Becker arbeitete von 1971 bis 1975 als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Leibniz-Instituts Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) in Frankfurt am Main und von 1974 bis 1980 als wissenschaftlicher Berater der Frankfurter Buchmesse. Seit dieser Zeit arbeitet er als freiberuflicher Sozialwissenschaftler. Von 1987 bis 2010 stand er dem von ihm gegründeten Institut für Kommunikations- und Technologieforschung KomTech GmbH, zunächst in Frankfurt und dann in Solingen, als Hauptgesellschafter und wissenschaftlicher Direktor vor. Minderheitsgesellschafter war Arthur Fischer, Geschäftsführer des Frankfurter Marktforschungsinstituts Psydata GmbH.
Becker ist mit Ursula Becker, pensionierte Lehrerin am Gymnasium Vogelsang Solingen, verheiratet, hat drei Kinder und drei Enkel. Er lebt in Solingen im Bergischen Land. Becker war von 2014 bis 2020 Mitglied im Rat der Stadt Solingen als Fraktionsvorsitzender der Partei Die Linke und Vorsitzender des städtischen Kulturausschusses. Als parteiloser Vertreter der Partei Die Linke saß er im Rat der Stadt Solingen.
Schaffen
Beckers Hauptaugenmerk galt lange Zeit der internationalen Medienpolitik, besonders im Hinblick auf Lateinamerika, Afrika und Asien. Stand in seinen Arbeiten über Kinder- und Jugendbücher zunächst das Bild der Dritten Welt in deutschen Medien im Vordergrund, wandte er sich schon bald strukturellen Fragen einer Neuen Internationalen Informationsordnung (NIIO) zu. Für das Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) in Frankfurt, die Evangelische Akademie Arnoldshain, die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Bonn und die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) in Eschborn veranstaltete Becker in den achtziger Jahren dazu zahlreiche internationale Konferenzen und betreute viele Projekte. In den neunziger Jahren wandte er sich in Kooperation mit der Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD) in St. Augustin der Medien- und Technologiepolitik im Allgemeinen und besonders in Osteuropa zu. Seit der Jahrtausendwende konzentriert er sich auf die beiden Themenfelder Medien und Krieg & Medien und Migration. Seit einer 2020 erschienen Biographie über den Remscheider Spanienkämpfer Gustav Flohr arbeitet Becker schwerpunktmäßig über Bergische Geschichte und die NS-Zeit.
Beckers umfangreiches wissenschaftliches und journalistisches Werk liegt komplett im Stadtarchiv Solingen.
Allgemein
In Nachfolge der Kritischen Theorie von Theodor W. Adorno und Max Horkheimer versteht sich Becker als Gesellschaftstheoretiker, der die politische Funktion von Kommunikation und Medien für die Gesellschaft untersucht und nicht als Kommunikations- und Medienwissenschaftler. Vom demokratietheoretischen Potential der Medien als Vierter Gewalt und einer staats- und kommerzfernen kritischen Öffentlichkeit ausgehend, stehen Fragen der politischen Ökonomie der Medien, der Medienmanipulation, des Machtmissbrauchs und der ideologischen Rolle von Medien im Mittelpunkt seines wissenschaftlichen Erkenntnisinteresses. In seinen Arbeiten über außereuropäische Kulturen vertritt Becker weder die Position eines philosophischen Universalismus noch die eines Kulturrelativismus, sondern die vermittelnde Position eines relativen Kulturrelativismus.
Beckers im April 2013 erschienene Biographie über Elisabeth Noelle-Neumann polarisierte die Öffentlichkeit und wurde ausgesprochen kontrovers diskutiert.[1] Nach juristischen Konflikten mit der Familie von Elisabeth Noelle-Neumann wurde das Buch bereits im August 2013 vom Markt genommen.[2] Überlagert wurde die öffentliche Kontroverse über die NS-Vergangenheit von Elisabeth Noelle-Neumann durch eine Diskussion über den Filmschauspieler Horst Tappert, dessen Vergangenheit als Mitglied der Waffen-SS Becker in diesem Buch zum ersten Mal aufgedeckt hatte.[3]
Neben seiner Tätigkeit als Sozialwissenschaftler arbeitet Becker als Journalist. Er veröffentlicht seine Beiträge in epd-entwicklungspolitik, Frankfurter Rundschau, Neues Deutschland, Junge Welt, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Solinger Morgenpost, Le Monde Diplomatique, Basler Magazin, Die Presse, Bergische Blätter und in der Solinger Quartierszeitung NordstadtSeiten.
