Schweisfurth lernte das Metzger-Handwerk.[3] Seine Erfahrungen als Praktikant in den großen Schlachthöfen in Chicago setzte Schweisfurth in der Industrialisierung der heimischen Fleischverarbeitung um. So entwickelte er aus der 1902 gegründeten Fleischwaren- und Konserven-Fabrik L. Schweisfurth[4] das größte fleischverarbeitende Unternehmen Europas: Herta in Herten (heute eine Tochtergesellschaft des spanischen Lebensmittelkonzerns Casa Tarradellas und des Nestlé-Konzerns[5]). 25.000 Schweine und 5.000 Rinder wurden damals wöchentlich verarbeitet. 1972 entwickelte der Architekt Werner Ruhnau das Großraumbüro der Firma Herta, in dem er Kunstwerke in die Gestaltung mit einbezog. Es wurden unter anderem Werke von Daniel Spoerri, Hugo Kükelhaus, Christo und die InstallationMit(H)ropa von Wolf Vostell von Schweisfurth angekauft und im Großraumbüro ausgestellt.[6]
Als feststand, dass nach einem Rückzug von Karl Ludwig Schweisfurth weder seine beiden Söhne noch seine Tochter das Unternehmen weiterführen wollten, verkaufte er sein Unternehmen 1984 an den Nestlé-Konzern.
Unmittelbar nach dem Verkauf begann Karl Ludwig Schweisfurth, auf dem Gut Herrmannsdorf bei Glonn in Bayern, Schweine nach den Grundsätzen der ökologischen Landwirtschaft zu halten. Aus dieser Zeit stammt sein Zitat:
„Mir war schlagartig klar, dass Fleisch von derart gequälten Tieren keine lebensfördernde Nahrung für uns Menschen sein kann.“
Schweisfurth lebte auch zuletzt noch in Herrmannsdorf.[1]
Konzeption
In Schweisfurths neuer Konzeption verbinden sich Prinzipien der nachhaltigen ökologischen Landwirtschaft mit tierethischen Prinzipien.[7] Zum theoretischen Fundament gehören außerdem ernährungswissenschaftliche und gastrosophische Aspekte.[8] Nicht zuletzt hat die Neuorientierung Schweisfurths auch einen arbeitsethischen Charakter, da klassische Arbeits- und Lebensformen in Landwirtschaft und Lebensmittelhandwerk wiederbelebt und aufgewertet werden.
Die aus der Neuorientierung Schweisfurths entstandenen Herrmannsdorfer Landwerkstätten mit Stallungen, Schlachtung/Fleischerei, Bäckerei, Molkerei/Käserei, Brauerei, Hofladen, Biergarten und Gasthof gelten heute als Pionierbetrieb der natürlichen, artgerechten und nachhaltigen Lebensmittelherstellung im großen Maßstab, sie verbinden einen voll-biologischen Betrieb (inklusive eigener Biogasanlage und eigener Kläranlage) mit dem Ziel der Wirtschaftlichkeit (Vertriebsnetz und eigene Geschäfte sowie Marktbetriebe) und ideellem/künstlerischem Anspruch (zahlreiche Kunstwerke im und um den Hof, regelmäßige Hofmärkte mit künstlerischem Begleitprogramm). Der Betrieb wird mittlerweile von seinem Sohn Karl Schweisfurth geleitet, während Karls Zwillingsbruder Georg zu den Gründern der Basic AG gehört.
