Das MAB-Programm wurde 1970 ins Leben gerufen, seit 1976 werden im Weltnetz der Biosphärenreservate großflächige Schutzgebiete eingerichtet. Schon 1977 wurden in Österreich vier Gebiete eingerichtet. Anfangs forschungsorientiert, wurde mit der Sevilla-Strategie 1996 das Schutzanliegen völlig umgestellt, und der Mensch als Teil des Lebensraums und die nachhaltige Entwicklung in den Vordergrund gestellt.
In MAB-Reservate werden in Österreich durchwegs Biosphärenpark genannt. Das soll – in Analogie zu Nationalpark und Naturpark – betonen, dass es sich nicht um ein den Menschen ausschließendes Konzept handelt.
Sie stellen sich in ihrem Management, der Rechtslage, der örtlichen Einbettung und den sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen sehr vielfältig dar.[2]
Diese Biosphärenparks sind heute Schutzgebiete, die von naturschutzorientierten Bereichen (Kernzone, mindestens 5 %) über landschaftsschützerische Bereiche (Pflegezone) bis hin zum besiedelten Raum(Entwicklungszone) reichen, die Einbeziehung des Letzteren wird explizit gefordert.[3]
Die Intensität des Schutzes der Kernzone reicht von Prozessschutz-orientierten Reservaten der Artenvielfalt (Biogenetisches Reservat, Naturwaldreservat) bis hin zu unspezifischem Flächenschutz (ex-lege-Schutz des alpinen Raums: Salzburger Lungau & Kärntner Nockberge).
Es gibt ein MAB-Nationalkomitee, bestehend aus Vertretern der Wissenschaft, von Ministerien, der österreichischen UNESCO-Kommission und aus NGOs.[4]
Betreut wird das Programm vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft, dem Umweltbundesamt, den Umweltabteilungen der Länder, und der Akademie der Wissenschaften.
Erste Generation
Die vier vor 1995 nominierten Gebieten waren noch primär auf Schutz und Erforschung ausgewählter Ökosysteme fokussiert: zwei in siedlungsdichtem Raum (der Neusiedler See und die Untere Lobau nahe der Stadt Wien), die anderen beiden (Gossenköllesee und Gurgler Kamm in Tirol) im touristisch erschlossenen Gebirgsraum. Diese Biosphärenreservate der „ersten Generation“ des MAB-Programms sollten vorrangig die Rolle des Menschen in besonderen Ökosystemen untersuchen. Die vier Gebiete waren daher auch als Biogenetisches Reservat oder Naturwaldreservat ausgewiesen.
Bis in die 2010er Jahre hatten nur drei auf die neue Sevilla-Strategie umgestellt:[5] Zwei der Gebiete (Gossenköllesee, Gurgler Kamm) hatten keine Zonierung, eines stellt sich als reine Kernzone dar (Lobau).
Insbesondere der Gossenköllesee, das weltweit kleinste Biosphärenreservat,[6] entsprach als reines Forschungsreservat nicht mehr den derzeitigen Biosphärenreservat-Anforderungen.[7]
Im Mai 2014 gab die Österreichische Akademie der Wissenschaften dann bekannt, dass per Ende 2014 Gossenköllesee und Gurgler Kamm aus der Biosphärenreservatsliste herausgenommen werden sollen, da sie wichtige neue Kriterien – etwa Bewohnung – nicht erfüllen.[8]
Problematisch beim Gossenköllesee ist, dass seitdem jeglicher rechtliche Schutz aussteht.
Zweite Generation
Nachdem nach der Anfangsphase wenig Bewegung im Programm gewesen war, zeichnete sich im Laufe der 2000er Jahre ein „wahrer Boom“[9]
ab, nach Großwalsertal, Wienerwald und Lungau & Nockberge wurden auch Biosphärenparks für die March-Thaya-Region (Europaschutzgebiete, teils Nationalpark), Wachau (UNESCO-Welterbe) oder in der steirischen Koralm-Region geprüft.
2021 wurde der Biosphärenpark Unteres Murtal in den 5-Länder-Biosphärenpark „Mur-Drau-Donau“ eingebunden, der von Serbien, Kroatien, Ungarn und Slowenien aufgebaut wurde und – weltweit erstmals – Teile aus fünf Staaten enthält.[10]
Heute stellen die Biosphärenparks eine bedeutende Ergänzung in der Schutzgebietsstrategie Österreichs dar, weil sie den Nachhaltigkeitszielen der Umwelt- wie der Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik sehr entgegenkommen, wie sie auch aus EU- und internationalen Verpflichtungen entstehen. Die Biosphärenparks werden eng mit anderen Regionalisierungs-Strategien, wie Lokale Agenda 21, e5 – Programm für energieeffiziente Gemeinden in der Energiepolitik, oder Markenbildung wie den Genussregionen (zum Register der Traditionellen Lebensmittel als Kulturgutschutz) vernetzt.[11]
Naturschutzrecht
Das Biosphärenreservat wurde in Österreich durchwegs nicht als eigene Klasse eingeführt, sondern ist durch andere Schutzklassen (Naturschutzgebiet) oder prinzipielle Schutzgüter (ex-lege-Schutz, etwa alpinen Raum) abgedeckt. Naturschutz ist in Österreich aber prinzipiell Ländersache, eine Ausnahme bilden zwei Länder, in denen der Biosphärenpark eine eigene Kategorie darstellt, und keine weitere landesrechtliche Kategorie notwendig ist:
Vorarlberg: § 27 des 2008 novellierten Vlbg. Gesetz über Naturschutz und Landschaftsentwicklung[12] (bisher ein Park: Großes Walsertal)
Kärnten: 2. Hauptstück des 2012 von Nationalpark- auf Nationalpark- und Biosphärenparkgesetz (K-NBG) geänderten Gesetzes[13] (Anlass war, dass der Nationalpark Nockberge von der IUCN nur als Kategorie V klassiert worden war, und dieser in einen Biosphärenpark umgewandelt wurde).