Becker ist seit 1972 gewerkschaftlich aktiv. In Solingen war er von 2005 bis 2010 ehrenamtlicher Vorsitzender des Stadtverbands des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), dem er auch heute noch als Mitglied angehört. Von 2006 bis 2018 war er außerdem Mitglied im Präsidium und im Vorstand des Ver.di-Bezirks Rhein-Wupper. Zu seinen kommunalpolitischen Aufgaben gehörte u. a. die Organisation einer politischen Vortragsreihe des DGB. Prominente Redner in dieser Reihe waren in den letzten Jahren unter anderem Friedhelm Hengsbach, Werner Rügemer, Ueli Mäder, Rudolf Dreßler, Sahra Wagenknecht und Ivo Gönner.
Werke (Auswahl)
Alltäglicher Rassismus. Afro-amerikanische Rassenkonflikte im Kinder- und Jugendbuch der Bundesrepublik, Frankfurt: Campus Verlag 1977. 2. Auflage 1992.
Free Flow of Information? Informationen zur Neuen Internationalen Informationsordnung, Frankfurt: Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik 1979.
Afrikanische Literatur in der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit, München: Weltforum Verlag 1981.
Informationstechnologie in der Dritten Welt. Eine kritische Analyse theoretischer und empirischer Studien, Frankfurt: Flach Verlag 1984.
Communication and Domination. Essays to Honor Herbert I. Schiller, Norwood NJ: Ablex 1986.
Papiertechnologie und Dritte Welt. Ökonomische Rahmenbedingungen und technische Alternativen für die Produktion von Kulturpapier, Braunschweig und Wiesbaden: Vieweg Verlag 1986.
Telefonieren, Marburg: Jonas Verlag 1989.
Europe speaks to Europe. International Information Flows between Eastern and Western Europe. With a preface by Willy Brandt, Oxford: Pergamon Press 1989.
Datenbanken und Macht. Konfliktfelder und Handlungsräume, Opladen: Westdeutscher Verlag 1992.
Türkische Medienkultur in Deutschland. 3 Bde., Loccum: Evangelische Akademie Loccum 2000-2003.
Information und Gesellschaft, Wien: Wissenschaftlicher Verlag Springer 2002.
Gustav Flohr. Noch ein Partisan. Ein Remscheider Kommunist, Klempner, Spanienkämpfer und Bürgermeister, Bonn: Dietz 2020. ISBN 978-3-8012-0546-1.
Alfred Rosenbach. Ich, ein Sinto aus Remscheid. Aus dem Leben eines Prasapaskurom, Bonn: Dietz 2021. ISBN 978-3-8012-0590-4.
Many Voices, One Forum: Reflections on the International Association for Media and Communication Research, Cham/Schweiz: Palgrave MacMillan 2023. ISBN 978-3-031-16382-1.
Die Geschichte der Firma P. D. Rasspe Söhne Solingen, Remscheid: Bergischer Verlag 2024. ISBN 978-3-96847-054-2.
[1] Vgl. z. B. Wolffsohn, Michael: Infame Abrechnung mit Elisabeth Noelle-Neumann, in: FAZ, 24. Juni 2013 oder Prokop, Dieter: Meinungsforschung: Führung der Massen durch Massenbefragungen?, in: Sozialismus, Nr. 6/2013.
[2] Vgl. zu dieser Kontroverse https://noelle-neumann.de/news/31-unterlassungserklaerungen-von-joerg-becker und Becker, Jörg: Elisabeth Noelle-Neumann: Zwischen NS-Ideologie und Konservatismus, in: Proske, Wolfgang (Hrsg.): NS-Belastete aus dem Süden des heutigen Baden-Württemberg, Gerstetten: Kugelberg Verlag 2018 (= Täter – Helfer – Trittbrettfahrer, Bd. 9), S. 289-309
[3] Vgl. Becker, Jörg: Elisabeth Noelle-Neumann. Demoskopin zwischen NS-Ideologie und Konservatismus, Paderborn: Schöningh 2013, S. 90-94 und Andreas Platthaus: Derricks Vorgeschichte: Horst Tappert war bei der Waffen-SS, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 26. April 2013, S. 39.