Goeze, Sohn eines evangelischen Pastors, studierte Evangelische Theologie ab 1734 zunächst in Jena. Zwei Jahre später wechselte er an die Universität Halle. Dort war er Schüler von Siegmund Jacob Baumgarten, dem damals bedeutendsten Vertreter der lutherischen Orthodoxie im Übergang zur Aufklärung. Nach seinem Studium wurde Goeze 1741 Prediger in Aschersleben und nach einem Jahr schon zum Diakon ernannt.
1750 wurde Goeze als Pastor nach Magdeburg berufen, wo er auch seine Tätigkeit als Schriftsteller begann. Goeze machte sich auf diese Weise einen Namen als Kirchenpublizist, dessen Treue zu Bibel und Bekenntnis als unanfechtbar galt. Die Berufung zum Hauptpastor im Jahre 1755 an der Katharinenkirche in Hamburg war eine unmittelbare Frucht dieser literarischen Tätigkeiten Goezes. Von dort aus wurde er einer der wichtigsten Gegner der Aufklärung, denn Hamburg galt zu dieser Zeit als Hochburg des Luthertums. Im Laufe von fünf Jahren entwickelte sich Goeze zum Wortführer der lutherischen Stadtgeistlichkeit und wachte in dieser Rolle über die reine Lehre. Zum einen nutzte Goeze seine Predigten dazu, seine Ansichten öffentlich zu verbreiten, zum anderen intensivierte er seine publizistischen Tätigkeiten in der Zeitung „Hamburgische Nachrichten aus dem Reiche der Gelehrsamkeit“. So trug Goeze auch maßgeblich zu einer programmatischen Veränderung dieser Zeitschrift bei. Bald erschien sie nur noch unter dem Titel „Freywillige Beiträge zu den Hamburgischen Nachrichten aus dem Reiche der Gelehrsamkeit“ und wurde von ihren Gegnern auf Grund ihrer betont anti-aufklärerischen und kirchlich wie politisch dem orthodoxen Luthertum verpflichteten Ausrichtung „schwarze Zeitung“ genannt.
Goeze als Vertreter der Lutherischen Orthodoxie wurde vor allem durch seinen mit Gotthold Ephraim Lessing geführten Streit über die von diesem herausgegebenen Fragmente eines Ungenannten (Teile einer Schrift von Hermann Samuel Reimarus) bekannt (Fragmentenstreit). Im Verlauf dieser Auseinandersetzung, die als der berühmteste religiöse Streit des 18. Jahrhunderts in die Geschichte eingegangen ist, verfasste Lessing unter anderem elf Erwiderungen gegen Goeze, die unter dem Titel Anti-Goeze (1778) bekannt wurden.
Goeze besaß eine umfangreiche Bibelsammlung,[1] die in der Staatsbibliothek der Hansestadt Hamburg aufbewahrt worden war. Sie wurde 1943 während des britischen Bombenangriff auf Hamburg, der sogenannten Operation Gomorrha, nahezu komplett zerstört.[2] Johann Melchior Goeze besaß auch eine umfangreiche Münzsammlung und eine dazugehörige Bibliothek, die er seinem Sohn Gottlieb Friedrich Goeze vererbte. Sie wurde ein Jahr nach dessen Tode versteigert.[3]
1746 hatte er Johanna Rosina Derling, die Tochter des Bürgermeisters von Aschersleben, geheiratet. Von den vier Kindern überlebte ihn nur der Sohn Gottlieb Friedrich Goeze (1754–1791).
Der Bruder von Johann Melchior Goeze war der Pastor und Naturforscher Johann August Ephraim Goeze (1731–1793).
Schriften (Auswahl)
Den Frieden der Völker auf Erden, als ein grosses und herliches Werk des Allerhöchsten stellete am Frölichen Friedensfeste welches am Sontage Exaudi 1763 in Hamburg gefeyret ... Harmsen, Hamburg 1763 (Digitalisat).
