Giordano BrunoGiordano Bruno (* Januar 1548 in Nola als Filippo Bruno; † 17. Februar 1600 in Rom) war ein italienischer Priester, Dichter, Mönch, Philosoph und Astronom. Er wurde durch die Inquisition der Ketzerei und Magie für schuldig befunden und im Jahr 1600 vom Gouverneur von Rom zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Am 12. März 2000 erklärte Papst Johannes Paul II. nach Beratung mit dem päpstlichen Kulturrat und einer theologischen Kommission, die Hinrichtung sei nunmehr auch aus kirchlicher Sicht als Unrecht zu betrachten. Bruno ist bekannt für seine kosmologischen Vorstellungen, die das damals neue kopernikanische Modell gedanklich erweiterten: So schlug er vor, dass die Sterne ferne – von ihren eigenen Planeten umgebene – Sonnen seien, und stellte die Möglichkeit in den Raum, dass diese Planeten eigenes Leben hervorbringen könnten. Bruno bestand auch darauf, dass das Universum unendlich sei und kein „Zentrum“ habe. Darüber hinaus postulierte er eine ewige Dauer des Universums. Damit stellte er sich der damals herrschenden Meinung einer in Sphären untergliederten geozentrischen Welt entgegen. Diese Auffassungen spielten jedoch im Inquisitionsprozess keine Rolle, obwohl Bruno sie selber im Verlauf des Prozesses äußerte.[1] Schwer wogen allerdings die Unvereinbarkeit seiner pantheistischen Thesen mit der Lehre der Dreifaltigkeit, dem christlichen Gottesbegriff und der Menschwerdung Christi.[2][3] LebenJugendGiordano Bruno wurde im Jahre 1548 unter dem Namen Filippo Bruno in Nola bei Neapel geboren. Von seinem Heimatort ist seine spätere Selbstbezeichnung „Nolano“ (der Nolaner) abgeleitet. Sein Vater war Giovanni Bruno, ein Soldat, seine Mutter Fraulissa (Flaulisa?) Savolino. Bruno studierte zunächst ab 1562 in Neapel (privat und in öffentlichen Vorlesungen) und trat am 15. Juni 1565 in den Orden der Dominikaner ein, und zwar in das Kloster San Domenico Maggiore, wo er den Taufnamen Filippo ablegte und den Ordensnamen Jordanus/Giordano (nach dem zweiten Ordensmeister Jordan von Sachsen) annahm. Bald darauf (1566/67) geriet er in Konflikt mit der Ordensleitung, da er sich der Marienverehrung verweigerte[4] und Heiligenbilder verschenkt hatte. Doch wurde dies als jugendliche Verirrung aufgefasst und blieb zunächst folgenlos.[5]:36 1572 empfing er die Priesterweihe. Er studierte als Mönch ab 1566 Philosophie und absolvierte 1570 bis 1575 ein Studium der Theologie, das er mit einer Verteidigung der Summa contra gentiles von Thomas von Aquin und der Sentenzen von Petrus Lombardus abschloss. VerbannterFlucht aus Italien1576 geriet er zum ersten Mal unter Verdacht der Ketzerei und musste Neapel verlassen. Grund waren Zweifel an der Inkarnation von Christus und arianische Ansichten und die Lektüre der Kirchenväter in der Ausgabe von Erasmus von Rotterdam.[6] Er floh nach Rom, um sich dem Papst zu Füßen zu werfen. Als dort jedoch bekannt wurde, dass Bruno bei seiner Flucht aus dem Kloster Schriften des Kirchenvaters Hieronymus in die Latrine geworfen hatte, musste er auch aus Rom fliehen. Er trat aus der Ordensgemeinschaft aus und reiste nach Noli und Savona (Ligurien), dann nach Turin, Venedig (wo er seine verlorene Abhandlung De segni de tempi veröffentlichte) und Padua weiter. Er wohnte dabei oft bei Dominikanern und erteilte Privatunterricht in Astronomie. Brunos Leben wurde fortan zu einer Wanderschaft durch Europa. Die wiederentdeckten Ideen der antiken Naturphilosophie übten große Anziehung auf ihn aus. Zu dieser Zeit begann sich das von Nikolaus Kopernikus postulierte heliozentrische Weltbild durchzusetzen. Hierdurch ermutigt, entwickelte Bruno im Laufe der folgenden Jahre seine eigene