Laura Gallati kam 1939 im Kanton Glarus als zweites von fünf Kindern auf die Welt. Der Vater war Pole, die Mutter Schweizerin.
Als 17-Jährige besuchte Laura Gallati den Vorkurs an der Kunstgewerbeschule Zürich, bevor sie 1958–63 am Konservatorium Zürich und an der Musikakademie Zürich Klavier und Musiktheorie studierte. Zu ihren Lehrern zählten Hans Eduard Steinbrecher und Adrian Aeschbacher. Schon vor Abschluss ihres Studiums gab sie regelmässig Konzerte mit zeitgenössischer Musik (z. B. in der Galerie «Bohémia» Glarus, dem Gemeindehaus Glarus und im Rahmen «Jazz und Klassik» in Zürich und Basel). 1973–94 unterrichtete sie am Gymnasium Immensee und an der städtischen Musikschule Luzern.
Seit den späten 1960er Jahren bewegte sich Laura Gallati in der nonkonformistischen linken Szene in Luzern. In den 1970er Jahren veranstaltete sie zusammen mit der Architektin Marianne Burkhalter als Vorstandsmitglied des Schweizerischen Werkbundes die Reihe «Verstand und Vernunft». Als unabhängige Kandidatin wurde sie auf der Liste der Progressiven Organisationen der Schweiz (POCH)in den Luzerner Grossen Rat (Kantonsparlament) gewählt, dem sie 1982–91 angehörte. 1987 gründete sie zusammen mit anderen Feministinnen die Unabhängige Frauenliste Luzern (UFL). 1991–93 vertrat sie die UFL im Luzerner Stadtparlament und kandidierte für den Luzerner Regierungsrat.[2]
In ihrer politischen Arbeit engagierte sich Laura Gallati vor allem im Bereich Raum- und Verkehrsplanung sowie für Grundsatzfragen der Gesellschafts- und Kulturpolitik. Zu ihren Forderungen gehörten unter anderem eine kostenlose, öffentliche Musikschule, innerstädtische Tempo-30-Zonen und Gleichstellungsinstitutionen – darunter nicht nur eine Stelle zur Gleichstellung der Frauen, sondern auch eine analoge Stelle zur expliziten Auseinandersetzung mit männlichen Defiziten. Viele dieser Postulate wurden damals belächelt. Sie sind bis heute virulent, wenn auch manche der Intention nach umgesetzt.
Laura Gallatis Art zu politisieren wurde von den Medien gerne als «angriffslustig, laut, masslos und unbotmässig» bezeichnet. Medienwirksam verabschiedete sie sich 1993 von der aktiven Politik: Auf ihren Platz im Luzerner Stadtparlament, zwischen den Sozialdemokraten und den Grünen, setzte sie eine Schaufensterpuppe, die mit Perücke und schwarzer Kleidung an sie selbst erinnerte. Die Puppe sei so, wie man sich ein Mitglied der Politikerkaste vorstelle, wird Gallati in der Luzerner Zeitung zitiert: «Sie denkt nicht, spricht nicht und ist manierlich, also vollwertiges Mitglied ihres Vereins.»[3]
Seit den 1980er Jahren intensivierte Laura Gallati auch ihre experimentellen musikalischen Projekte, u. a. mit der Rock-Vokalistin Magda Vogel, der Komponistin Mela Meierhans, der Mezzosopranistin Gabriela Stocker, auch mit der Improvisatorin Dorothee Schürch oder der Jazzpianistin Irene Schweizer. Es folgen gemeinsame Projekte und Auftritte mit der Sozialwissenschafterin, Autorin und späteren Lebensgefährtin Christina Thürmer-Rohr (klassische und experimentelle Musik für zwei Klaviere). 1993 erhielt Gallati einen ersten Lehrauftrag an der Technischen Universität Berlin zum Thema Hörgewohnheiten.[4]
Zwischen 1994 und 2004 schrieb Laura Gallati regelmässig für die Kolumne „world of music“ in der WOZ Die Wochenzeitung. 1996 erhielt sie den Werkbeitrag des Kantons Luzern für ihre elektro-akustische Komposition „Quer zur Zeit“.[5] Im selben Jahr wurde ihre Wohnung und Atelier in Luzern durch eine Schlammlawine komplett zerstört. In der Folge zog sie nach Berlin.[5]
Im Jahr 2003 gründen Gallati und Thürmer-Rohr den Verein Forum Akazie 3 als „Forum zum politischen und musikalischen Denken“.[6] 2006 ruft sie mit dem monatlichen «Musikologie-Seminar» einen weiteren Ort für hauptsächlich zeitgenössische Musik ins Leben.
Laura Gallati hat zwei erwachsene Söhne. Seit Mitte der 1990er Jahre lebt sie in Berlin.
