Hermann Naber

Hermann Naber 1995 in einer Aufnahme des Fotografen Werner Bethsold.

Hermann Naber (* 17. Juni 1933 in Ochtrup[1]; † 25. Januar 2012 in Baden-Baden[2]) war ein deutscher Hörspieldramaturg und -regisseur sowie langjähriger Leiter der Hörspielabteilung des Südwestfunks. Seit 1977 war Hermann Naber Mitglied der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste, seit 1989 Mitglied der Akademie der Künste (Berlin).

Leben

Hermann Naber studierte Germanistik, Anglistik, Publizistik und Philosophie in Münster und London. Freie Mitarbeit bei verschiedenen Tageszeitungen (Westdeutsche Allgemeine, Frankfurter Rundschau), Zeitschriften ( Filmkritik, Frankfurter Hefte, Neue Deutsche Hefte) und Rundfunkanstalten (WDR, HR).

Zwischen 1962 und 1965 war Naber Dramaturg der Hörspielabteilung des Hessischen Rundfunks. In diese Zeit fällt seine erste Regiearbeit: Die Einsamkeit des Langstreckenläufers von Alan Sillitoe (1964) und die ersten Hörspielbearbeitungen: Der Stellvertreter von Rolf Hochhuth (HR 1963, Regie: Erwin Piscator) und Die Ermittlung von Peter Weiss (1965, Regie: Peter Schulze-Rohr). Letzteres war eine Gemeinschaftsproduktion der ARD, an der sich erstmals alle Hörspielabteilungen beteiligten, ebenso wie der Schweizer Rundfunk DRS.

1965 wechselt Hermann Naber zum Südwestfunk, wo er bis 1998 Leiter der Hörspielabteilung war, aber auch als Regisseur und Dramaturg arbeitet. Zu seinen Autoren zählten u. a. Ferdinand Kriwet, Gabriele Wohmann, Urs Widmer, Christian Geissler, Luc Ferrari, Gert Hoffmann, Barry Bermange, Günter Herburger, Antonio Skármeta, Ror Wolf. Mit Fünf Mann Menschen von Ernst Jandl und Friederike Mayröcker (Dramaturgie und Regie: Peter Michel Ladiges) wurde 1968 im SWF das richtungsweisende Stück des „Neuen Hörspiels“ produziert. Unter Nabers Leitung entstanden auch große Hörspielserien, u. a. die zweite Staffel von Douglas AdamsPer Anhalter in All (SWF/BR 1991, Regie: Hartmut Kirste), Jostein Gaarders Sofies Welt (SWF/MDR 1995, Regie: Hartmut Kirste) und Der Herr der Ringe nach J.R.R. Tolkien (SWF/WDR 1992, Regie: Bernd Lau)[3].

Bereits Ende der 60er Jahre hat Naber begonnen, die Kriminalromane von Raymond Chandler als Hörspiele zu bearbeiten und zu inszenieren, bis Ende der 90er Jahre sind mehr als 20 Chandler-Hörspiele entstanden (CD Edition: Gefahr ist ihr Geschäft: Best of Marlow & Co, DAV 2004).

Von 1970 bis 1998 war Naber Sekretär des Karl-Sczuka-Preises für Hörspiel als Radiokunst, zwischen 1986 und 1992 nahm er einen Lehrauftrag am Seminar für Kommunikationspsychologie, Universität Koblenz-Landau wahr. Hermann Naber, der sich auch in seinen Aufsätzen und mehreren Radiosendungen immer wieder mit der Geschichte des Hörspiels und den Pionieren der Radiokunst befasst hat, stand in der Tradition der frühen Hörspiel- und Radiomacher wie Friedrich Bischoff und war der Idee des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als einer Institution der Kultur und Kulturvermittlung eng verbunden. Sein Engagement für die Kunstform des Radios ging über seine unmittelbare Tätigkeit als Abteilungsleiter des Südwestfunks hinaus. Zusammen mit Ulrich Gerhardt entwickelte er die Woche des Hörspiels in der Akademie der Künste in Berlin, die er später in Zusammenarbeit mit Oliver Sturm und Hermann Bohlen fortgesetzte.

Sein Bestreben, Hörspiele auch außerhalb des Rundfunks zugänglich zu machen führte 1986 zur Gründung der Hörspieledition Cotta’s Hörbühne, deren Herausgeber er bis 1994 war:

„Erstaunlicherweise (für den Verlag) und erfreulicherweise (für mich, denn ich habe diese Entwicklung vorausgesehen), zählen die anspruchsvollen literarischen Hörspiele zu den Spitzenreitern der Edition, sie werden noch mehr als bisher die Konzeption bestimmen – auch das ist ein wertvolles Argument bei der Diskussion um die Zukunft des Hörspiels: sie liegt nicht beim angeblich ‚hörerfreundlichen’ Ramsch, sondern bei den besten und elaboriertesten Produktionen der Hörspielkunst.“

Hermann Naber an Friedrich Wilhelm Hymmen, 11. Juli 1987.

