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Helene Pagés war die Tochter des Straßenbauers und ehemaligen Artilleristen Franz Pagés, der einer hugenottischen Familie entstammte, und dessen Frau Nanni, einer im Westerwald aufgewachsenen und in Koblenz ausgebildeten Verkäuferin. Beim Bau der Straße Boppard-Simmern siedelte sich Franz Pagés in Sauerbrunnen/Hunsrück an. Helene Pagés wuchs dort im Kreis von drei älteren und vier jüngeren Geschwistern auf. Sie wurde stark geprägt durch die ländliche Umgebung ihres Heimatdorfes und die katholische Erziehung ihrer Mutter Nanni.[1]
Ab 1869 besuchte Helene Pagés die Volksschule in Leiningen, erhielt nach deren Abschluss aber auch weiterführende Privatstunden in Deutsch, Rechnen, Geschichte, Französisch bei Geistlichen, Studenten und Lehrern. Ab 1877 war sie vorübergehend im von der Mutter nach der Frühpensionierung des Vaters betriebenen Kolonialwarenladen tätig. Nach einer Sonderaufnahmeprüfung besuchte sie ab 1880 das Lehrerinnenseminar in Montabaur. Nach Abschluss ihrer Lehrerausbildung 1883 unterrichtete sie zunächst an einer Volksschule im Kannenbäckerland, wechselte jedoch 1885 nach Boppard am Rhein. Dort machte sie sich vor allem um die berufliche Mädchenbildung verdient; 1906 übernahm sie die Leitung der auf ihr Betreiben hin 1898 gegründeten Bopparder „Fortbildungsschule für Mädchen“. Sie arbeitete mit Pauline Herber, der Gründerin des Vereins katholischer deutscher Lehrerinnen, zusammen. Z. B. unterstützte sie diese beim Aufbau eines Lehrerinnenheims in Boppard. Umgang pflegte sie auch mit Hedwig Dransfeld, katholische Frauenrechtlerin und Politikerin, Lehrerin und Jugendschriftstellerin.
1913 schied Helene Pagés krankheitsbedingt aus dem Schuldienst aus. 1915 schrieb sie sich an der Universität Bonn ein, wohl dem Beispiel Hedwig Dransfelds folgend, die bereits unmittelbar mit der Zulassung von Frauen zum Universitätsstudium 1908 begonnen hatte, Kulturwissenschaften in Münster, später in Bonn zu studieren. 1917 wechselte sie nach Münster, wo sie sich ihrer Nichte Änni Büchner (Schwester von Franz Büchner und Johannes Büchner) anschloss.[2] Seit 1898 hatte sie Versuche in der Jugendschriftstellerei unternommen, der sie sich nun verstärkt widmete. In der sogenannten Nanni-Trilogie (Großmutters Jugendland, Großmutters Mädchenjahre, Mutter Nanni und ihre Kinder), erschienen bei Herder/Freiburg 1920/1921, setzte sie vor allem ihrer Mutter Nanni ein literarisches Denkmal. 1936 griff sie in der Rückschau des Alters ihre teilweise bereits in Mutter Nanni und ihre Kinder dargestellten Jugenderinnerungen nochmals vertiefend auf und beschrieb ihr Heranwachsen in der kleinbäuerlichen Welt des Vorderhunsrücks in dem ebenfalls bei Herder erschienenen Erzählband Die klingende Kette. Drei Jahre später folgte Fernes Läuten, in dem sie Geschichten und historische Anekdoten aus Boppard sowie Eindrücke und Erlebnisse aus ihrer Zeit dort verarbeitete. In den Wirren alliierter Bombenangriffe auf das Münsterland zog sie sich 1943 schutzsuchend nach Reit im Winkl zurück, wo sie am 23. November 1944 verstarb und ihre letzte Ruhestätte fand.
