Kim de l’Horizon

Kim de l’Horizon ist im Portrait auf einer Farbfotografie abgebildet. Die Person trägt einen breiten Schnurrbart, hat kurz geschorenes Haar, trägt Ohrschmuck und eine Kette mit unförmigen Objekten. Die Kleidung ist schwarz und von einem roten Streifen der in Schulterhöhe breit angesetzt, nach unten schmaler verläuft.
Kim de l’Horizon auf der Frankfurter Buchmesse 2022

Kim de l’Horizon (* 9. Mai 1992 in Ostermundigen bei Bern, Schweiz) ist das Pseudonym bzw. die Kunstfigur einer sich selbst als genderfluid und nichtbinär verstehenden Person, welche Lyrik, Prosa und Theaterstücke verfasst.

Leben

Kim de l’Horizon wuchs in Ostermundigen in der Nähe von Bern auf und besuchte in Winterthur das Gymnasium. An den Universitäten Zürich und Bern studierte Kim de l’Horizon ab 2012 Germanistik, Film- und Theaterwissenschaften.[1] Es folgte ein Studium des literarischen Schreibens am Literaturinstitut in Biel mit Bachelorabschluss 2020.[2] Danach schrieb sich Kim de l’Horizon für den Masterstudiengang Transdisziplinarität an der Zürcher Hochschule der Künste ein.

De l’Horizon ist Mitglied der Redaktion des Literaturmagazins delirium.[3] Für das Theaterkollektiv «e0b0ff» entstand 2017 die Adaption Wie eine Barke das Meer aus Testosteron durchpflügen nach Roberto Bolaños Erzählung Mörderische Huren; Kim de l’Horizon war hier auch schauspielerisch tätig und für die Kostüme verantwortlich.[4] In der Spielzeit 2021/2022 übernahm de l’Horizon die Hausautorenschaft in dem Förderprogramm «Stück Labor» an den Bühnen Bern.[5] Seit 2023 ist Kim de l’Horizon Kolumnist beim Tages-Anzeiger/Der Bund.[6]

Kim de l’Horizon gewann mehrfach Preise, darunter 2015 den Treibhaus- und den OpenNet-Wettbewerb der Solothurner Literaturtage für Prosa, den Textstreich-Wettbewerb für Lyrik, den Förderpreis Dramenprozessor 2020 des Theaters Winkelwiese sowie einen Kurzfilmwettbewerb der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung.[7] Von der Ernst Göhner Stiftung erhielt de l’Horizon ein Stipendium für Kunstschaffende in Ausbildung.[8]

In einer fiktionalen Biographie gibt Kim de l’Horizon das Geburtsjahr 2666 an, was als Anspielung auf Bolaños Roman 2666 gedeutet wurde.[9]

Blutbuch (2022)

De l’Horizon wurde 2022 für das Romandebüt[10] Blutbuch mit dem Literaturpreis der Jürgen Ponto-Stiftung[11] und dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet.[12] Die Buchpreis-Jury urteilte:

«Mit einer enormen kreativen Energie sucht die non-binäre Erzählfigur in Kim de l’Horizons Roman Blutbuch nach einer eigenen Sprache. […] Welche Narrative gibt es für einen Körper, der sich den herkömmlichen Vorstellungen von Geschlecht entzieht? […] Jeder Sprachversuch, von der plastischen Szene bis zum essayartigen Memoir, entfaltet eine Dringlichkeit und literarische Innovationskraft, von der sich die Jury provozieren und begeistern ließ.»[13]

Bei der Buchpreisverleihung in Frankfurt am Main bedankte sich de l’Horizon bei der Mutter mit einer Liebeserklärung, sang a cappella das Lied Nightcall von Kavinsky und rasierte sich als Zeichen der Solidarität mit den protestierenden Frauen im Iran («Dieser Preis ist nicht nur für mich») das Haupthaar.[14] Während de l’Horizon in der literarischen Welt für den Debütroman gefeiert wurde, gab es insbesondere im Internet Angriffe auf die Person. Mit einem Essay in der Neuen Zürcher Zeitung thematisierte de l’Horizon daraufhin das Erleben gewalttätiger Übergriffe und verbaler Ausgrenzung anhand zweier konkreter Ereignisse, die sich am selben Tag ereignet hatten.[15] Der Verlag verschaffte de l’Horizon Personenschutz[16] für die Frankfurter Buchmesse, weil queer-feindliche Angriffe gegen die Person gerichtet waren.[17][18]

