Euting unternahm mehrere Forschungsreisen in das gesamte Mittelmeergebiet, nach Syrien und nach Arabien. 1867 reiste er die Donau abwärts bis nach Konstantinopel, dann nach Smyrna, Athen und über Italien zurück. 1869 reiste er über Sizilien nach Tunesien zur Aufnahme punischer Inschriften, 1870 folgte eine Reise über Sizilien, Athen und Smyrna nach Konstantinopel. Von August 1883 bis April 1884 unternahm er mit Charles Huber eine Reise nach Innerarabien und durchquerte die Nefud-Wüste.[3] 1889 unternahm er eine Forschungsreise nach Ägypten, zum Sinai und nach Syrien. 1890 reiste er durch Nordsyrien und nahm an den Grabungen von Felix von Luschan in Sendschirli teil.[4] Sein Tagbuch einer Reise nach Inner-Arabien (1896) machte ihn auch über Fachkreise hinaus bekannt. 1898 nahm er an der Expedition von Rudolf Ernst Brünnow und Alfred von Domaszewski nach Petra teil. 1903 unternahm er eine Reise von Syrien nach Ägypten und besuchte dabei auch Mschatta. Am Erwerb der Mschatta-Fassade für die Berliner Museen war er jedoch nicht beteiligt, er hatte sich lediglich mit einem Vorschlag zur Anfertigung von Gipsabgüssen hervorgetan.[5]
Hauptzweck seiner Forschungsreisen war die Erforschung und Aufzeichnung vorislamischer Inschriften, vor allem in punischer, aramäischer, nabatäischer, palmyrenisch, sabäischer und lihyanischer Schrift. Besonderen Wert legte er auf die Wiedergabe der verschiedenen semitischen Schriftarten. Aufgrund seiner umfassenden Sprachkenntnisse trug er auch den Beinamen „Sechzehnsprachenmännle“.
Neben seinen Forschungen war Julius Euting eng mit seiner Heimat, dem Schwarzwald und den Vogesen, verbunden. Im Schwarzwald war sein bevorzugtes Wandergebiet der Ruhestein und seine Umgebung, daher sein Beiname „Ruhesteinvater“. Er war 1872 Mitbegründer der Sektion Straßburg des Vogesenclubs und von 1876 bis 1912 Präsident des Gesamt-Vogesenclubs und für die Erschließung von Wanderwegen tätig. Häufig unternahm er Wanderungen in Begleitung seines Freundes Curt Mündel. 1897 errichtete der Vogesenclub auf dem Gipfel des Climont einen Aussichtsturm, der nach ihm „Juliusturm“ benannt wurde. Von 1901 bis 1905 hatte Euting die Geschäftsführung des Zentralausschusses und damit den Vorsitz des Verbands Deutscher Touristenvereine inne.[8] Während seiner Amtszeit schlossen sich 1902 die deutschsprachigen Wandervereine aus Österreich-Ungarn dem Verband an.[9]
Nachleben
Auf seinen Wunsch hin wurde er am Seekopf beim Ruhestein oberhalb des Wildsees im Nordschwarzwald beerdigt, wo sein Grab noch heute besucht werden kann. Jährlich zu seinem Geburtstag wird dort, einer testamentarischen Verfügung Eutings gemäß, arabischer Mokka ausgeschenkt.[10]
Sein Nachlass befindet sich in der Universitätsbibliothek Tübingen[11], im Stadtarchiv Freudenstadt[12], der Universitätsbibliothek Straßburg[13] und dem Linden-Museum in Stuttgart[14].
Dem wissenschaftlichen Erbe Eutings widmet sich die Julius-Euting-Gesellschaft mit Sitz in Tübingen.
Veröffentlichungen (Auswahl)
Qolasta oder Gesänge und Lehren von der Taufe und dem Ausgang der Seele; als erster mandäischer Text mit sämtlichen Varianten, nach Pariser und Londoner Manuscripten. Stuttgart 1867.
Punische Steine. St. Petersburg 1871.
Erläuterungen einer zweiten Opferordnung aus Carthago. Straßburg 1874.
Sechs phönikische Inschriften aus Idalion. Straßburg 1875.