Philosophie. Genf, Frankreich, England1578 hatte Giordano Bruno Italien, wo er zuletzt in Mailand war, verlassen und machte sich auf den Weg nach Lyon. Über Chambéry erreichte er im Spätherbst 1578 Genf, wo seit Johannes Calvins Tod Théodore de Bèze dessen Nachfolge angetreten hatte. Bruno arbeitete als Korrektor bei einem Drucker und wurde im Mai 1579 an der Universität registriert. Durch Calvin war die Stadt zu einem protestantischen Zentrum geworden. Bruno trat der calvinistischen Kirche bei und hoffte, so Schutz vor der römischen Inquisition zu finden. Infolge unüberbrückbarer theologischer Differenzen wurde Bruno im August 1579 für kurze Zeit inhaftiert und mit Maßnahmen der calvinistischen Kirchenzucht belegt. Denn einige Positionen des Calvinismus fanden seine Kritik, so verfasste und verbreitete er eine Streitschrift gegen den Philosophieprofessor Antoine de La Faye (1540–1615), einen führenden Calvinisten, letztlich die Ursache seiner kurzzeitigen Inhaftierung. Um freizukommen, widerrief er. Bruno verließ schließlich Genf und zog 1579 nach Toulouse, wo er zunächst Privatvorlesungen in Astronomie abhielt. Er erwarb seinen Magister artium und wurde Ordentlicher Lektor für Philosophie an der Universität von Toulouse. Unter anderem hielt er Vorlesungen über Aristoteles (De Anima) ab. Zu dieser Zeit begann sein phänomenales Gedächtnis Furore zu machen – Bruno arbeitete offenbar mit einer speziellen Mnemotechnik. Zeitgenossen erklärten sich seine Fähigkeiten freilich mit magischen Fähigkeiten. Als 1581 die Konflikte zwischen Hugenotten und Katholiken (Hugenottenkriege bzw. Siebter Hugenottenkrieg) wieder heftiger wurden, verließ Bruno Toulouse und ging nach Paris. Dort blieb er bis 1583 und wurde von König Heinrich III. gefördert. Er hielt private Vorlesungen über die Attribute Gottes. Mit einem Empfehlungsschreiben Heinrichs III. an den französischen Botschafter Michel de Castelnau (um 1520–1592) ging er 1583 nach England, versuchte zunächst in Oxford zu lehren, verursachte mit seinen Angriffen auf Aristoteles und wegen eines Plagiatsvorwurfs[7] jedoch einen Skandal und erhielt keinen Lehrstuhl. Bis Mitte 1585 lebte er dann im Haus seines Freundes und Förderers Michel de Castelnau in London. Er machte Bekanntschaft mit Philip Sidney und mit Mitgliedern von John Dees hermetischem Zirkel. Ob Bruno John Dee persönlich begegnete, bleibt ungewiss. Seine Ansichten setzten in Oxford eine intensive Kontroverse in Gang, an der John Underhill, der Rektor des Lincoln College und spätere Bischof von Oxford, sowie George Abbot, der spätere Erzbischof von Canterbury, beteiligt waren. Dort veröffentlichte er seine „italienischen Dialoge“, darunter Cena de le Ceneri (Das Aschermittwochsmahl, 1584), in denen er schonungslose Polemik gegen den Oxforder Gelehrtenstand übte und das Londoner Geistesleben heftig karikierte, sowie De l’Infinito, Universo e Mondi (Über die Unendlichkeit, das Universum und die Welten). In letzterem Werk erklärte er die Sterne damit, dass sie wie unsere Sonne seien, dass das Universum unendlich sei, es eine unendliche Anzahl von Welten gebe und diese mit einer unendlichen Anzahl intelligenter Lebewesen bevölkert seien. Bruno konnte in England nicht die erhoffte Förderung durch Philip Sidney oder die Königin erhalten und ging 1585 im Gefolge des Botschafters Castelnau wieder nach Paris, die Stimmung dort war aber nicht so aufgeschlossen wie noch zwei Jahre zuvor. Nach Tumulten, die durch seine 120 Thesen gegen die aristotelische Naturlehre und ihre Vertreter entfacht wurden, über die er am Collège de Cambrai eine öffentliche Disputation organisiert hatte, und nach einer Schmähschrift gegen den Mathematiker Fabrizio Mordente musste er im Juni 1586[5]:190 Paris verlassen. Deutschland, Prag, Genf, ZürichBruno reiste nach Deutschland. Nach kurzen Aufenthalten in Mainz und Würzburg immatrikulierte er sich am 25. Juli an der Universität Marburg, wo ihm Rektor Petrus Nigidius aber die Erlaubnis verweigerte, öffentliche Vorlesungen über Philosophie zu halten.