Blutbuch gewann anschliessend auch den Schweizer Buchpreis.[19] Laut Linus Schöpfer in der NZZ am Sonntag ist das Werk «ein sehr gutes Buch […], ein Bildungsroman fürs 21. Jahrhundert, ein Text von stupender Stilsicherheit, souverän changierend vom artifiziellen Berndeutsch zum atemlosen Partysound».[20] Peer Teuwsen äusserte sich ähnlich: «Der Roman Blutbuch ist das Werk, das unsere Zeit in eine neue Form und Sprache kleidet. Es ist wild, brutal, schamlos und witzig. Und erstaunlich ideologiefrei.»[21] Dierk Saathoff kritisierte in der Jungle World homophobe Passagen im Buch.[22]

Werke (Auswahl)

  • Incantatem oder Schmetterling zerhauen, Kurzprosa, 2015 (Digitalisat).
  • Wie eine Barke das Meer aus Testosteron durchpflügen, Theaterstück, 2017 (Adaption von Roberto Bolaños Erzählung Mörderische Huren).[23]
  • Hänsel & Greta & The Big Bad Witch, Eine Weltrettung in 13 Übungen. Theaterstück, 2022.[24]
  • Blutbuch. Roman, DuMont Verlag, Köln 2022, ISBN 978-3-8321-8208-3.[25][26]
  • Fäuste und Küsse. Lokwort Buchverlag, Bern 2022, ISBN 978-3-906806-41-9.[27]

Theaterstück

Auszeichnungen (Auswahl)