Werkauszug
1963 «Oedipus Schnulzes prä-embryonale Tantenliebe», eine Opernpersiflage
1989 «Visible Music», Copy Art über Luigi Nonos «..sofferte onde serene»
1990 «Trauermusik für Luzern» für Klavier und Elektro-Akustik
1991 Uraufführung «Triton» für Klavier von Mela Meierhans
1991 «Street Music – eine musikalische Politaktion», zusammen mit Mela Meierhans
1994 «Trauermusik für Luzern» für Tonband und präpariertes Klavier
1994 «Am Thema bleiben. Fugen zum Denken, Fugen zum Hören, Fugen zum Sehen», zu Johann Sebastian Bachs «Kunst der Fuge» und Hannah Arendts politischem Denken, zusammen mit Christina Thürmer-Rohr
Laura Gallati: Palimpsest – eine elektro-musikalische Auseinandersetzung mit Geniekult und Sonatenform. In: Kirsten Beuth (Hg.): Der Sprung in der Schüssel. Künstlerinnen und Theologinnen im Austausch. Centaurus: Herbolzheim 2002.
Laura Gallati: Ungleichberechtigt und trotzdem Hüterinnen der Demokratiewiege? Nein, danke! in Harald Hetzel [Hrsg.]: Löcher im Käse. 700 Jahre Eidgenossenschaft. Klartext: Essen 1991, 68–92.
Laura Gallati: CH91 – Hexenritt und Frauenschwur (PDF; 4,8 MB). In: Emanzipation: feministische Zeitschrift für kritische Frauen 12/9 (1986), S. 18–20
Über Laura Gallati
Daniela Bühler: Mit «Quer zur Zeit» freudig ab nach Berlin. In: Luzern heute, 26. Oktober 1996.
Hanno Ehrler: Ich halte nicht gern an mich. Die Pianistin, Komponistin und Politikerin Laura Gallati. Ausgestrahlt am 22. August 2015 auf Deutschlandfunk.
haa: Dialog ist unwägbar. Thürmer-Rohr und Gallati philosophierten im Foyer U3. In: Südwest Presse Tübingen, 27. Oktober 1998.
Elisabeth Joris: Laura Gallati – Portrait in: Öffentliche Auseinandersetzungen – Aufbruch und Protestbewegungen. In: Jürg Schmutz, Katja Hürlimann (Hrsg.): Der Kanton Luzern im 20. Jahrhundert. Band 2, Gesellschaft, Kultur und Religion. Chronos, Zürich 2013, S. 21–50.
Gabriele Knapp: Vom -immer-wieder-anfangen-können. Gespräche mit der Musikerin Laura Gallati. In: Inge Hansen-Schaberg (Hrsg.): Das Politische wird persönlich. Familiengeschichte(n): Erfahrungen und Verarbeitung von Exil und Verfolgung im Leben der Töchter (II). Wuppertal: Arco Wissenschaft 2007.
Marie-Josée Kuhn: Die unzähmbare Widerspenstige. Porträt der Luzerner Feministin und Politikerin Laura Gallati. In: Die Wochenzeitung 24. Dezember 1993.
Waltraud Schwab: Herrschaft ist Bluff, Die Politikerin, Essayistin, Musiker Laura Gallati. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29. April 2000.
Waltraud Schwab: Laura Gallati – nicht nur Musikerin: in: blattgold – der monatliche überblick für frauen. Nr. 10/2000, S. 12–13.
Waltraud Schwab: Herrschaft ist Bluff. In: taz, 5. März 2005.
Einzelnachweise
↑Waltraud Schwab: Herrschaft ist Bluff. Die Politikerin, Essayistin, Musikerin Laura Gallati. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Nr.10/2000, 29. April 2000, S.12–13.
↑Elisabeth Joris: Öffentliche Auseinandersetzungen – Aufbruch und Protestbewegungen. In: Jürg Schmutz, Katja Hürlimann (Hrsg.): Der Kanton Luzern im 20. Jahrhundert. Band2, Gesellschaft, Kultur und Religion. Chronos, Zürich 2013, ISBN 978-3-0340-1198-3, S.21–50.
↑Sylvia Egli von Matt: "Sie denkt nicht, spricht nicht, ist manierlich". Hrsg.: Luzerner Zeitung. 27. November 1993.
↑WALTRAUD SCHWAB: Herrschaft ist Bluff. In: Die Tageszeitung: taz. 5. März 2005, ISSN0931-9085, S.27 (taz.de [abgerufen am 3. November 2019]).
↑ abDaniela Bühler: Mit «Quer zur Zeit» freudig nach Berlin. In: Apéro. Das Luzerner Ausgehmagazin. Nr.229, 26. Oktober 1996.