In und um München betreiben die Herrmannsdorfer Landwerkstätten zwölf eigene Herrmannsdorfer Läden, in denen neben den eigenen Erzeugnissen ein Basissortiment ökologischer Lebensmittel vertrieben wird, außerdem liefern sie ihre Produkte an verschiedene Bioläden deutschlandweit. Die Belieferung der Basic AG wurde, wegen des Einstiegs der Schwarz-Gruppe in diese Bio-Supermarktkette, im September 2007 eingestellt.[9][10]
Die von Karl Ludwig Schweisfurth gegründete Schweisfurth Stiftung setzt sich für die Erforschung von gesunder und naturgemäßer Ernährung ein und vergab zwischen 1991 und 2002 zusammen mit der Internationalen Gesellschaft für Nutztierhaltung (IGN) den Schweisfurth-Forschungspreis für artgemäße Nutztierhaltung.[11]
Kritik
In Herten, der Heimatstadt von Karl Ludwig Schweisfurth, wurde 2010 Kritik darüber laut, dass das Vermögen der Familie Schweisfurth auch durch Ausnutzung von Zwangsarbeitern im Dritten Reich „erwirtschaftet“ wurde.[12] 115 durch das Arbeitsamt zugewiesene Zwangsarbeiter wurden beschäftigt und auf dem Firmengelände der Firma Schweisfurth untergebracht.[13]
2016 kam es zu Vorwürfen gegen Schweisfurth, seine Betriebe setzten Antibiotika ein, die Haltungsformen der Schweine seien kritisch zu sehen.[14] Schweisfurth begründete den Einsatz der Antibiotika als notwendig, wenn alternative Heilmittel versagten. Der Einsatz entspreche strengen Vorgaben. Die frühere Haltung der Muttersauen in Kastenständen sei eine Folge der Abwägung gewesen, bei der der Schutz der Ferkel im Vordergrund gestanden habe, die so nicht erdrückt werden konnten.[15]
2008: Selly Biomarkt des Jahres für die Herrmannsdorfer Landwerkstätten[16]
2014: Bayerischer Naturschutzpreis – Der Preis wurde vom Bund Naturschutz in Bayern für die „Fortentwicklung des ökologischen Landbaus, für eine artgerechte Tierhaltung, die Erhaltung ganzheitlicher Lebensmittelqualität und die Förderung einer tragfähigen Agrarkultur“ verliehen.[17]
2015/2016: „National Champion“ beim „European Business Award“ und „Ruban d’Honneur“ in der Kategorie „Environmental & Corporate Sustainability“ für die Hermannsdorfer Werkstätten
Mitgliedschaften
Ab 1954 war er Mitglied des Corps Hansea Köln.[18]
Publikationen
mit Bertram Verhaag: Ehrfurcht vor dem Leben … lasst uns über das Töten reden. 35 Min., DVD.
Karl Götze, Theo Driessen van der Lieck, Werner Rudolf Vogt: KLS...auf dem Wege,...auf der Suche. Gestaltung Wolf Vostell, Herta KG Karl Schweisfurth / Sala Druck, 1980 (ohne ISBN)
Karl Ludwig Schweisfurth, Günter Altner, Hans-Jürgen Kaufmann: Schlacht-Fest? Ehrfurcht vor dem Leben. Den Tieren die Würde zurückgeben. Eigenverlag, 2012.
Ich liebe Hand-Werk. Eigenverlag, 2011.
Auf der Suche nach einer neuen Miteinander-Kultur (Natur + Menschen miteinander) für das Überleben auf unserem erschöpften Planeten Erde. Hugendubel, München 1995, ISBN 3-89631-142-5.
Das Buch vom guten Fleisch. Hermannsdörfer Landwerkstätten, Glonn 1998 (Erstausgabe DNB970403909); Sandmann, München 2004, ISBN 978-3-89883-099-7.
Wenn’s um die Wurst geht. Autobiographie. Bertelsmann, München 1999, ISBN 3-570-50001-2.
↑Karl Ludwig Schweisfurt: Lidl bei Basic, Billigheimer bei Bio? (PDF; 141,3 kB) In: www.herrmannsdorfer.de. 30. Juli 2007, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 28. September 2007; abgerufen am 30. November 2019.
↑Schweisfurth. In: ign-nutztierhaltung.ch. Abgerufen am 30. November 2019.
↑Hans-Heinrich Holland: Materialien zur Geschichte der Zwangsarbeiter in Herten. 2. ergänzte und erweiterte Auflage. VHS Herten, VVN-BdA, Hertener Aktionsbündnis gegen Neofaschismus, Herten 2002 (vvn-bda-re.de [PDF; 5,2MB; abgerufen am 30. November 2019]).
↑Carolin Fries: Regionale Lebensmittel: Wer hinter den Herrmannsdorfer Landwerkstätten steckt. In: sueddeutsche.de. 2. Februar 2016, ISSN0174-4917 (sueddeutsche.de [abgerufen am 22. Januar 2017]).
↑Christian Sebald: München: Herrmannsdorfer Landwerkstätten: Kritik an der Tierhaltung. In: sueddeutsche.de. 27. Januar 2016, ISSN0174-4917 (sueddeutsche.de [abgerufen am 22. Januar 2017]).