Hugenottische Abstammung
In Die klingende Kette lässt Helene Pagés ihre Großmutter aus der Familiengeschichte erzählen: „Großmutter weiß von einem schlimmen Krieg in Frankreich. Und sie weiß, daß damals Balthasar Pagez, Sieur de la Lobatière, mit seiner Frau, unserer Urahne Pauline de la Pompie, und mit seinen Kindern von ihrem Gut bei Lyon flüchten mussten, weil sie Protestanten waren, die ihren Glauben nicht lassen wollten […], daß sie heimatlos und bitter arm waren, bis sie in Berlin vom preußischen König gern aufgenommen wurden und einen Seidenhandel beginnen durften. Und Großmutter erzählt mir von den Lützower Reitern mit dem Totenkopf am Tschako und von meinem Großvater, Isaak Wilhelm Pagés, und seinem jungen Bruder, die in ihren Reihen geritten sind und geholfen haben, Deutschland frei zu machen.“
1972 wies Friedrich-Weimar Steinfartz auf Balthasar Pagez als möglichen Urahnen hin, merkte aber an, dass wegen des nicht aufzufindenden Geburtsnachweises von Helenes Großvater Wilhelm die genealogische Kette zu diesem Vorfahren bislang nicht zu schließen ist.[3] Balthasar Pagez’ Geburtsdatum ist nur aus einem von zwei in der Familie erhaltenen militärischen Dokumenten, seine Mitwirkung bzw. Verdienste bei den Befreiungskriegen betreffend, bekannt. Um diese Dokumente und um einen vom Großvater hinterlassenen Säbel,[4] einen Orden, eine Gedenkmünze sowie um seine Totenmaske ranken sich Passagen in den Erzählungen Helene Pagés.
Balthazar Pagez, Sieur de la Lobatière ⚭ Pauline de la Pompie
↓ 3 Söhne[3]
Antoine Pagez,* 1655 Malbosc; † Prenzlau 23. November 1746
Philothée Pagez, * 1661/1662 Apotheker aus Chavagnac; † Prenzlau 21. September 1710
Baltazar de Pagez, * ?; † ?; ⚭ um 1678 in Vialas (Cevennen)
…
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Wilhelm Pagés, Preußischer Steuerinspektor in Koblenz, * 24. August 1790; † 13. Februar 1852; ⚭ Helene Kramer, * 28. Juni 1802; † 28. Januar 1871
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Franz Pagés, Wegeinspektor beim Bau der Straße Boppard-Simmern * 14. Dezember 1826 † 17. August 1908 ⚭ Anna (Nanni) Dörr * 14. Juli 1830 † 30. November 1918
↓
Helene Pagés
Großeltern mütterlicherseits der Helene Pagés sind:
Johann Georg Dörr, Lehrer in Kamp (Kamp-Bornhofen) und Horbach, * 18. Oktober 1800; † 1836; ⚭ Maria Anna Reh, * 7. Februar 1805; † 7. August 1879
Bedeutung
Helene Pagés veröffentlichte seit 1898 neben ihrer pädagogischen Tätigkeit zahlreiche erzählende Werke für Kinder und Jugendliche; insbesondere die in den Zwanzigerjahren erschienenen Bände Großmutters Jugendland, Großmutters Mädchentage und Mutter Nanni und ihre Kinder erfuhren bis in die Fünfzigerjahre Neuauflagen.
Als Vorsitzende der Literaturkommission im Verein katholischer deutscher Lehrerinnen gab sie jährliche Übersichten empfehlenswerten Jugendschrifttums heraus. Sie war Herausgeberin der Jugendschriftensammlungen Deutsches Gut. Hier veröffentlichte sie über 100 Hefte mit Texten aus deutscher und ausländischer Dichtung – und Erzählungen für Schulkinder. Dabei zählte sie u. a. Peter Dörfler und Joseph Bernhart zu ihren Mitarbeitern, die Lebensläufe und Einführungen zu schreiben hatten.[5]
Die klingende Kette und Fernes Läuten wenden sich vom Schreibstil her durchaus an Erwachsene und nahmen sehr bald für die Regionen Emmelshausen und Boppard – also Vorderhunsrück und Mittelrhein – den Rang von Heimatbüchern ein. Zwei Generationen vor Edgar Reitz hat Helene Pagés dem Heimatbegriff in Bezug auf den Hunsrück Gestalt und Inhalt gegeben.
