Die Lateranverträge vom 11. Februar 1929, abgeschlossen zwischen dem Heiligen Stuhl (vertreten durch KardinalstaatssekretärPietro Gasparri) und dem damaligen Königreich Italien (vertreten durch den faschistischen Ministerpräsidenten Benito Mussolini), klärten endgültig die sogenannte Römische Frage, den Status der Vatikanstadt nach der Auflösung des Kirchenstaats 1870. Im Wesentlichen erkennt der Papst in den Lateranverträgen die Stadt Rom als Sitz der italienischen Regierung an, während der italienische Staat die politische und territoriale Souveränität des Vatikans garantiert. Der Name der Verträge leitet sich vom Ort der Unterzeichnung, dem Lateranpalast, ab.
Nach der Besetzung Roms durch die italienische Unabhängigkeitsbewegung (vgl. Risorgimento) am 20. September 1870 wurde unter anderem der Kirchenstaat aufgelöst, um den italienischen Nationalstaat zu schaffen. Die kirchliche Verwaltung konzentrierte sich ab diesem Zeitpunkt auf die Vatikanstadt, wo de facto die Souveränität des Papstes weiter bestand, ohne dass sie rechtlich abgesichert gewesen wäre. Die vom italienischen König Vittorio Emanuele II. angebotenen begrenzten Souveränitätsrechte lehnte Papst Pius IX. im Mai 1871 ab. Pius und seine Nachfolger waren in ihrem Aktionsradius auf die unmittelbare, von Festungsanlagen umgebene Vatikanstadt begrenzt, was unter anderem auch von der katholischen Propaganda immer wieder thematisiert wurde. Rein rechtlich gesehen war der Papst – und mit ihm die gesamte Kurie – vor Abschluss der Verträge ein normaler Bürger Italiens, dem Italien durch das Garantiegesetz einseitig bestimmte Vorrechte gewährt hatte. Auch der Status der päpstlichen Nuntien im Ausland war ungeklärt. Zudem stellte sich die Frage, ob der Vatikan weiterhin Verträge (insbesondere Konkordate) mit andern Ländern hätte abschließen können. Ein Schwebezustand, dessen Beseitigung für alle Beteiligten wünschenswert war.
Diese Römische Frage blieb über fast sechs Jahrzehnte hinweg ein ungeklärtes Konfliktthema zwischen den Päpsten dieser Zeit und der italienischen Monarchie. Eine Lösung wurde erst mit dem faschistischen Staat ausgehandelt. Mussolini war an einer Aussöhnung mit der katholischen Kirche interessiert, um der neuen Staats- und Gesellschaftsform des FaschismusLegitimität zu verschaffen. Francesco Pacelli, der Bruder des späteren Papstes Pius XII., führte drei Monate lang Verhandlungen mit Mussolini, in deren Verlauf alle Details der späteren Verträge festgelegt wurden. Insgesamt wurden rund 20 Textfassungen aufgesetzt, bevor die endgültige Vertragsform gefunden war. Dabei ging es immer wieder um die exakte territoriale Ausdehnung des päpstlichen Territoriums. Unter anderem erhielt der Vatikan keinen Zugang zum Meer, aber die Zusicherung, dass ausgeschiedenen Priestern kein Zugang zum öffentlichen Dienst gewährt wird.
Das Vertragswerk
Das Vertragswerk besteht aus drei Teilen:
Versöhnungsvertrag – Schaffung des unabhängigen Staates der Vatikanstadt als souveränen Staat. Außerdem garantiert der italienische Staat in diesem Vertragsteil die Unabhängigkeit und Souveränität des Heiligen Stuhls als nichtstaatliches Völkerrechtssubjekt. Im Gegenzug verzichtet der Heilige Stuhl auf die Gebiete des alten Kirchenstaats und erkennt Rom als italienischen Regierungssitz an. Außerdem verpflichtet der Papst sich, in internationale Streitigkeiten nicht parteiisch, sondern nur schlichtend einzugreifen.
Finanzkonvention – regelt Entschädigungsleistungen des italienischen Staates gegenüber dem Heiligen Stuhl bezüglich der Eigentumsverluste des Jahres 1870. Unter anderem wird dem Heiligen Stuhl eine Entschädigung in der Höhe von 1,75 Milliarden Lire zugesprochen.
Darüber hinaus enthält der Vertrag im Annex eine von beiden Partnern paraphierte Karte des rund 44 Hektar großen Gebiets der Vatikanstadt.
Seit dem Abschluss der Verträge hat es mehrere Ergänzungen gegeben, so die Unterstellung zusätzlicher Gebiete unter die Souveränität des Heiligen Stuhls (unter anderem die Sendeanlage des Vatikanradios in Santa Maria di Galeria).
Ein am 18. Februar 1984 unterzeichnetes weiteres Konkordat revidierte einen Teil der Lateranverträge:[1][2] Es legte u. a. den religiösen Pluralismus und die Neuordnung staatlicher Leistungen an Priester und kirchliche Einrichtungen fest.
Bedeutung
Die Lateranverträge beendeten den offenen Konflikt zwischen Papst und italienischem Staat und gaben dem päpstlichen Hoheitsgebiet einen staatsrechtlich definierten Status. Damit eröffneten sie dem Papst die Möglichkeit, auf der Ebene der internationalen Politik aktiv einzugreifen, wenn auch mit der Vorgabe, bei Konflikten lediglich schlichtend tätig zu werden. Damit konnte der Heilige Stuhl seine während des Ersten Weltkrieges gestiegene Reputation auch politisch umsetzen.[3]
Sonstiges
Der Unterzeichnungstag, der 11. Februar, wird im Vatikanstaat als eine Art Nationalfeiertag begangen. Als bauliches Symbol der Verträge dient die Via della Conciliazione zwischen Petersplatz und Tiberufer.