Ina Benita wurde 1912 in Kiew geboren, ihr Vater war Mikołaj Aleksandrowicz Florow-Bułhak (1875–1944[5]), ein Justizbeamter aus Kiew, und ihre Mutter Helena Orańska (1880–1920[5]). 1920 wurden sie aus der Ukraine vertrieben und zogen mit ihrer Tochter nach Polen. Ina besuchte von 1924 bis 1929 das Sacre-Coeur-Gymnasium in Paris und absolvierte nach ihrer Rückkehr nach Warschau Gesangs- und Schauspielunterricht bei Heleny Józefy Hryniewieckiej. Sie debütierte am 29. August 1931 im Teatr Nowy Ananas und spielte kurz in verschiedenen Theatern und Kabaretts, anschließend widmete sie sich hauptsächlich ihrer Filmkarriere.[1]
Aufstieg zum Filmstar in der Zwischenkriegszeit
Sie hatte 1932 ihr Leinwanddebüt in dem Film Puszcza und war bis zu Beginn des Zweiten Weltkriegs Ende der 1930er Jahre noch in etwa 15 weiteren Filmen zu sehen. Ihre Filmkarriere verlief äußerst erfolgreich, so spielte sie in Filmen von Mieczyslaw Krawicz, Michał Waszyński und Henryk Szaro, in Dwie Joasie spielte sie an der Seite von Jadwiga Smosarska, in weiteren Filmen an der Seite von Eugeniusz Bodo.[4] Sie verkörperte in den Filmen meist verführerische Vamp- und Femme-fatale-Rollen, was ihr eine gewisse Verehrung beim Publikum einbrachte.[6]
1931 hatte sie den russischen Filmschaffenden und Schriftsteller Georgiy Teslavsky geheiratet, von dem sie sich 1933 scheiden ließ. Ihren Künstlernamen Ina Benita legte sie sich zu, um ihre Karriere mit einem verführerischen Image voranzubringen. Es gibt unterschiedliche Theorien über die Herkunft des Namens: So könnte er von einem Rum-Bananen-Cocktail inspiriert worden sein, vom spanischen Wort „benita“ (übersetzt „schön“) oder der zunehmenden Popularität Benito Mussolinis.[6]
Ab 1937 war sie in verschiedenen Warschauer Revuetheatern tätig, unter anderem im Malicka-Theater und im „Ali Baba“. 1938 heiratete sie ihren zweiten Ehemann, Stanislaw Lipiński. 1939 war sie wegen ihrer Hauptrolle in Czarne Diamenty (eine ihrer letzten Filmrolle) zur ersten Ausgabe des Filmfestivals von Cannes eingeladen. Das Filmfestival wurde aufgrund des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs jedoch abgesagt und auch Benitas Leben änderte sich deutlich. In der Zeit des Zweiten Weltkriegs trat sie in verschiedenen offenen Theatern in Warchau auf („Komedia“, „Niebieski Motyl“ und „Miniatury“). Sie wollte wohl ihre erfolgreiche Filmkarriere fortsetzen und begann deshalb in den von den Deutschen geführten Theatern aufzutreten, was später als Kollaboration mit dem Feind gedeutet wurde. Eine Affäre mit einem österreichischen Wehrmachtsoffizier Otto Haver[7], mit dem sie von 1943 bis 1944 kurze Zeit in Wien lebte, brachte sie nach einer Anklage wegen „Rassenschande“ (Ina hatte jüdische Wurzeln) ins Pawiak-Gefängnis und ihren Geliebten an die Ostfront. In Gefangenschaft bekam sie dann ihren Sohn Tadeusz. Am Tag vor dem Warschauer Aufstand wurde sie aus der Haft entlassen, sie überlebte in den ersten Wochen des Aufstands in der Altstadt und gelang Ende August durch das Kanalisationssystem bis nach Śródmieście. Schließlich verlor sich hier die Spur der Schauspielerin, es gab zeitgenössische Berichte, nach denen sie dem Wahnsinn verfallen sei und den Krieg nicht überlebt habe.[1][6]
