Als Idealstadt wird eine stadtplanerische Vorstellung bezeichnet, bei der eine Stadt von vornherein unter einheitlichen Gesichtspunkten wie wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Organisation – häufig verbunden mit sozialutopischen Ideen und einem ästhetischen Programm – entworfen wird.
Idealstädte wurden fast nie realisiert, doch Konzepte der Idealstadt hatten und haben Einfluss auf die Stadtplanung von Stadtneugründungen, Planstädten, Trabantenstädten und Wohnsiedlungen.
Anders als bei Städten, die aus einem Siedlungskern gewachsen sind und dabei ohne besondere Planung auch zum Abbild bestehender gesellschaftlicher Strukturen werden, stellen Entwürfe zu Idealstädten oft gewünschte Sozialstrukturen schematisch dar und bedienen sich geometrisierender Grundrisse, wie Schachbrettmuster, konzentrischer Ringe oder Sternform.
Historische Beispiele
Die ältesten bekannten Vorstellungen von Idealstädten, die vor allem auf die politische Organisation abzielten, stammen von Platon und Aristoteles, erste Planungen von Vitruv. In der Renaissance wurden diese Ideen von Alberti in seiner Schrift De re aedificatoria wieder aufgenommen. Auch Architekten und Künstler von Filarete über Leonardo da Vinci bis Dürer entwarfen Idealstädte. Einflussreich war auch Utopia von Thomas Morus und Der Sonnenstaat von Tommaso Campanella. Zu den wenigen gebauten Idealstädten gehören Palmanova und Sabbioneta in Italien. Das französische Chaux des RevolutionsarchitektenClaude-Nicolas Ledoux war lediglich eine literarische Utopie, basierend auf einer realisierten Salinenanlage. Die laut UNESCO welterste geplante Universitätsstadt ist Alcalá de Henares in Spanien mit seiner Universität – sie sollte die erste Civitas Dei („Stadt Gottes“) sein.[1]
Ein starker Hang zu Idealstädten ist ab der Renaissance zu verzeichnen, jedoch wurden nur wenige tatsächlich ausgeführt. Eines der prominentesten Beispiele für eine solche Anlage aus dieser Zeit ist das rheinische Jülich, das nach einem großen Brand im 16. Jahrhundert nach idealen Vorstellungen wieder aufgebaut wurde, der ursprüngliche Plan konnte allerdings nur teilweise umgesetzt werden. Ein anderes Beispiel ist Freudenstadt, das ähnlich wie ein Mühlebrettspiel gebaut wurde und damit Ähnlichkeiten mit Dürers Idealstadt besitzt. Auch einige Bergstädte des Erzgebirges wurden nach diesem Muster errichtet. Herausragend Marienberg durch Ulrich Rülein von Calw (1519).
Auch in Residenzstädten des Barock wie Mannheim, Glückstadt, Karlsruhe oder Neustrelitz wurden teilweise Prinzipien der Idealstadt verwirklicht. Im Allgemeinen wird bei den genannten Stadtanlagen die mittels der Straßenanordnung erzeugte städtebauliche Dominanz des jeweiligen Residenzschlosses als Abbild der absolutistischen Regierungsform interpretiert. So laufen im Falle des Karlsruher Schlosses die Hauptstraßen fächerförmig auf den Schlossturm zu; auch sind die Mannheimer Quadrate und besonders die sogenannte Breite Straße auf die dortige Residenz ausgerichtet.
Durch Karlsruhe und Mannheim inspiriert, ließ Thomas Jefferson im Jahre 1792 die Stadt Washington als künftige Planhauptstadt errichten. Unter Leitung des französischen Stadtplaners Pierre Charles L’Enfant entstand die Stadt in der geplanten Bauzeit von acht Jahren und wurde im Jahre 1800 eingeweiht. Sogar die Mannheimer Quadrate sind dort wiederzufinden.
Im späten 18. Jahrhundert entwickelte der Architekt Claude-Nicolas Ledoux die von ihm errichtete Königliche Saline in Arc-et-Senans in einem Idealprojekt weiter zu einer großen landschaftlichen Stadtutopie mit umfassender Sozialplanung.
Sonderfälle im Sinne einer Experimentalstadt unter dem Vorzeichen einer Stadtutopie bilden die Projekte Arcosanti in Arizona (USA) und Auroville in Südindien.
Claus Bernet: „Gebaute Apokalypse“. Die Utopie des Himmlischen Jerusalem in der Frühen Neuzeit (= Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte, Mainz. Band 215). von Zabern, Mainz 2007, ISBN 978-3-8053-3706-9 (Zugleich: Halle (Saale), Universität, Dissertation, 2005).
Claus Bernet: Die Gründung von Freudenstadt: Neue Ansätze zur wichtigsten deutschen Idealstadt. In: Blätter für deutsche Landesgeschichte, 143, 2007, S. 107–131.
August Gebeßler: Freudenstadt – Geschick und Geschichtlichkeit einer Idealstadt. In: Die Alte Stadt, 23, 1996, S. 46–55.
Gerhard Eimer: Die Stadtplanung im schwedischen Ostseereich 1600–1715. Mit Beiträgen zur Geschichte der Idealstadt. Stockholm 1961.
Ehrenfried Kluckert: Auf dem Weg zur Idealstadt. Humanistische Stadtplanung im Südwesten Deutschlands. Stuttgart 1998, ISBN 3-608-91962-7 (Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Stuttgart 78).
Hanno-Walter Kruft: Städte in Utopia. Idealstadt vom 15. bis zum 18. Jahrhundert zwischen Staatsutopie und Wirklichkeit. München 1989, ISBN 3-406-33909-3.
Kersten Krüger: Die Idealstadt in der frühen Neuzeit. In: Frank Braun (Hrsg.): Städtesystem und Urbanisierung im Ostseeraum in der Frühen Neuzeit. Münster 2004, S. 11–47.
Michaela Marek: Die Idealstadt im Realsozialismus. In: Christiane Brenner (Hrsg.): Sozialgeschichtliche Kommunismusforschung. München 2005, S. 425–480.
Badisches Landesmuseum Karlsruhe (Hrsg.): Klar und lichtvoll wie eine Regel: Planstädte der Neuzeit vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Eine Ausstellung des Landes Baden-Württemberg veranstaltet vom Badischen Landesmuseum Karlsruhe, Karlsruhe 1990, ISBN 3-7650-9026-3.
Claus Pelling: Die Città ideale der Berliner Gemäldegalerie. Ein Gemälde von Paolo Uccello? Rahden 2020.