Der Heidelberger Studentenkuß ist ein Konfekt aus Nougat, der von einer Zartbitter-Kuvertüre umhüllt wird. Hergestellt wird das Produkt seit 1863 von der ältesten Schokoladenmanufaktur Heidelbergs, der Chocolaterie Knösel.[1]
Im 19. Jahrhundert konnten sich junge Frauen häufig nur in Begleitung von Gouvernanten, älteren Schwestern oder Tanten in der Öffentlichkeit bewegen. Ein Kontakt mit gleichaltrigen Männern war also nur unter Aufsicht einer Anstandsdame möglich. Das Café Knösel am Marktplatz wurde zu einem beliebten Treffpunkt von jungen Damen der Heidelberger Mädchenpensionate, aber auch von Studenten der Ruprecht-Karls-Universität.[1]
Der Konditormeister und Betreiber Fridolin Knösel erfand im Gründungsjahr seines Cafés, 1863, eine Schokoladenpraline mit einer Praline-Nougat-Schokoladen-Füllung auf dem Boden einer feinen Waffel mit Zartbitter-Kuvertüre. Das Gewicht des Studentenkuß beträgt mittlerweile 20 g, bis vor wenigen Jahren noch 30 g,[2] der Durchmesser etwa Talergröße (5,5 cm). Der Clou bei dieser Studentenkuß genannten Süßigkeit war aber die Verpackung: eine kleine Schachtel, in der das Konfekt als galantes, harmloses Geschenk erschien – vielleicht mit einer handschriftlichen Botschaft, die von der Begleitung nicht eingesehen werden konnte.[1]
Die Nachbarstadt Mannheim kennt mit dem Mannemer Dreck eine ähnlich in der Stadtgeschichte verankerte Süßigkeit. Der ungewöhnliche Name soll auf eine 1822 bzw. 1838 erlassene Vorschrift zurückgehen. Das erste Rezept ist allerdings erst für 1862 belegt, fast zeitgleich zum Studentenkuß, und geht auf den Konditor Carl Herrdegen zurück.[3]
Vertrieb
Der Heidelberger Studentenkuß wird nur in Heidelberg selbst an einigen Verkaufsstellen angeboten und kann ansonsten per Postsendung erhalten werden. Die Schachtel enthält neben dem Konfekt und seiner Verpackung auch eine deutsche Beschriftung und kann auch mit neun weiteren Sprachen, darunter Chinesisch, Japanisch und Russisch, gekauft werden. Die Verpackung ist mit einem Scherenschnitt verziert und zeigt einen Studenten einer Studentenverbindung mit Studentenmütze und eine junge Frau – kurz vor dem Kuss. Dieses Bild ist ebenso Aushängeschild des Cafés.
Zudem verfasste die taiwanesische Sängerin und Autorin Zheng Huajuan (郑华娟) 1998 ein Buch namens Kuß von Heidelberg (年 «海德堡之吻»)[11], eine Liebesgeschichte, die das Konfekt und die damit verbundene Vorstellung des romantischen Deutschland zentral mit einbezieht. Es kam in Taiwan mit 70.000 verkauften Exemplaren auf die Bestsellerlisten.[11] Der Heidelberger Verkehrsverein ehrte sie 2003 mit dem Mark-Twain-Preis für Reisejournalismus, der typischerweise für Journalisten und Autoren vergeben wird, die Heidelberg in ihren Werken positiv darstellen.[11][12] In Nancy Jane Lehmanns Haunting Heidelberg, einem Gedichtband in englischer Sprache, der 2008 in einem Heidelberger Verlag erschien, ist der Kuß ebenso verewigt.[13] Eher kritisch – als Zeichen der zuckersüßen Heidelberger Demenz – wurde der Kuß von Thomas C. Breuer verewigt.[14]
↑Susanne Fiek: Heidelberg zu Fuß. Die schönsten Sehenswürdigkeiten zu Fuß entdecken. Societäts-Verlag, Frankfurt am Main 2012, ISBN 978-3-942921-51-0, S. 136 f.
↑Fodor's 05 Germany Fodor's Fodor's Travel Publications, 1. Dezember 2004
↑The Rough guide to Germany Gordon McLachlan Rough Guides, 2004 – 1104 Seite
↑Merian Heidelberg, Band 37 Hoffmann und Campe., 1984
↑Torsten Lüdtke: Von der Heidelberger Romantik zur Romantik Heidelbergs – Eine Stadt zwischen Kunst, Kitsch und Korporationen. In: Constanze Carcenac-Lecomte u. a. (Hrsg.): Steinbruch. Deutsche Erinnerungsorte. Annäherung an eine deutsche Gedächtnisgeschichte. Peter Lang, Frankfurt am Main 2000, ISBN 3-631-36272-2, S. 187–199, hier S. 198.