Commons: Kim de l’Horizon – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Finite Incantatem – Literarischer Monat. 29. September 2020, abgerufen am 5. Mai 2023.
  2. Céline Graf: Geschlechternormen rütteln: Seine Schönheit liegt dazwischen, derbund.ch, 24. September 2020.
  3. Textstreich. In: 15. Thuner Literaturfestival 6.–8. März 2020 – Literaare, PDF-Datei, S. 9 auf literaare.ch
  4. Wie eine Barke das Meer aus Testosteron durchpflügen. e0b0ff.ch, abgerufen am 22. Oktober 2022.
  5. Stücklabor Basel – Kim de l’Horizon, Hausautor:in an den Bühnen Bern 2021/22. stuecklaborbasel.ch, abgerufen am 18. Oktober 2022.
  6. Raphaela Birrer: Diese fünf Personen werden Sie zum Nachdenken anregen. In: Tages-Anzeiger, 14. Februar 2023.
  7. Alexander Schöpf: "Deutscher Buchpreis 2022": Kim de l’Horizon gewinnt mit dem «Blutbuch». In: Leadersnet. 17. Oktober 2022, abgerufen am 22. Oktober 2022.
  8. Deutscher Buchpreis – Kim de l’Horizon: „Blutbuch“, detektor.fm, 23. August 2022.
  9. Kim de l’Horizon: Beim Wort ‚Indianerfrau‘ wird Kim rigoros und unerbittlich. In: Die Welt. Abgerufen am 16. März 2023.
  10. Roman «Blutbuch» – Kim de l’Horizon steigt auf – und ist schwer zu greifen, Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Nachrichten, srf.ch, 21. September 2022.
  11. Der Schweizer Autor Kim de l’Horizon erhält den Literaturförderpreis 2022 der Jürgen-Ponto-Stiftung, ch-cultura.ch/de
  12. Kim de l’Horizon gewinnt Deutschen Buchpreis. In: Tagesschau (ARD) vom 17. Oktober 2022.
  13. Auftakt der Frankfurter Buchmesse: Für »Blutbuch« erhält Kim de l’Horizon den Deutschen Buchpreis: »Dieser Preis ist nicht nur für mich«. spiegel.de, 17. Oktober 2022.
  14. Claudia Mäder: Ein Rasierapparat sagt mehr als tausend Worte: Kim de l’Horizon gewinnt den Deutschen Buchpreis und schert sich den Kopf kahl. In: Neue Zürcher Zeitung. 18. Oktober 2022, abgerufen am 18. Oktober 2022.
  15. Kim de l’Horizon: «Lieber John Unbekannt, lieber Ueli Maurer, ihr habt mich geschlagen. Aber ich vergebe euch». In nzz.ch. 19. Oktober 2022.
  16. Kim de l’Horizon: „Was habe ich Euch getan?“ In: Deutsche Welle. 21. Oktober 2022, abgerufen am 22. Oktober 2022.
  17. Nach Buchpreis-Gewinn – Sicherheitsdienst muss Kim de l’Horizon auf Buchmesse schützen. In: Kölner Stadt-Anzeiger. 20. Oktober 2022, abgerufen am 23. Oktober 2022.
  18. Kim de l’Horizon, Gewinner:in des Deutschen Buchpreises, wird bedroht – Queerfeindliche Angriffe auf Autor:in und Werk. In: .presseportal.de. Kölner Stadt-Anzeiger, 20. Oktober 2022, abgerufen am 23. Oktober 2022.
  19. Kim de l’Horizon gewinnt den Schweizer Buchpreis. In: SRF Kultur, abgerufen am 16. Januar 2023.
  20. Linus Schöpfer: Bitte lesen Sie das Buch. In: NZZ am Sonntag vom 23. Oktober 2022, S. 77.
  21. Peter Teuwsen: Die beste Zumutung, die uns passieren konnte. In: NZZ am Sonntag vom 23. Oktober 2022, S. 17 (Kommentar).
  22. Dierk Saathoff: Queere Homophobie. In: Jungle World. Abgerufen am 30. Oktober 2022.
  23. Hansruedi Kugler: Auf dem Sprung zum Theaterprofi. Abgerufen am 5. Mai 2023.
  24. Hänsel & Greta & The Big Bad Witch: Eine Weltrettung in 13 Übungen von Kim de l’Horizon, buehnenbern.ch, 22. September 2022
  25. Anja Kümmel: Das ist der superqueere Roman auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises, Queer.de, 20. September 2022, abgerufen am 17. Oktober 2022.
  26. Nora Eckert: Gender-Trouble à la Suisse. In: literaturkritik.de. 17. Oktober 2022 (literaturkritik.de [abgerufen am 17. Oktober 2022] Rezension von: Blutbuch. Roman).
  27. Dieser Text erschien zunächst in der wochentaz, S. 25–27: Kim de l’Horizon: Männlichkeit, Krieg und ganz viel Liebe: They Hate The Love. In: taz.de. 31. Dezember 2022, abgerufen am 8. Januar 2023.
  28. [1] In: "Theater Magdeburg", abgerufen am 9. November 2024.
  29. Matthias Schmidt: Ein Abend voller Glücksmomente. Blutbuch - Theater Magdeburg. In: nachtkritik.de. 28. Januar 2024, abgerufen am 9. November 2024.
  30. Blutstück In: Schauspielhaus Zürich, abgerufen am 29. Februar 2024.
  31. Ueli Bernays: Kim de l’Horizon versucht sich mit Theater. Der Text lässt zu wünschen übrig, der Auftritt aber fasziniert. In: Neue Zürcher Zeitung. 23. Februar 2024, abgerufen am 16. Juni 2024.
  32. Martin Krumbholz: Jenseits der Wut. Mein Blutbuch - Schauspiel Essen. In: nachtkritik.de. 16. Juni 2024, abgerufen am 16. Juni 2024.
  33. Schweizer Literaturpreis für Händl Klaus. In: ORF.at. 6. Juli 2023, abgerufen am 7. Juli 2023.