zerschmilzt es wie Eis.
O matre pulchra filia pulchrior!
„Tochter, schöner noch als ihre schöne Mutter!“ – Horaz, Oden 1,16,1
O mihi praeteritos referat si Iuppiter annos!
„O brächte Jupiter mir die vergangenen Jahre zurück!“ – Zitat aus der Aeneis des Vergil.
O quae mutatio rerum.
„O welch Wandel der Dinge!“ – Diese lateinische Wendung findet sich in dem Studentenlied O alte Burschenherrlichkeit:
O alte Burschenherrlichkeit,
Wohin bist du entschwunden,
Nie kehrst du wieder goldne Zeit,
So froh und ungebunden!
Vergebens spähe ich umher,
Ich finde deine Spur nicht mehr.
O ierum, o quae mutatio rerum
„O heilige Einfalt!“ – Dieses Zitat wird Jan Hus zugeschrieben, der diese Worte sprach, als eine eifrige Frau Holz für seinen Scheiterhaufen brachte. Es wird durch Mephistopheles in Goethes Faust I zitiert. Heute wird dieses Zitat als ironischer Ausdruck des Erstaunens über Dummheit gebraucht.
„Was für Zeiten! Was für Sitten!“ – Marcus Tullius Cicero, Catilina I, 1, 2.
O Tite, tute, Tati tibi tanta, tyranne, tulisti!
„O Titus Tatius, du selbst, du Tyrann, hast dir ein so großes [scil. Unglück] zugezogen!“ – Berühmter Vers von Quintus Ennius, insbesondere für seinen plakativen Gebrauch des Stilmittels Alliteration.
„Gehorsam und Frieden“ – Dies war der Wahlspruch von Angelo Giuseppe Roncalli, dem späteren Papst Johannes XXIII., bei seiner Bischofsweihe.
Obscuri
Obscuri viri
„Dunkelmänner“ – Die Dunkelmännerbriefe(Epistolae obscurorum virorum) waren die berühmteste Satire des deutschen Humanismus. Anlass war der Streit der Kölner Dominikaner mit dem Hebräisten Johannes Reuchlin um die Frage, ob jüdische Schriften verbrannt werden sollten. Das Werk enthält die fingierten Briefe von Dominikanern, die wie eine Selbstentlarvung der Beteiligten wirken.
Observa
Observa diem sabbati.
„Achte den Sabbat!“ – Sabbatgebot aus den Zehn Geboten, das vollständig so lautet: „Observa diem sabbati, ut sanctifices eum, sicut praecepit tibi Dominus Deus tuus.“ („Achte auf den Sabbat: Halte ihn heilig, wie es dir der Herr, dein Gott, zur Pflicht gemacht hat.“)
Oculi
Oculi plus vident quam oculus.
„Augen sehen mehr als ein Auge.“
Oculi mei semper ad Dominum.
„Meine Augen sind immer auf den Herrn gerichtet.“ – Psalm 25,15, von dem die Bezeichnung „Oculi“ für den 3. Fastensonntag hergeleitet ist.
„Letztes Auge“ – ophthalmologische Bezeichnung für das noch gut sehende verbliebene Auge nach Verlust der Sehkraft des anderen Auges
Oderint
Oderint, dum metuant.
„Mögen sie mich hassen, wenn sie mich nur fürchten.“ – Aus einer Tragödie des Lucius Accius, zitiert zuerst bei Cicero[1]; später das Motto des Kaisers Caligula.
In der Neuzeit Ausspruch Bismarcks über das preußisch-französische Verhältnis.
Oderunt
Oderunt hilarem tristes tristemque iocosi.
„Die Traurigen hassen den Heiteren und den Traurigen die Lustigen.“ – Hexameter: Horaz, Epistulae 1,18,89.
Odi
Odi et amo. Quare id faciam, fortasse requiris. Nescio. Sed fieri sentio et excrucior.
„Ich hasse und liebe. Warum ich dies mache, fragst du vielleicht. Ich weiß es nicht. Aber ich fühle, dass es so ist, und es quält mich.“ – Catull 85.
Odi profanum vulgus et arceo.
