Hanna Bieber-Böhm war die älteste von sieben Schwestern, so dass sie ihre Schwestern nach dem Tod der Mutter mit erziehen musste. Sie studierte von 1870 bis 1873 an der Kunstschule in München und Berlin. 1888 heiratete sie in Berlin den sieben Jahre jüngeren jüdischen Rechtsanwalt Richard Bieber. Die Ehe blieb kinderlos. Nach ihrer Heirat widmete sie sich in Berlin der Wohlfahrtspflege. Ihr besonderes Interesse galt der Sittlichkeitsfrage. Sie war Mitbegründerin des später von der Stadt übernommenen Realgymnasiums für Mädchen in Berlin-Charlottenburg.[2] Sie gründete gemeinsam mit ihrem Mann 1888/89 den Sittlichkeitsverein „Jugendschutz“, der sich für die Rettung „gefallener Mädchen“ und „verführter Männer“ engagierte und gegen die staatliche Regulierung der „Unsittlichkeit“ (Prostitution) eintrat. Damit verfolgte sie zwar ähnliche Ziele wie Abolitionistinnen wie Anita Augspurg, vertrat aber insgesamt eine wesentlich konservativere Linie. Ihrer Ansicht nach wurde die Prostitution vor allem durch mangelnde Moral verursacht. Sie forderte die Bestrafung der Prostituierten und ihrer Kunden. Minderjährige Prostituierte sollten in Erziehungsanstalten gebessert werden. Die Heime waren mit Haushaltungsschulen verbunden, um die Bewohnerinnen für ihr späteres Leben vorzubereiten, und in allen drei Einrichtungen war der Genuss von Alkohol verboten.
Eines der Verdienste Bieber-Böhms besteht darin, dass sie die Prostitution in der Frauenbewegung zum Thema machte, obwohl das Thema als „schmutzig“ galt. Auch gründete sie mehrere Kindergärten.
Bieber-Böhm gehörte zum ersten Vorstand des Bundes Deutscher Frauenvereine (BDF). Als Mitglied der Rechtskommission des BDF war sie mitverantwortlich für eine Petition im Rahmen der Revision des Entwurfs des bürgerlichen Gesetzbuches. Darin forderte der BDF
die Einführung der Gütertrennung in der Ehe, damit die Ehefrauen in Zukunft über ihr in die Ehe eingebrachtes Vermögen selbst entscheiden könnten
Sie unterstützte als Herausgeberin des Flugblatts Frauen-Landsturm im Juni 1896 die Protestaktionen gegen den Gesetzentwurf zum Familienrecht.[3]
Von ihrem väterlichen Erbe kaufte sie 1902 das umgebaute Winzerhaus auf dem Priorsberg in Neuzelle an der Oder (Niederlausitz) und richtete ein Ferienerholungsheim ein.[4] Dieses ist heute ein Internat.
Ihr zu Ehren wurde in Neuzelle ein Grabmal im Jugendstil errichtet, in dem ihre Urne beigesetzt wurde.[5]
Werke
Dunkle Bilder (Gemälde mit Silhouetten) – Band 1, 1874
Dunkle Bilder (Gemälde mit Silhouetten) – Band 2, 1881
Märchenbilder, nach 1881
26.000 Schlafstellen! Ein Hilferuf… Gefahren der ersten Kinderjahre – Druck eines Vortrages 1890
Vorschläge zur Bekämpfung der Prostitution – Druck eines Vortrages 1895 als Anlage zur oben genannten Petition
Die Sittlichkeitsfrage, eine Gesundheitsfrage – Druck eines Vortrages 1896
Literatur
Petra Schmackpfeffer: Frauenbewegung und Prostitution. Über das Verhältnis der alten und neuen deutschen Frauenbewegung zur Prostitution. Oldenburg 1989; uni-oldenburg.de
↑Tanja-Carina Riedel: Gleiches Recht für Frau und Mann. Die bürgerliche Frauenbewegung und die Entstehung des BGB. Böhlau, Köln 2008, ISBN 978-3-412-20080-0, S. 465 f. (= Rechtsgeschichte und Geschlechterforschung, Band 9).