Ihr Vater war ein Ingenieur aus Nordvietnam, ihre Mutter entstammte einer reichen vietnamesischen Familie mit französischer Staatsbürgerschaft. Die Kindheit verbrachte Linda Lê in Đà Lạt. 1969 floh die Familie vor den nordvietnamesischen Truppen nach Saigon. Die traumatische Erfahrung beschrieb Linda Lê in dem kurzen Text Les pieds nus (Die nackten Füße).
In Saigon besuchte Linda Lê das französische Lycée und begeisterte sich für Victor Hugo und Honoré de Balzac. 1977 emigrierte sie mit ihrer Mutter, drei Schwestern und ihrer Großmutter nach Frankreich. Ihr Vater, der nicht Französisch sprach, blieb in Saigon. Am Gymnasium in Le Havre lernte Linda Lê das Werk Marcel Prousts kennen. 1981 wechselte sie auf das Lycée Henri IV in Paris und studierte anschließend an der Sorbonne. Sie lebte in Paris.
Linda Lês erster Roman, Un si tendre vampire, erschien 1987. Bald darauf folgten Fuir 1988 und Solo (1989), eine Sammlung von Kurzgeschichten. Alle drei Bücher wurden im Verlag Table Ronde veröffentlicht, später aber von ihr selbst aus ihrer offiziellen Bibliographie gestrichen. Linda Lê wechselte zum Verlag Christian Bourgois, dem sie viele Jahre lang treu blieb.
Außerdem arbeitete sie als Literaturkritikerin und schrieb für den Verlag Hachette Vorworte, die später gesammelt unter dem Titel Tu écriras sur le bonheur (1999) erschienen. Ein Sammelband mit Literaturkritiken erschien 2009: Au fond de l'inconnu pour trouver du nouveau.
1995 starb Linda Lês Vater in Vietnam. Zu seinem Begräbnis reiste Linda Lê zum ersten Mal seit der Emigration nach Vietnam. Der verlassene und einsam gestorbene Vater ist eine immer wieder auftauchende Gestalt in Linda Lês Werk, insbesondere in der Trilogie Les Trois parques (1997), Voix (1998), einem verstörend vielstimmigen Werk, dem ein psychischer Zusammenbruch vorausging, und Lettre morte (1999).
Am 9. Mai 2022 starb Linda Lê nach langer Krankheit im Alter von 58 Jahren.[3]
Auszeichnungen
1990: Prix de la Vocation
1993: Prix Renaissance für Les Évangiles de Crime
1997: Prix Fénélon für Les trois Parques
2010: Prix Wepler für Cronos
2010: Cioran-Stipendium
2011: Prix Renaudot Poche für À l’enfant que je n’aurai pas
Werke
Les Évangiles du crime, 1992, éditions Christian Bourgois, 2011 neu aufgelegt in der Reihe Titres
Calomnies, 1993, éditions Christian Bourgois
Les Dits d’un idiot, 1995, éditions Christian Bourgois, 2011 neu aufgelegt in der Reihe Titres
FLUTwelle. Roman. Übers. Brigitte Große. Dörlemann, Zürich 2014, ISBN 978-3-03820-003-1.
Sekundärliteratur
Leakthina Chau-Pech Ollier: Consuming Culture: Linda Lê’s Autofiction. In: Of Vietnam: Identities in Dialogue
Leakthina Chau-Pech Ollier: Linde Lê and la poetique d’espace. In: La Revue Francaise. number 11, June 2001
Tess Do: From Incest to Exile: Linda Lê and the Incestuous Vietnamese Immigrants
Jane Bradley Winston: Linda Lê’s Les Trois Parques. In: Kathryn Robson, Jennifer Yee (Hrsg.): France and „Indochina“: Cultural „Playing Hardball: Representations“ Lexington Books, 2005