Leben in der Anonymität nach dem Kriegsende
Mehrere Jahrzehnte lang ging man davon aus, dass Ina Benita infolge des Warschauer Aufstands gemeinsam mit ihrem Sohn auf dem Weg nach oder in Śródmieście gestorben sei. Erst im Jahr 2018 erschienene Publikationen und Nachforschungen des Journalisten Marek Teler mit Familienmitgliedern zeigten, dass die Schauspielerin und ihr Sohn den Krieg überlebt haben. Teler arbeitete zu dieser Zeit an einem Artikel über die Opfer des Warschauer Aufstands.[6]
In den Vereinigten Staaten gingen in den 1990er Jahren Familienmitglieder der Herkunft ihrer 1984 verstorbenen Mutter und Großmutter Ina Scudder nach. Eine Spur führte Richtung Polen, wo Ina Scudders Sohn Tadeusz geboren wurde – dieser Spur ging ihr Enkel Ted nach. Dass seine Großmutter einst ein gefeierter Filmstar war, hatte sie ihm nie erzählt, erste Internetrecherchen halfen nicht weiter. Erst Ende 2017 und Anfang 2018 erfuhren die Enkel Ted und Alexandria in einer weiteren Internetrecherche mit dem Mädchennamen ihrer Großmutter[8] von ihrem Vorkriegsleben und dass man davon ausging, dass sie gestorben sei. Marek Teler wurde auf einer Internetseite auf einen von Ted hinterlassenen Kommentar – dass Ina Benita den Krieg überlebt habe – aufmerksam. Die Betreiber der Webseite stuften den Kommentar aber als Fake ein und gaben keine Informationen über den Verfasser heraus. Später im Oktober 2018 gab der slowenische Politiker Ingo Pasch einen weiteren Kommentar ab und sagte, dass Ina Benita die zweite Frau seines Vaters gewesen sei. Teler nahm Kontakt auf und Pasch konnte mit Fotos und Dokumenten die Echtheit seiner Aussagen bestätigen.[6]
Die anschließenden Nachforschungen erbrachten folgende Erkenntnisse zu Ina Benitas Leben kurz vor und nach Ende des Zweiten Weltkriegs:[5][8][9]
1943 kam der Deutsche Hans Georg Willi Pasch (1909–1945[5]), ein entschiedener Gegner des Hitler-Regimes nach Warschau und verliebte sich in die junge Schauspielerin Ina Benita. Es ist den Recherchen nach davon auszugehen, dass Hans Pasch Tadeusz‘ Vater war und nicht Otto Haver. Auch legen die Nachforschungen nahe, dass Benita die Widerstandsbewegung um Roman Niewiarowicz unterstützte und ihre Arbeit in den von Deutschen geführten Theatern nutzte, um an Informationen zu gelangen. Benita lebte den ersten Monat während des Warschauer Aufstands bei ihrem Vater, der allerdings getötet wurde, als das Haus bombardiert wurde, wohingegen Tadeusz versteckt unter einer Badewanne knapp überlebte. Ein Dokument bestätigte ihr Überleben und dass sie sich im April 1945 in Hohegeiß aufhielt. Sie fand nach Ende des Kriegs wieder mit Hans Pasch zusammen, heiratete ihn im Juni 1945, und zog mit ihm und Tadeusz nach Rhumspringe.[6]