[5]:192 Im Sommer 1586 kam Bruno nach Wittenberg. Auf Fürsprache des Juristen Alberico Gentili wurde er als außerordentlicher Professor an der Artistenfakultät der Universität Wittenberg aufgenommen[8] und erhielt das Recht auf freie Vorträge über Philosophie. Bruno hielt nachweislich Vorlesungen über das Organon des Aristoteles und über Rhetorik. In Wittenberg erschienen 1587 zwei Bücher[9] über Logik und Gedächtniskunst, die Bruno dem Kanzler der Universität Georg Mylius widmete. Beide Werke beziehen sich auf den mallorquinischen Philosophen Ramon Llull und behandeln Fragen und Techniken der Logik. Am 8. März verließ Bruno die Stadt und ging für ein halbes Jahr nach Prag an den Hof Kaiser Rudolfs II. Vor der Inquisition gab Bruno später an, das Erstarken der Calvinisten an der Universität habe ihn aus Wittenberg vertrieben; Volker Reinhardt bezweifelt dies und sieht den Grund für den Weggang in Brunos prekärer finanzieller Lage: Er hatte keine feste Anstellung und keine sicheren Einnahmen, aber erhebliche Ausgaben für den Druck seiner Bücher. In Prag bemühte sich Bruno intensiv um die Gunst des Kaisers. Er ließ das Buch Articuli centum et sexaginta adversus huius tempestatis mathematicos atque philosophos (160 Artikel gegen die Mathematiker und Philosophen dieser Zeit) drucken, das von Brunos Kosmologie handelte und den Mathematikern vorwarf, sie hätten versäumt, die Analogie zwischen Makrokosmos und Mikrokosmos zu beweisen. In der Vorrede wandte er sich direkt an den Kaiser, aber statt der ersehnten Anstellung am Hof erhielt er am Ende 300 Taler als eine Art Abschiedsgeschenk. „Selbst am schillerndsten Hof Europas gab es keinen Platz für den Nolaner“[5]:208–213 Bruno wandte sich nach Tübingen, wo er im November 1588 als „ein gewisser Italiener, der aus religiösen Gründen vertrieben wurde“ vom Senat der Universität abgelehnt wurde.[10] Am 13. Januar 1589 schrieb sich „Jordanus Brunus Nolanus Italus“ an der Academia Julia in Helmstedt ein, erhielt aber weder eine Anstellung noch einen Lehrauftrag. Der einzige nachweisbare öffentliche Auftritt ist die „Trostrede des Giordano Bruno“ auf den Tod des Herzogs Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel, die er am 1. Juli 1589 hielt. Mit dem Tod des Herzogs verlor Bruno einen Fürsprecher, so dass sich nun der Zorn der Theologieprofessoren gegen Bruno entladen konnte. Der Superintendent Heinrich Boethius exkommunizierte Bruno in einer öffentlichen Predigt.[11] Daraufhin beschwerte sich Bruno am 6. Oktober beim Rektor der Universität, Daniel Hofmann, der selbst ein Vertreter der lutherischen Orthodoxie war und die Beschwerde ignorierte.[12][5]:213–221 Bruno blieb noch bis April 1590 in Helmstedt und verfasste die Werke De Magia (Über Magie) und Theses de Magia (Thesen über die Magie). Darin unterscheidet er neun verschiedene Bedeutungen von Magie. Besondere Aufmerksamkeit widmete er der magia naturalis, die er als Naturbeherrschung durch Naturerkenntnis verstand und die damit zu den frühen Erscheinungsformen der Naturwissenschaft zu rechnen ist.