Eine Probe von der Art, wie der Herr D. Semler seine Zeugen anzuführen pflegt. Kennern und Freunden der Wahrheit zur unpartheyischen Beurtheilung, und zur Erweckung, zum Vortheile der Wahrheit und der Religion, ähnliche Untersuchungen anzustellen. Bode, Hamburg 1771 (Digitalisat).
Johann Melchior Goezens erbauliche Betrachtungen über das Leben Jesu auf Erden, auf alle Tage des Jahres. In: Theologische Berichte von neuen Büchern und Schriften, 11. Breitkopf, Leipzig 1772 (Digitalisat).
Johann Melchior Goezens ... Verzeichnis seiner Samlung seltener und merkwürdiger Bibeln in verschiedenen Sprachen. Mit kritischen und literarischen Anmerkungen. Gebauer, Halle 1777 (Digitalisat).
Johan Melchior Goezens Abfertigung der Moldenhawerischen Schrift: von der Seligkeit derer, die von Christo nichts wissen, und ihren Umständen nach nichts wissen können, und der darin enthaltenen beleidigenden Angriffe. Harmsen, Hamburg 1784 (Digitalisat).
Literatur
Johann Dietrich Winckler, Nachrichten von Niedersächsischen berühmten Leuten und Familien. Band 1. Verlag Nicolaus Conrad Wörmer, Hamburg 1768, S. 73 ff. (online)
Georg Reinhard Röpe: Johan Melchior Goeze. Eine Rettung. Mit Portrait und Facsimile. Nolte, Hamburg 1860, urn:nbn:de:bvb:12-bsb10070269-8.
Heimo Reinitzer (Hrsg.): Johann Melchior Goeze 1717–1786 (= Vestigia bibliae, Bd. 8). Wittig, Hamburg 1986, ISBN 3-8048-4332-8.
Wilfried Barner (Hrsg.): Gotthold Ephraim Lessing Werke und Briefe in zwölf Bänden. Deutscher Klassiker-Verlag, Frankfurt am Main 1989–2003.
Heimo Reinitzer, Walter Sparn (Hrsg.): Verspätete Orthodoxie. Über D. Johann Melchior Goeze (1717–1786) (= Wolfenbütteler Forschungen, Bd. 45). Harrassowitz, Wiesbaden 1989, ISBN 3-447-02976-5.
Die Bibelsammlung betreffend: Robert Naumann (Hrsg.), Friedrich Lorenz Hoffmann: Serapeum: Zeitschrift für Bibliothekwissenschaft, Handschriftenkunde und ältere Literatur, 13. Jg., Verlag C. P. Melzer, Leipzig 1852, S. 321 ff. (online) und S. 337 ff.
Einzelnachweise
↑Johann Melchior Goeze: Joann Melchior Goezens Hauptpastors zu St. Catharinen in Hamburg Verzeichnis seiner Samlung seltener und merkwürdiger Bibeln in verschiedenen Sprachen: mit kritischen und literarischen Anmerkungen. Verlag Gebauer, Halle 1777 (online Bayerische Staatsbibliothek digital) und Fortsetzung des Verzeichnisses seiner Samlung seltener und merkwuerdiger Bibeln in verschiedenen Sprachenmit kritischen und literarischen Anmerkungen. Verlag Johann Heinrich Kühnlin, Helmstedt 1778.
↑Begleitschrift zur Ausstellung Operation Gomorrha – die Zerstörung der Hamburger Staatsbibliothek 1943 in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky, vom 9. Juli bis 23. August 2003, S. 23 (PDF).
↑Verzeichnis der ansehnlichen und vortrefflichen Goezeschen Sammlung von ... Münzen, Thalern, Medaillen, Klippen, Bracteaten unsd Abdrücken in Zinn, welche am 19. November 1792 und folgende Tage ... Martin Paul Krüger ... verkauft werden sollen. Gottlieb Friedrich Schniebes, 1792 (online).