„Ich hasse das gemeine Volk und halte es fern.“ – Horaz (Carmina 3, 1, 1)
Odium
Odium theologicum
„Theologischer Hass“ – Ausdruck für die spezielle Form von Hass, die in theologischen Disputen entsteht.
Olet
Olet lucernam.
„Das riecht nach Öl.“: Das riecht nach der Öllampe, nach Nachtarbeit.
Oleum
Oleum et operam perdidi.
„Öl und Mühe habe ich verschwendet.“ – Zitat aus der Komödie Poenulus des Dichters Plautus (Vers 332); der Satz wird dort von einer Dirne gesprochen, die sich vergebens hat putzen und salben lassen. Cicero überträgt die Wendung in seinen Briefen Ad familiares (7,1) auf Gladiatoren, später wird damit auf das verschwendete Öl der Studierlampe angespielt.
Olim
Olim meminisse iuvabit.
„Einst wird es erfreuen, sich zu erinnern.“ – Vergil.
Omne
Omne animal post coitum triste (praeter gallum, qui cantat).
„Nach der Vereinigung sind alle Lebewesen traurig (außer dem Hahn, der singt [kräht]).“
Häufig als Satz aus den Problemata physica (XXX, 1) von Pseudo-Aristoteles zitiert und damit sehr lange Aristoteles zugeschrieben, alternativ auch als Sentenz von Ovid, Galen oder Augustinus. Er ist aber erst im 16. Jahrhundert nachzuweisen und allenfalls von (pseudo-)aristotelischem Gedankengut beeinflusst: Zwei Untersuchungen fanden 2002 unabhängig voneinander, dass der Wortlaut das erste Mal im Jahr 1514 in einem Kommentar von Johannes Murmellius zu Boethius’ Der Trost der Philosophie auftaucht:[2]
„nam, teste philosopho, omne animal a coitu triste est“ – „denn nach dem Zeugnis des Philosophen ist jedes Lebewesen nach dem Verkehr traurig“.[3]
Der Philosoph, der hier gemeint ist, ist sicher Aristoteles. Bereits Ende des 17. Jahrhunderts wird der Hahn hinzugefügt, wohl mit humoristischer Intention:[4]
„Et omne animal post coitum fieri triste, praeter gallum didicit.“ – „Man hat erfahren, dass jedes Tier nach dem Koitus traurig wird – außer dem Hahn.“
Es sind im Lauf der Zeit mehrere Varianten im Wortlaut entstanden. In einigen wird noch die Ehefrau (lateinisch mulier) ergänzt, etwa:
„Omne animal triste post coitum, praeter gallum mulieremque.“ – „Nach dem Koitus sind alle Tiere traurig – außer dem Hahn und der Ehefrau.“
„Alles Unbekannte gilt ⟨ihnen⟩ für großartig.“ – Tacitus, Agricola, 30.
Ein Satz des Britanniers Calgacus aus seiner berühmten Rede gegen den Herrschaftsanspruch der Römer. – Sherlock Holmes zitiert ihn in Die Abenteuer des Sherlock Holmes.
Omne principium grave.
„Aller Anfang ist schwer.“
Omne vivum ex ovo.
„Alles Lebende kommt aus dem Ei.“
Omnes
Omnes eodem cogimur.
„Alle werden wir an denselben Ort gezwungen.“ – Horaz, carmen 2,3,25.
„Gott ist alles in allem.“ – Ausspruch des Johannes Scottus Eriugena, über die Allheit Gottes (De div. nat. II, 2). Eine Formulierung, der der Spinozismus nahekommt.
„Alles besiegt die Liebe.“ – Vergil, Bucolica 10,69: „Omnia vincit amor, et nos cedamus amori.“ („Alles besiegt die Liebe, wollen auch wir der Liebe nachgeben.“)
Siehe im Kontrast dazu „labor omnia vincit“, das ebenso auf eine Sentenz von Vergil zurückgeht.
Omnibus
Omnibus moriendum est, divitibus pauperibus, summis infimis.
„Alle müssen sterben, die Reichen wie die Armen, die Höchsten wie die Niedrigsten.“
Omnibus prodesse
„Nützlich sein für alle“ (Devise im Stiftssiegel des Benediktinerstiftes Melk in Niederösterreich)
„Nachgelassene Werke“ – D. h. solche, die nach dem Tod des Autors veröffentlicht werden.
