Ich hab' mein Herz in Heidelberg verloren ist der Titel eines dreistrophigen Marschliedes, das Friedrich Raimund Vesely 1925 unter seinem Künstlernamen Fred Raymond als Opus 130 komponiert hat. Die Worte dazu dichteten ihm die Librettisten Fritz Löhner (unter seinem Künstlernamen Beda) und Ernst Neubach. Das Tonstück erschien im Wiener Bohème-Verlag,[1] an den Raymond die Rechte daran für ganze 300 Mark abtrat.[2]
Das Lied wurde rasch populär, sicher nicht zuletzt infolge des Einsatzes der modernen Medien Grammophonplatte und Radio, der zur Entstehungszeit möglich wurde.[3] Mittlerweile ist es – obwohl rein kommerziell entstanden – im allgemeinen Verständnis beinahe in den Rang eines Volksliedes aufgerückt.[4]
Prominente Künstler der Weimarer Republik wie die Tenöre Max Kuttner und Harry Steier oder die Kapellenleiter Fred Bird, Paul Godwin und Reinhard Wenskat (als “Giusto Jazz Symphoniker”) sangen und spielten das Lied ab 1925 auf Grammophonplatten und im noch jungen Unterhaltungsrundfunk.
Es war auch als Notenrolle für elektrische Klaviere erhältlich[5] und wurde auch auf Liedpostkarten verbreitet.[6]
Noch im gleichen Jahr entstand um das Lied ein Spielfilm gleichen Titels.[7] Zwei Jahre später verfassten die Autoren Raymond, Löhner und Neubach ein dreiaktiges Singspiel mit diesem Titel. Es wurde an der Volksoper Wien uraufgeführt.[8]
Parodien
Die Eingängigkeit der Refrainzeile forderte schon bald zu Parodie und Travestie heraus; so erhielt z. B. 1927 ein Stummfilm „Wochenendzauber“ den Untertitel „Ich hab mein Herz in Kritzendorf verloren“;[9] zwei Jahre später trug ein anderer den Titel „Ich hab mein Herz im Autobus verloren“.[10]
In der ebenfalls 1929 gedrehten Beef & Steak-Episode „Wir halten fest und treu zusammen“ nimmt Kurt Gerron eine Grammophonplatte mit diesem Titel vom Apparat und isst sie auf; als ihm darauf übel wird und er auf der Toilette verschwindet, hört man dann von dort das Lied tönen...[11]
Auch nach dem Zweiten Weltkrieg wirkte die Zeile noch nach. 1962 bekam eine LP mit dem amerikanischen Schlagersänger Gus Backus den Titel »Ich hab' mein Herz in Germany verloren«;[12] 1983 veröffentlichte “die berühmteste Hausfrau der Welt” Erma Bombeck ein Buch mit dem Titel “Ich hab mein Herz im Wäschekorb verloren”.[13]
Das österreichische Pop-Duo »Die Ausreißer« nannte seine 2014 erschienene CD „Ich hab mein Herz im Karussell verloren“.[14]
Auch Ehrengast Joseph Daues aus St. Charles griff 2015 bei der Verleihung der Bürgermedaille seiner deutschen Partnerstadt Ludwigsburg auf die Schlagerzeile zurück, als er bekannte „Ich hab’ mein Herz in Ludwigsburg verloren“.[15]
Und im selben Jahre titelte die Autorin Anna Martach den 14. Band ihrer Bergromane um den ‚Alpendoktor Daniel Ingold‘ „Ich hab’ mein Herz in Hindelfingen verloren“.[16]
Fortleben
In neuester Zeit machten sich auch so unterschiedliche Interpreten wie Gus Backus,[17]Billy Mo,[18]Heinz Maria Lins[19] und Heino[20] anheischig, das Lied in ihr Repertoire zu nehmen.
Die Orchester von Will Glahé (mit dem Golgowsky-Chor im Album “Alles singt mit”, 1965) und Ray Conniff (im Album “Musik für Millionen”, 1982) nahmen es mit Chorgesang auf LPs auf.
Der niederländische Geiger André Rieu spielte es mit seinem Orchester am 19. September 2009 live auf dem Heidelberger Kornmarkt.[21]
Die Stadt Heidelberg brachte 1996 am Badischen Hof in der Hauptstraße eine Gedenktafel für das Lied und seinen Schöpfer an, die von den Chören der Stadt gestiftet worden war. Die Tafel wurde 2014 erneuert, ans Neuenheimer Ufer der Alten Brücke versetzt und um die Nennung der beiden Textdichter ergänzt.[22]
Tondokumente (Auswahl)
Derby O-581 (Matr. 581 B) Ich hab' mein Herz in Heidelberg verloren. Lied (Raymond) ‘Gesang mit Orchester’
Odeon O-1487 / A 41 374 (Matr. Be 4929) Ich hab' mein Herz in Heidelberg verloren! Lied (Fredy Raymond) Harry Steier mit Orchesterbegleitung. Aufgen. 27. August 1925
Vox 3558 (Matr. 3065-B) Ich hab' mein Herz in Heidelberg verloren. Lied (F. Raymond) Max Kuttner, Tenor, mit Orchesterbegleitung
Isiphon Concert Record 378 a (Matr. 7396*) Ich hab´ mein Herz in Heidelberg verloren. Foxtrot (Raymond-Beda) Giusto Jazz Symphoniker mit Refraingesang.[23]
Grammophon 20 292 / B 42 262 (Matr. 3681 ar) Ich hab' mein Herz in Heidelberg verloren. Lied (Fred Raymond) Max Kuttner[24]
Grammophon 19 419 (Matr. 76 bg) Ich hab' mein Herz in Heidelberg verloren. Marschlied (Fred Raymond) Paul Godwin mit seinem Künstler-Ensemble vom Nelson-Theater Berlin
Homocord 4-1964 (Matr. 18 774-1) Ich hab' mein Herz in Heidelberg verloren. Lied (F. Raymond) Fred Bird The Salon Symphonie Jazzband[25]
Jutta Assel, Georg Jäger: Ich hab' mein Herz in Heidelberg verloren. Ein Schlager auf Bildpostkarten. Eingestellt April 2016 bei goethezeitportal.de
Christoph Bühler (Hrsg.): Landeskunde online. Die Plattform für das Kulturerbe im Land : Lieder auf Heidelberg
Alina Eisenhardt: „Ich hab’ mein Herz in Heidelberg verloren“ – Erneuerte Gedenktafel zum Heidelberg-Lied eingeweiht. In: Rhein-Neckar-blog vom 30. Juli 2014
Oliver Fink: „Memories vom Glück“. Wie der Erinnerungsort Alt-Heidelberg erfunden, gepflegt und bekämpft wurde. Heidelberg 2002, ISBN 3-89735-209-5.