Im November 1945 verschwand ihr Ehemann, im Februar 1946 stellte sich heraus, dass dieser ermordet wurde. Benita wanderte daraufhin mit Tadeusz nach Frankreich aus, trat dort in kleinen Lokalen in Nizza und Cannes als Sängerin und Tänzerin auf. Sie traf in Frankreich den Amerikaner Lloyd Scudder (1917–1964[9]), der bei der United States Air Force arbeitete. 1950 bekamen sie einen Sohn namens John, im April 1954 heiratete das Paar in Casablanca. 1960 verließen beide mit den zwei Kindern Frankreich und gingen in die Vereinigten Staaten, wo sie zunächst in Albuquerque und Dayton wohnten, ab 1962 dann in Middletown in Pennsylvania. 1964 starb Lloyd Scudder an Krebs und Ina Benita nahm eine Anstellung als Hausmädchen in einem Hotel an. Ihre letzten Lebensjahre verbrachte sie mit ihren Enkeln und der Malerei, zuletzt lebte sie in einem Pflegeheim in Camp Hill. Im September 1984 starb Benita, die viele Jahre ihres Lebens rauchte, an Lungenkrebs. Sie wurde auf dem Friedhof von Middletown beigesetzt.[1][6][5]
Beweggründe für das Leben in der Anonymität
Das Leben in völliger Anonymität nach Ende des Kriegs scheint Telers Nachforschungen darin begründet, dass Ina Benita negative Konsequenzen für sich und ihren Sohn fürchtete. Dies war nicht unbegründet: Nach Ende des Kriegs verfolgten die Kommunisten die Schauspieler, die in den von Deutschland kontrollierten Theatern spielten, da sie dies als Kollaboration mit dem Feind betrachteten. Auch hatte Benita eine Affäre mit einem österreichischen Wehrmachtsoffizier, was in Künstlerkreisen allgemein bekannt war. Mit der Ermordung ihres Mannes 1945 in Deutschland schien Benita keine Zukunft mehr für sich in Polen oder Deutschland zu sehen, sodass sie mit einem neuen Leben im Ausland Schutz für sich und ihren Sohn suchte. Die Familienmitglieder berichteten rückblickend, dass Ina Benita misstrauisch war und fürchtete, dass jemand hinter ihr her sei. Ihre einstige Karriere hielt sie vor ihrer Familie völlig geheim, sodass diese erst mehr als 30 Jahre nach ihrem Tod vom Vorkriegsleben Ina Benitas erfuhren.[5][6][9]
Filmografie
1932: Puszcza
1933: Jego ekscelencja subiekt
1933: Przybłęda
1933: Maryjka
1934: Hanka
1935: Jaśnie pan szofer
1935: Dwie Joasie
1936: Miłość wszystko zwycięża
1937: Trójka hultajska
1938: Ludzie Wisły
1938: Gehenna
1938: Serce matki
1938: Moi rodzice rozwodzą się
1939: O czym się nie mówi...
1939: Czarne diamenty
1939: Doktór Murek
1940: Sportowiec mimo woli
Literatur
Piotr Gacek. Ina Benita: Za wcześnie na śmierć, 2018, Wydawnictwo Krytyki Politycznej, ISBN 978-836585388-2
Marek Teler. Zagadka Iny Benity. AK-torzy kontra kolaboranci, 2021, Bellona, ISBN 978-8-31-116090-3
Ina Benita in der Internet-Datenbank des polnischen Films FilmPolski.pl (polnisch) (mit Fotogalerie)
Einzelnachweise
↑ abcdIna Benita in der Internet-Datenbank des polnischen Films FilmPolski.pl, abgerufen am 20. Dezember 2024 (polnisch)
↑In einigen Quellen wird der 1. Februar als Geburtstag angegeben, in einigen Quellen 1916 als Geburtsjahr (z. B. in ihrer Todesurkunde). In der Heiratsurkunde von 1945 ist der 1. März 1912 als Geburtstag angegeben, in Dokumenten nach ihrer Ausreise in die Vereinigten Staaten verwendete sie das Jahr 1916.
↑Ina Benita – Galerie. In: csfd.cz. Česko-Slovenská filmová databáze, abgerufen am 20. Dezember 2024 (tschechisch).
↑ abcdefIn der folgenden Zusammenstellung von Ina Benitas Leben nach dem Zweiten Weltkrieg (Teil 1) finden sich einige Fotos und Dokumente: Marek Teler: Ina Benita przeżyła! Tajemnica z Rhumspringe. In: histmag.org. 19. November 2018, abgerufen am 26. Dezember 2024 (polnisch).