Von 1933 bis 1939 arbeitete er als Geschäftsführer mehrerer Kohlewirtschaftsverbände. Im August 1939 wurde er zur Wehrmacht einberufen, im Januar 1941 als Hauptmann der Reserve entlassen. Anschließend war er bis 1945 Geschäftsleiter des Oberschlesischen Steinkohlen-Syndikats. 1944 wurde Dieckmann im Zusammenhang mit dem Attentat vom 20. Juli 1944, an dem sein Vetter Albrecht Mertz von Quirnheim beteiligt war, unter verschärfte Beobachtung der Gestapo gestellt.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gründete Dieckmann das „Sächsische Kohlekontor“ und den Verlag „Sächsisches Tageblatt“. Er war zudem Mitbegründer der LDPD in Sachsen und trat ab 1951 offiziell für die Gleichschaltung seiner Partei im System der Blockparteien in der DDR ein.[3] Seit 1946 gehörte er für die LDPD dem Sächsischen Landtag an. Ab 1948 fungierte er als Justizminister und stellvertretender Ministerpräsident von Sachsen. 1948/49 war er Mitglied der Deutschen Wirtschaftskommission, des Deutschen Volksrats und seines Verfassungsausschusses. Von 1949 bis 1969 war er stellvertretender Vorsitzender der LDPD und Präsident der Volkskammer der DDR. Von 1960 bis zu seinem Tod 1969 war er einer der stellvertretenden Vorsitzenden des Staatsrates der DDR. 1947 gehörte er zu den Mitbegründern der Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion, aus der 1949 die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft (DSF) hervorging. In der DSF war er Mitglied des Zentralvorstandes und von 1963 bis 1968 deren Präsident.
1961 folgte Dieckmann der Einladung eines Marburger Funktionärs des Liberalen Studentenbunds Deutschlands (LSD), Klaus Horn, um in der hessischen Universitätsstadt über die Wiedervereinigung zu diskutieren. Im Vorfeld distanzierte sich nicht nur die FDP-Spitze von dem Vorhaben, sondern auch die Führung des LSD. Gleichwohl erhielt der Auftritt Dieckmanns große öffentliche Aufmerksamkeit. Mehrere hundert Zuhörer und Journalisten fanden sich in einem Wirtshaussaal ein, und draußen wurde lautstark gegen die Veranstaltung und ihre Protagonisten demonstriert. Dieckmann konnte am Ende nur unter Polizeischutz den Saal verlassen und reiste überhastet ab.[4]
Auf zahlreichen Auslandsreisen hatte Dieckmann, so Der Spiegel, selbst immer in Rede und Habitus bürgerlich, die sozialistische Macht als respektabel präsentiert. In den letzten Jahren hatte der Dresdner Ehrenbürger nur noch als Symbol des SED-Traums von der politisch-moralischen Einheit des DDR-Volkes fungiert.[5]
Rudolf Nehmer: Dr. Joh. Dieckmann, Volkskammerpräsident (Tafelbild, 1960)
Veröffentlichungen
Rudolf Heinze. In: Karl Maßmann, Robert Paul Oszwald (Hrsg.): VDSter – 50 Jahre Arbeit für Volkstum und Staat. Den Vereinen Deutscher Studenten zum 6. August 1931 gewidmet. Berlin 1931, S. 61–65.
In Deutschlands entscheidungsvollster Zeit. Reden und Aufsätze. Kongress-Verlag, Berlin 1958, DNB57285191X.
Wohin der Weg führt. Reden und Aufsätze. Zusammengestellt von Theo Hanemann. Hrsg. vom Zentralvorstand der LDPD. Buchverlag Der Morgen, Berlin 1963, DNB450930580.
Dokumente – Reden – Aufsätze. Gesammelt von Manfred Bogisch. Hrsg. vom Sekretariat des Zentralvorstandes der LDPD. Buchverlag Der Morgen, Berlin 1982, DNB830443207.
Literatur
Rudolf Agsten: Johannes Dieckmann. In: Sekretariat des Zentralvorstandes der LDPD (Hrsg.): Wegbereiter unserer Partei. Buchverlag Der Morgen, Berlin 1986, DNB880864745, S. 29–39.