Gero Gandert: 1929 – Der Film der Weimarer Republik. Verlag Walter de Gruyter, 1993, ISBN 3-11-085261-6.
Otto Koehler: Vom Land des Lächelns nach Auschwitz. In: Die Zeit, Nr. 30/1996, 19. Juli 1996 (Eine bittere Notiz – zur Ermordung Bedas im für die BASF tätigen KZ und der Vergesslichkeit in Heidelberg)
Joachim-Felix Leonhard: Medienwissenschaft. Ein Handbuch zur Entwicklung der Medien und Kommunikationsformen. Teil 2, Verlag Walter de Gruyter, 2001, ISBN 3-11-016326-8.
Karin Ploog: Als die Noten laufen lernten... Teil 2: Geschichte und Geschichten der U-Musik bis 1945 – Komponisten – Librettisten – Texter. Verlag BoD – Books on Demand, 2015, ISBN 978-3-7347-4718-2.
Dieter Schnabel: Zuweilen muss einer da sein, der gedenkt: Blätter der Erinnerung an Komponisten, Schriftsteller und Theaterleute. Verlag BoD – Books on Demand, 2003, ISBN 3-8330-0015-5, S. 58–60.
Monika Sperr: Das Grosse Schlager-Buch: deutsche Schlager 1800 bis heute. Verlag Rogner & Bernhard, 1978, ISBN 3-8077-0066-8, S. 124.
Bruno Warden, Beda (Fritz Loehner), Ernst Neubach: Ich hab' mein Herz in Heidelberg verloren. Singspiel in 3 Akten. Verlag Fritz Hirsch Operette, 1930. (Länge 32 Seiten)
↑vgl. Leonhard, Medienwissenschaft: “Andere Filme in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre entnahmen ihre Inhalte populären Schlagertiteln, so etwa die Studenten-, Rhein- und Weinfilme “Ich hab mein Herz in Heidelberg verloren” oder “Die Lindenwirtin am Rhein” […], die bereits im Titel den Zusammenhang von populärer Musik und Filminhalten veranschaulichen und im internationalen Kontext auf die Schallplatte und den Rundfunk verweisen.” (S. 1113)
↑z. B. bei Hupfeld als Animatic S Rolle No. 59 660 Ich hab mein Herz in Heidelberg verloren. Marschlied. Fredy Raymond. Vgl. Notenrollen.de
↑vgl. Postkarte »Ich hab' mein Herz in Heidelberg verloren!« mit der ersten Strophe des Liedes, Signet PH im Dreieck. 5710/2. Verso: Datiert 1929 ; oder Postkarte (Memento des Originals vom 20. Oktober 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.ansichtskarten-kiste.de mit Ansicht von Schloss und Alter Brücke nebst Liedtext. Weitere Beispiele bei Assel-Jäger (2016)
↑vgl. Ploog S. 489 "...dieses Werk basierte auf dem Schlagertext von 1925 und hatte am 29.04.27 in der Wiener “Volksoper” seine Première, der dort gut 700 Vorstellungen folgten".
↑„Wochenendzauber – ich hab mein Herz in Kritzendorf verloren“ , Regie: Rudolf Walther-Fein, Aafa-Film 1927, vgl. filmportal.de, dazu Lisa Fischer: Die Riviera an der Donau. 100 Jahre Strombad Kritzendorf. Böhlau Verlag, Wien 2003, S. 9.
↑Regie: Carlo Campogalliani, Boston-Film 1929, vgl. IMDb, filmportal.de und Gandert 1929, S. 304.
↑vgl. Gandert 1929, S. 721, Kritik von Lucy von Jacobi in „Tempo“ Nr. 223 vom 24.09.29, 3. Ausgabe
↑vgl. A. Eisenhardt bei rheinneckarblog.de: “Heidelberg/Rhein-Neckar, 30. Juli 2014. (red/pm) Am Neuenheimer Ufer der Alten Brücke werden Bewohner und Gäste jetzt an das weltberühmte Heidelberg-Lied erinnert. Der Komponist Friedrich Raimund Vesely (1900–1954), alias Fred Raymond, veröffentlichte 1927 ein Singspiel mit dem Namen „Ich hab’ mein Herz in Heidelberg verloren“. Das Hauptlied wurde bereits 1925 zum Schlager.”