Ehrungen
In Boppard erinnern ein Straßenname und eine Gedenktafel an der Ostwand des ehemaligen Karmeliterklosters, der späteren Bopparder Volksschule, an sie. Die Schule mit dem Förderschwerpunkt Lernen (SFL) in Boppard-Buchenau trägt den Namen „Helene-Pagés-Schule“[6] und auf dem Bopparder Friedhof ist ihr 2013 eine Gedenkstätte errichtet worden.[7]
Emmelshausen mit den Ortsgemeinden Leiningen und Schwall hat im Oktober 2013 eine Gedenkfeier anlässlich ihres 150. Geburtstags ausgerichtet und die Neuauflage von Die klingende Kette besorgt.[8] Im Kulturzentrum von Emmelshausen (ZaP) trägt ein Saal ihren Namen.[9]
Werke
Autorschaft
Die grüne Uniform, M.Gladbach [u. a.] 1898
Es muß, Boppard a. Rh. 1899
Der blinde Hannes, Boppard a. Rh. 1900
Christrosen, Limburg 1900
Maria, Limburg 1900
Sommermärchen. Marienkäfer, Limburg a. d. L. 1900
Wie Gretel Klug als Dienstmädchen den ersten Werktag und den ersten Sonntag in der Stadt verlebt hat, Limburg a. d. L. 1900
Am Sylvester, Limburg 1901
Gelobt sei Jesus Christus. Vom Mühlbächlein, Limburg 1901
Das häßliche Nannerl, Limburg 1902
Heimweh, Limburg 1902
Marthas Tagebuch, Münster 1902
Die heilige Agnes, Limburg 1903
Festspiel zur Jubelfeier, zum Namensfeste einer Lehrerin, Paderborn 1905
Theodor Körner, Limburg 1904
Das Märchen, Paderborn 1905
Kaiser Wilhelm II. und Kaiserin Auguste Viktoria 1881–1906, Limburg 1906
Marthas Ferien, Münster 1907
Peter in der Fremde, Münster i. W. 1908
Schwesterliebe, Münster in Westf. 1909
Gnadenjahr, Essen 1912
Dem Heiland entgegen, Dülmen 1913
Kaiser Wilhelm II. und Kaiserin Auguste Viktoria 1888–1913, Limburg 1913
Ein Büchlein von der Mode für junge Mädchen, Essen (Ruhr) 1914
Dem Heiland treu, Dülmen 1914
Onkel Gottfrieds Briefe aus Rom, Limburg 1914
Soldaten Christi auf dem Schlachtfeld und in der Heimat, Dülmen 1916
Wie der kranke Prinz gesund geworden ist, Limburg a. d. L. 1916
Deutsche Mädchen, Warendorf 1918
Jesus treu, Dülmen 1918
Aus Gottes Garten, Freiburg i. Br. 1919
Franzels Maialtar, Limburg a. d. Lahn 1919
Die Liebe drängt!, Donauwörth 1919
Großmutters Jugendland, Freiburg i. Br. 1920
Großmutters Mädchentage, Freiburg i. Br. 1920
Mutter Nanni und ihre Kinder, Freiburg i. Br. 1921
Zum Paradies, Steyl, Post Kaldenkirchen, Rhld. 1921
Christi Nachfolger. Ein Russe gefangen. Greift’s nur fest eini!, Limburg a. d. Lahn 1922
Kleine Buben und der große Krieg, Warendorf i. Westfalen 1922
Rettung, Limburg a.d. Lahn 1922
Schwester Else. Neues Leben, Limburg a. d. Lahn 1922
Wie der große und der kleine Andreas ihr Ansehen verloren und wiedergewonnen haben. Fröhliche Weihnacht, Limburg a. d. Lahn 1922