Jürgen Frölich: Johannes Dieckmann (1893–1969). In: Torsten Oppelland (Hrsg.): Deutsche Politiker 1949–1969. 17 biographische Skizzen aus Ost und West. Band 1. Primus, Darmstadt 1999, ISBN 3-89678-120-0, S. 60–71.
Theo Hanemann: Moment bitte, Herr Dieckmann. Geschichten – Anekdoten – Erinnerungen. 2. Auflage. Buchverlag Der Morgen, Berlin 1988, ISBN 3-371-00176-8.
Johannes Dieckmann. Aus seinem Leben und Wirken. Hrsg. vom Zentralvorstand der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands. Buchverlag Der Morgen, Berlin 1968, DNB457102624.
Johannes Dieckmann. Beiträge zu seiner politischen Biographie 1945–1969. Aus dem Protokoll des Kolloquiums der Kommission zur Erforschung der Parteigeschichte der LDPD und des Wissenschaftlichen Rates der Zentralen Parteischule „Dr. Wilhelm Külz“ der LDPD. Hrsg. vom Sekretariat des Zentralvorstandes der LDPD. Buchverlag Der Morgen, Berlin 1974, DNB750377836.
Christoph Stamm: „…und keineswegs als ‚Mitläufer‘.“ Die politischen Anfänge von Johannes Dieckmann in der Deutschen Volkspartei 1918–1933. In: Jahrbuch zur Liberalismus-Forschung. 31. Jg., 2019, S. 339–364.
Wandlungen und Wirkungen. Protokoll des Wissenschaftlichen Kolloquiums des Politischen Ausschusses des Zentralvorstandes der LDPD zum Thema „Johannes Dieckmann – Sein Verhältnis zur Arbeiterklasse und sein Beitrag zur Bündnispolitik“. Hrsg. vom Sekretariat des Zentralvorstandes der LDPD. Buchverlag Der Morgen, Berlin 1983, DNB850489040.
Verbindungen von Funktionären der FDP zu Professor Dieckmann. Bericht der Zentralen Auswertungs- und Informationsgruppe (ZAIG) des Ministeriums für Staatssicherheit, Nr. Nr. 701/64, 27. August 1964. In: Daniela Münkel (Hrsg.): Die DDR im Blick der Stasi. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2017 (Volltext online).
Zum Marburg-Besuch 1961
Conrad Ahlers: Zum Lachen war das nicht! Marburger Studenten veranstalten eine Bürgerkriegs-Übung gegen Johannes Dieckmann. In: Frankfurter Rundschau. 16. Januar 1961, S. 3.
Dieckmann in Marburg. Eine fast vollständige Chronik über Vorgeschichte, Ereignisse und Wirkungen seines Besuches. In: Marburger Blätter. Nr. 67, 1961, S. 3 ff.
Hans Gresmann: Johannes Dieckmann sagte: "Sorry". In: Die Zeit. 20. Januar 1961 (Volltext online)
Reinhard Hübsch: Dieckmann raus – Hängt ihn auf! Der Besuch des DDR-Volkskammerpräsidenten Johannes Dieckmann in Marburg am 13. Januar 1961. Pahl-Rugenstein, Bonn 1995, ISBN 3-89144-212-2.
↑Louis Lange (Hrsg.): Kyffhäuser-Verband der Vereine Deutscher Studenten. Anschriftenbuch 1931. Berlin 1931, S. 42.
↑Siehe zum Abstimmungsverhalten der bürgerlichen Abgeordneten zum sächsischen Ermächtigungsgesetz: Mike Schmeitzner: Dresden: Landtag und Staatskanzlei. In: Konstantin Hermann (Hrsg.): Führerschule, Thingplatz, „Judenhaus“ – Orte und Gebäude der nationalsozialistischen Diktatur in Sachsen. Sandstein Verlag, Dresden 2014, ISBN 978-3-95498-052-9, S. 58–61, hier S. 61, Anm. 7.
↑Harald Krieg: LDP und NDP in der »DDR« 1949–1958. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 1965, ISBN 3-663-03152-7, S.68 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
↑Jens Gerlach: Dorotheenstädtische Monologe. Aufbau Verlag, Berlin, 1972, S. 36–40
↑Susanne Ackermann, Jürgen Frölich: Der Nachlaß des Volkskammerpräsidenten Johannes Dieckmann im AdL. In: Mitteilungen der Fachgruppe 6 im Verband deutscher Archivare. Nr. 31, 2006, S. 43–47.