Zwei Gebiete überschreiten Bundesländergrenzen, wie das auch erklärte Absicht ist[3] (Wienerwald, Salzburger Lungau & Kärntner Nockberge).
Besondere Regelungen:
Der BP Walsertal stellt auch innerhalb des weltweiten Netzwerkes eine Besonderheit dar, da er als Verein der Kommunalebene organisiert ist, und besonders hohe Präsenz in der Bevölkerung aufweist: Für das Bergtal ist er inzwischen ein Objekt der Identifikation, und auch wichtiges Instrument der Wirtschaftsförderung.[14]
Im Salzburger Teil ist der BP Lungau & Nockberge ohne jede naturschutzrechtliche Basis, sondern Element der Raumordnung, die auf einem Land–Gemeinden-Dialog beruht. Er wird vom Regionalverband Lungau (als Raumplanungsregion) getragen und hat ebenfalls starken Rückhalt in der Kommunalpolitik.[15]
Liste ehemaliger Biosphärenparks (Biosphärenreservate)
Lage: Bundesland, Koordinaten
Zonen: K … Kernzone, P … Pflegezone, E … Entwicklungszone
Stand: 4/2024, Quelle: unesco.org, UBA, ÖAW, Uni Wien
(G.)
Koordinaten nach unesco.org (Koordinatenmitte), präziser teils im Landes-GIS
(Fl.)
Fläche nach unesco.org, Flächenangaben je nach Maßstab/Zeit der Aufnahme abweichend
(Sort.)
Sortierbar: Schwerpunkte: nach den Einwohnern im Gebiet und den Leitzielen der Sevillastrategie Anmerkung: nach internationalem/nationalem und sonstigem Schutz
Liste der Biosphärenparks (Biosphärenreservate)
Lage: Bundesland, Koordinaten
Zonen: K … Kernzone, P … Pflegezone, E … Entwicklungszone
Naturschutz, Tourismus und nachhaltige Regionalentwicklung
Der Biosphärenpark Unteres Murtal ist Teil des „Biosphärenparks Mur-Drau-Donau“, eine fünf Länder übergreifende Flusslandschaft, die sich über Österreich, Slowenien, Kroatien, Ungarn und Serbien erstreckt.
Stand: 6/2014, Quelle: unesco.org, UBA, ÖAW, Uni Wien
(G.)
Koordinaten nach unesco.org (Koordinatenmitte), präziser teils im Landes-GIS
(Fl.)
Fläche nach unesco.org, Flächenangaben je nach Maßstab/Zeit der Aufnahme abweichend
(Sort.)
Sortierbar: Schwerpunkte: nach den Einwohnern im Gebiet und den Leitzielen der Sevillastrategie Anmerkung: nach internationalem/nationalem und sonstigem Schutz
Ingrid Klaffl, Irene Oberleitner, Maria Tiefenbach: Biogenetische Reservate und Biosphärenreservate in Österreich. Umweltbundesamt: Report R-161, Wien 1999; umweltbundesamt.at (PDF; 8,9 MB), Abstract (PDF; 57 kB; deutsch/englisch) umweltbundesamt.at
Österreichische Akademie der Wissenschaften (Hrsg.): Weißbuch „Leben in Vielfalt“. UNESCO-Biosphärenreservate als Modellregionen für ein Miteinander von Mensch und Natur. Broschüre, Verlag der ÖAW, 2005, ISBN 3-7001-3337-5 (univie.ac.at).
Österreichische Akademie der Wissenschaften, MAB-Nationalkomitee (Hrsg.): Biosphere Reserves in Austria – Grundlagenerhebung und Stand der Forschung, Materialien, Online-ISBN 978-3-7001-3599-9 (Inhalt, epub.oeaw.ac.at).
Österreichische Akademie der Wissenschaften, MAB-Nationalkomitee (Hrsg.): Erhalt der biologischen und kulturellen Vielfalt. Modelle für nachhaltige Entwicklungsstrategien im 21. Jahrhundert. Orte der Forschung, Bildung und Umweltbeobachtung. Broschüre, ISBN 978-3-7001-3742-9, doi:10.1553/ibk (zurzeit nicht erreichbar) (pdf, www.austriaca.at).
↑Schutzgebiete. Umweltbundesamt, abgerufen am 28. April 2024.
↑Reiter: Biosphärenreservate als Forschungsauftrag der UNESCO – MAB. Chance für Naturschutz, Nachhaltige Entwicklung Wissenschaft. Präsentation, Uni Wien, o. D. (univie.ac.at (PDF; 513 kB) abgerufen 7/2013).
↑ abReiter: Biosphärenreservate als Forschungsauftrag, Folie Nationale Kriterien für Biosphärenreservate (PDF, S. 9, siehe oben).
↑Peter Alexander Rumpolt (Institut für Geographie und Regionalforschung, Universität Wien): Das Selbstbild im Biosphärenpark Großes Walsertal. In: alpine space – man & environment, Vol. 10: Der Biosphärenpark als regionales Leitinstrument, innsbruck university press, Innsbruck 2009, ISBN 978-3-902719-20-1; uibk.ac.at (Memento des Originals vom 9. Februar 2015 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.uibk.ac.at (PDF).