Katalog der Kaiserlichen Universitäts- und Landesbibliothek in Strassburg. Arabische Literatur. Straßburg 1877 (online).
Sammlung der Carthagischen Inschriften. Band 1, Straßburg 1883.
Nabatäische Inschriften aus Arabien. Berlin 1885 (online).
Julius Euting: Tagebuch einer Reise in Inner-Arabien. Hrsg. und mit einem Vorwort versehen von Kerstin und Uwe Pfullmann. Soldi-Verlag, Hamburg 1993, ISBN 3-928028-38-3.
Uwe Pfullmann: Durch Wüste und Steppe. Entdeckerlexikon arabische Halbinsel. Biographien und Berichte. Trafo-Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-89626-328-5, S. 197–202.
Andreas Reichert: Julius Euting, die Pseudo-Moabitica und 'La petite fille de Jérusalem.' Neue Funde zu einer alten Affäre. In: Christl Maier (Hrsg.): Exegese vor Ort. Festschrift für Peter Welten zum 65. Geburtstag. Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2001, S. 335–367.
John F. Healey: Sicherheit des Auges. The Contribution to Semitic Epigraphy of the Explorer Julius Euting. In: Carmel McCarthy, John F. Healey (Hrsg.): Biblical and Near Eastern Essays. Studies in Honour of Kevin J. Cathcart. London 2004, ISBN 0-8264-6690-7, S. 313–330.
Andreas Reichert: Geheimrat Professor Dr. Julius Euting. In: Ernst Kafka/Wolfgang Schlund: Die Schwarzwaldhochstraße. Geschichte und Geschichten. pk-Verlag, Freiamt 2007, S. 224–235, ISBN 978-3-9810385-1-4.
Karlheinz Wiegmann: Worte in Stein gemeißelt. Der Inschriftensammler Julius Euting. In: Anke te Heesen u. a. (Hrsg.): Wortschatz. Vom Sammeln und Finden der Wörter, Universitätsstadt Tübingen, Tübingen 2008 (Tübinger Kataloge, Band 81), S. 28–35, ISBN 978-3-910090-85-9.
Christophe Didier: Portrait d’un fondateur: Julius Euting. In: La revue de la BNU Bd. 2, 2010, S. 104–115.
Hans Bloedhorn: Julius Euting in Palmyra. Zur Entdeckung der hebräischen Haustürinschriften. In: Oliver Dyma (Hrsg.): "Der Herr des Himmels möge lang machen seine Tage und Jahre". Religionsgeschichtliche Beiträge : Festschrift für Herbert Niehr zum 60. Geburtstag (= Alter Orient und Altes Testament, Bd. 427). Ugarit-Verlag, München 2015, S. 29–44, ISBN 978-3-86835-171-2.
Konstantin Klein/Doris Notz/Hans Winter: Schwäbischer Mokka und arabisches Sauerkraut. Der Orientalist Julius Euting und seine Liebe zum Kaffee. In: Annemarie Röder (Hrsg.). KaffeeHaus Geschichten. Haus der Heimat des Landes Baden-Württemberg. Stuttgart 2019, S. 12–19, ISBN 978-3-00-063369-0.
↑ E. A. Gries (Hrsg.): Hercynia-Heidelberg im Bunde mit dem Christlich-burschenschaftlichen Progreß - 2. Teil -
III. Staufia Tübingen 1852–1868, S. 88, Bad Essen 1936.
↑Ralf-Bernhard Wartke: Julius Euting in Sendschirli auf Extratour. Die epigraphische Expedition im April 1890. In: Antike Welt Bd. 46, 2, 2015, S. 39–41.
↑Volkmar Enderlein: Die Erwerbung der Fassade von Mschatta. In: Forschungen und Berichte Bd. 26, 1987, S. 86.
↑Inschriftenabklatsche, Fotografien, archäologische Kleinfunde: Robert Weyl: Inventaire de la collection d’estampages de Julius Euting (1839–1913). Bibliothèque Nationale et Universitaire de Strasbourg, Straßburg 1983; Daniel Bornemann: Les legs de Julius Euting ou l'organisation posthume d'un savoir. In: La revue de la BNU Bd. 12, 2015, S. 30–41.