Frauenkrone und Mutterwürde, Steyl, Post Kaldenkirchen, Rhld. 1923
Das Wunderglöcklein, Limburg a. d. Lahn 1923
Von Godefried und Mechthildis, die kreuzfahren gingen, Freiburg i. Br. 1924
Christkind kommt, Paderborn 1925
Reihum, Einsiedeln 1925
Rodrigo, der Schiffsjunge des großen Kolumbus, Einsiedeln 1926
Der Einfalt. Um Mitternacht in der Dorfkirche, Limburg a. d. Lahn 1928
Kinder, Düsseldorf 1928
Das kleine Mädchen, Freiburg i. Br. 1928
St. Gertrud die Große, Steyl, Post Kaldenkirchen 1928
Die Geschichte des heiligen Philippus Neri, Freiburg i. B. 1929
Weißt du wie die Tiere leben?, Freiburg i. B. 1929
Christel geht zur Schule, Freiburg 1931
Frauen auf des Herren Kreuzweg, München 1931
Sonne, Sonne, scheine!, Essen 1931
Jubelt und seid froh, Freiburg 1932
Christel und der Wald, Freiburg 1933
Die Geschichte der heiligen Rosa von Lima, Freiburg 1933
Matz, der Bub, Freiburg 1935
Der Mutter, Paderborn 1935
Die klingende Kette, Freiburg i. Br. 1936, Neuauflage 2013, Verlagsgruppe Husum
Fernes Läuten, Freiburg 1939
Das Geheimnis um Monika, Freiburg 1940
Herausgeberschaft
Balladen, Düsseldorf 1909 (herausgegeben zusammen mit Elisabeth Nieland)
Lyrik, Düsseldorf 1912 (herausgegeben zusammen mit Elisabeth Nieland)
Ehrenpreis, Freiburg im Breisgau 1913
Komm heiliger Geist, Freiburg i. Br. 1920
Der Mutter zum Preis, Paderborn 1927
Unser Weihnachtsbuch für klein und groß, Freiburg i. Br. 1927
Literatur
Paul Kämpchen: Helene Pagés. Zur Erinnerung an die Jugend- und Heimatschriftstellerin. (= Bopparder Beiträge zur Heimatkunde. 3). Keil, Boppard/Rhein 1964.
Achim R. Baumgarten: Helene Pagés In: ders.: Hunsrück. 55 historische Persönlichkeiten. Außergewöhnliche Biografien und bewegende Schicksale. Sutton, Tübingen 2024, ISBN 978-3-96303-488-6, S. 78f.
↑Paul Kämpchen: Helene Pagés. Zur Erinnerung an die Jugend- und Heimatschriftstellerin. Boppard 1964, S. 11.
↑Paul Kämpchen: Helene Pagés. Zur Erinnerung an die Jugend- und Heimatschriftstellerin. Boppard 1964, S. 19.
↑ abFriedrich-Weimar Steinfartz: Legende oder Wirklichkeit? Wilhelm Pagés – Lützower Jäger und Hugenotten-Abkömmling. In: Archiv für Sippenforschung, Heft 45, Februar 1972.
↑Hildegard Tschenett: Helene Pagés. Zum 150. Geburtstag der verdienten Pädagogin und Schriftstellerin. In: Rund um Boppard, Journal Nr. 118, 2013, S. 1.
↑Paul Kämpchen: Helene Pagés. Zur Erinnerung an die Jugend- und Heimatschriftstellerin. Boppard 1964.
↑Jürgen Johann: Der Weiße Sonntag, Helene Pagés und die Heilige Imelda. In: Rund um Boppard. Nr.16, 2004, S.16–17.