1993 wurde Nabers Inszenierung des Stücks Unser Boot nach Bir Ould Brini von Christian Geissler mit dem Hörspielpreis der Kriegsblinden ausgezeichnet. 2005 war Naber Preisträger des Deutschen Hörbuchpreises in der Kategorie Unterhaltung für das Hörbuch Gefahr ist ihr Geschäft, eine Edition von zehn seiner Hörspieladaptionen nach Raymond Chandler.[4] Aus Verehrung für diesen Schriftsteller sorgte er dafür, dass nahezu alle Romane Chandlers Hörspielfassungen erhielten.[5]

Naber gehörte mit seiner Frau Lore zu den Mitbegründern des Fernsehfilmfestivals Baden-Baden. Die Filmproduzentin Milena Maitz und der Regisseur Johannes Naber sind Kinder des Ehepaars.[6]

Werk

Hörspiele (Auswahl)

Hörspielfeatures (Auswahl)

  • 1979 10 Jahre Hörspielgeschichte – Karl-Sczuka-Preis 1969-1978 (SWF)
  • 1981 Friedrich Bischoff: Pionier der Radiokunst (SWF)
  • 1985 Peter Zwetkoff – Musiker und Zeitgenosse zusammen mit Hartmut Kirste, Hans Gerd Krogmann, Horst H. Vollmer, Gert Westphal, Urs Widmer
  • 1988 Chandlers Geheimnis – Erfahrungen eines Hörspielmachers mit dem Klassiker des Kriminalromans (DLF)
  • 1992 Die geheimen Neigungen des Max Ophüls – Der Filmregisseur als Hörspielautor (SWF)
  • 2000 Die Geburt des Hörspiels aus dem Geist der Operette. Karl Sczuka und die Pioniere der Radiokunst (SWF)
  • 2005 Ruttmann und Konsorten (DLF)

Hörspielbearbeitungen (Auswahl)

Hörspielbearbeitung und Regie (Auswahl)

Regie (Auswahl)

Die Raymond Chandler Reihe

  • 1969 Ärger mit Perlen (SWF)
  • 1969 Ich werde warten (SWF)
  • 1970 Stichwort Goldfisch (SWF)
  • 1970 Heißer Wind (SWF/WDR)
  • 1971 Heim zu Beulah (WDR)
  • 1972 Zielscheibe (WDR)
  • 1972 Mord in der Salbeischlucht (WDR/BR)
  • 1973 Der Bleistift (WDR)
  • 1978 Gefahr ist mein Geschäft (SWF)
  • 1980 Keine Verbrechen in den Bergen (SWF/HR)
  • 1983 Die Tote im See (SWF)
  • 1984 Ein Schriftstellerpaar (DLF/WDR)
  • 1986 Bay City Blues (SWF)
  • 1986 Mord im Regen (SWF/HR)
  • 1988 Der Mann, der Hunde liebte (SWF/NDR)
  • 1990 Nevada Gas (SWF)
  • 1991 Gesteuertes Spiel (SWF)
  • 1992 Spanisches Blut (SWF)
  • 1993 Der König in Gelb (SWF)
  • 1996 Zu raffinierter Mord (SWF)
  • 1998 Straßenbekanntschaft (SWF)

Drehbücher

  • 1964 Denkmal für einen Feind, nach dem Roman von George Barr, (Drehbuchprämie des Innenministers)
  • 1985 Säntis, nach einem Hörspiel von Martin Walser, Regie: Rainer Boldt (ZDF)
  • 1991 Die Verteidigung von Friedrichshafen, Lindauer Pietà, Hilfe kommt aus Bregenz, Zorn einer Göttin, Das Gespenst von Gattnau nach Hörspielen und Geschichten von Martin Walser, Regie: Hajo Gies (ZDF)

Publikationen

  • 1980 Der Autor als Produzent, in: Spuren des Neuen Hörspiels, Hrsg. Klaus Schöning, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1982
  • 1980 Spiel und Erfahrung, in: Unterhaltung im Rundfunk, Volker-Spiess-Verlag 1980
  • 1989 Mit den Augen hören, mit den Ohren sehen, in: Max Ophüls, Reihe Film, Hanser Verlag, München 1989
  • 1996 Musik als Hörspiel – Hörspiel als Musik, in: Spiegel der Neuen Musik – Donaueschingen, Bärenreiter-Verlag, Kassel 1996
  • 2000 Die Geburt des Hörspiels aus dem Geiste der Operette, in: Akustische Spielformen, Nomos Verlag, Baden-Baden 2000
  • 2001 facts & fiction – Kleine Reise in die Vergangenheit, in: Hörwelten – 50 Jahre Hörspielpreis der Kriegsblinden, Aufbau Verlag, Berlin 2001
  • 2006 Ruttmann & Konsorten – Über die frühen Beziehungen zwischen Hörspiel und Film, in: Rundfunk und Geschichte, 32. Jahrgang, Nr. 3-4/2006

Auszeichnungen

Einzelnachweise

  1. Süddeutsche Zeitung vom 28./29. Januar 2012, S. 42.
  2. Langjähriger SWR-Hörspielchef Hermann Naber verstorben Meedia vom 26. Januar 2012
  3. Süddeutsche Zeitung vom 28./29. Januar 2012, S. 42.
  4. Deutscher Hörbuchpreis 2005 in der Kategorie „Beste Unterhaltung“. In: deutscher-hoerbuchpreis.de. Abgerufen am 25. August 2022.
  5. siehe Deutschlandfunk Hörspielmagazin 4/2019 2. April 2019
  6. Naber-Film läuft in Baden-Baden. In: Badisches Tagblatt vom 6. Juni 2014
  7. H. Naber Wegbereiter des zeitgenössischen Hörspiels, abgerufen am 2. April 2019
  8. Quartett von Heiner Müller, NDR Info 6. Januar 2019, abgerufen am 2. April 2019
  9. Fräulein Smillas Gespür für Schnee, Deutschlandfunk 9. Februar 2019, abgerufen am 2. April 2019