Opere
Opere citato (op. cit.)
„Im (schon) zitierten Werk“ – Wird in akademischen Schriften gebraucht, um auf eine Stelle in einem zuvor genannten Werk zu verweisen.
Operibus
Operibus credite et non verbis
„Glaubt den Taten und nicht den Worten.“
Ophidia
Ophidia in herba
„Schlangen im Gras“ – Eine verborgene Gefahr oder ein unbekanntes Risiko. Vergleiche auch „Latet anguis in herba.“
Oportet
Oportet et haereses esse …
„Auch Parteiungen sind notwendig (damit auch deutlich wird, wer unter euch zuverlässig ist)“ – Der Apostel Paulus in seinem 1. Brief an die Korinther 11,19.
„Werk Gottes“ – Personalprälatur (Organisationseinheit, der ein Prälat vorsteht) der römisch-katholischen Kirche, die sich zum Ziel gesetzt hat, bei Laien durch religiöse Bildung und seelsorgerliche Hilfestellung ein gottgefälliges Leben in Beruf und Familie zu fördern. Der volle Name ist:
„Praelatura Sanctae Crucis et Opus Dei“
(„Prälatur vom heiligen Kreuz und Werk Gottes“).
Ora
Ora et labora
„Bete und arbeite!“ – Vollständig lautet dieser Grundsatz der benediktinischen Klöster:
„Ora et labora (et lege), Deus adest sine mora.“
„Bete und arbeite (und lies), Gott ist da (oder: Gott hilft) ohne Verzug.“
Ora pro nobis.
„Bete für uns!“ – Gebetsformel in der katholischen Kirche
„Beten sollte man darum, dass in einem gesunden Körper ein gesunder Geist sei.“ – Juvenal, Satiren (10,356).
Oratio
Oratio pro domo
„Rede für das (eigene) Haus“ – In eigener Sache. Sie rührt von einer Rede, die Marcus Tullius Cicero nach seiner Rückkehr aus dem Exil gehalten haben soll, um sein konfisziertes Haus zurückzuerhalten.
Orbis
Orbis non sufficit
„Die Welt ist nicht genug“ – Familienmotto und Teil des Familienwappens der Bond Baronets, of Peckham, seit Erhebung des ersten Inhabers Thomas Bond in den Adelsstand im Jahr 1658.
Der Schriftsteller Ian Fleming übernahm dieses historische, bis 1767 genutzte Motto auch für das Familienwappen des fiktiven Nachfahren James Bond(Agent 007). Bond erfährt dies im Roman Im Dienst Ihrer Majestät, es wird auch in der Verfilmung Im Geheimdienst Ihrer Majestät erwähnt. Davon inspiriert, entschieden die Produzenten der James-Bond-Filmreihe, der 1999 erschienenen Verfilmung den Titel „Die Welt ist nicht genug“ zu geben.
„Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem“ – Der Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem und der Malteserorden sind heute die zwei vom Heiligen Stuhl anerkannten Ritterorden.
Ordo equitum Teutonicorum
„Deutscher Ritterorden“: Der Deutsche Orden ist seit 1929 kein Ritterorden mehr, sondern ein kirchliches Institut von „Brüdern“ − Priestern und Laienbrüdern − und „Schwestern“.
Ortus
Ortus cuncta suos repetunt matremque requirunt, et redit ad nihilum, quod fuit ante nihil.
„Alles strebt wieder seinem Ursprung zu und sucht die Mutter, und es kehrt ins Nichts zurück, was vorher nichts war.“ – Maximianus, Elegie 1,221f. (ein Distichon).
Enrique Montero Cartelle: Omne animal post coitum triste: de Aristóteles a S. Freud. In: Revista de Estudios Latinos (RELat). Band1, 2001, S.107–119, doi:10.23808/rel.v1i0.87982 (spanisch).
Gerhard Fichtner: »Omne animal post coitum triste«. Die Herkunft eines Sprichwortes und seine Verwendung bei Freud. In: Jahrbuch der Psychoanalyse. Band45, Beiheft, 2002, S.151–171.