[5]:222–223 Wo immer Bruno sich um eine feste Professur bewarb, scheiterte er früher oder später. Sein Geschick, sich in den komplizierten Machtverhältnissen der Renaissance zu behaupten, war zwiespältig: Einerseits gelang es ihm immer wieder, mächtige Gönner für sich zu gewinnen. Andererseits schuf er sich auf dem theologisch-philosophischen Schlachtfeld durch rücksichtslose Polemik und beißenden Spott, durch seine kompromisslose Gegnerschaft zu Aristoteles und seine vielfache Missachtung der kirchlichen Lehre erbitterte Feinde. Nach diesen Misserfolgen an Universitäten und Fürstenhöfen gab Bruno die Hoffnung auf, eine Anstellung zu finden, die ihm freies Denken und Schreiben erlaubte. Publikationen und Vorträge blieben die einzige Möglichkeit, sich über Wasser zu halten. Ende April 1590 verlässt Bruno Helmstedt, um in Frankfurt die Veröffentlichung seines kosmologischen Hauptwerks, der Frankfurter Trilogie, vorzubereiten. Er bittet den Frankfurter Senat, im Haus seines Verlegers Johann Wechel (1549–1593) wohnen zu dürfen. Der Senat entschied am 2. Juli 1590, „Jordanus Brunus Nolanus, Gelehrter der Naturphilosophie, mögen seinen Pfennig anderswo verzehren“. Ab Juli 1590 lebte Bruno jedoch im Frankfurter Karmeliterkloster unter, das durch ein kaiserliches Privileg dem Zugriff der weltlichen Obrigkeit entzogen war.[5]:229 Als Korrektor überwachte er die Drucklegung seiner Werke und hielt öffentliche Vorträge. Ursprünglich sollten alle drei Schriften in einem Band erscheinen, doch konnte zur Ostermesse 1591 nur Il triplici minimo et la misura ad trium speculativarum scientiarum et multarum activarum (Das dreifache Minimum und das Maß) erscheinen, da Bruno Anfang 1591 auf Einladung von Züricher Alchemisten plötzlich abreiste. Er kehrte dann noch einmal nach Frankfurt zurück, so dass die beiden anderen kosmologischen Schriften De monade, numero et figura (Über die Monade, die Zahl und die Figur) und De innumerabilibus, immenso et infigurabili (Vom Unzählbaren, Unermesslichen und Unvorstellbaren) sowie die Abhandlung über die Gedächtniskunst De imaginum, signorum et idearum compositione (Über die Komposition von Bildern, Symbolen und Ideen) erst zur Herbstmesse 1591 fertiggestellt wurden.[13][14] Rückkehr nach Italien und VerhaftungDie Professur für Mathematik an der Universität Padua war seit einigen Jahren vakant und Bruno rechnete sich gute Chancen auf diese Stelle aus, zumal die Universität, die dem venezianischen Senat unterstand, eine weitgehende Autonomie genoss. Im Frühjahr 1591 überbrachte der venezianische Buchhändler Giovanni Battista Ciotti, der die Frankfurter Buchmesse besuchte, Giordano Bruno zwei Briefe des venezianischen Patriziers Zuane Mocenigo. Er lud ihn in seinen Palast ein und versprach ihm eine gute Bezahlung, wenn er ihn in die Geheimnisse des Gedächtnisses und andere Mysterien einweihen würde.[15]:694 Im August 1591 betrat Giordano Bruno das Gebiet der Republik Venedig, hielt sich kurze Zeit in Venedig auf und ging dann nach Padua, wo er Vorlesungen über Geometrie und Algebra hielt, um sich für den Lehrstuhl für Mathematik zu empfehlen, der jedoch 1592 an Galileo Galilei ging. Im März 1592 zog Bruno in den Palazzo Mocenigo Ca’ Vecchia ein und unterrichtete seinen Gastgeber Zuane Mocenigo. Dass Giordano Bruno im Spätsommer 1591 nach Italien zurückkehrte, überraschte nicht nur seine Zeitgenossen. Doch es gab Gründe, warum ihm die Republik Venedig als ein relativ sicherer Zufluchtsort erscheinen konnte. In Venedig war der Klerus weitgehend in die staatliche Ämter- und Behördenorganisation integriert und staatlicher Kontrolle unterworfen. „Insgesamt tendierte die Politik der etwa dreihundert Patrizier, die bei der politischen Ausrichtung der Republik ein gewichtiges Wort mitzureden hatten, dazu, die Unabhängigkeit von Rom in Kirchen- und Religionsfragen zu einem unantastbaren Grundprinzip zu erheben und Forderungen, die ihr widersprachen, nicht nachzugeben. … der Nolaner [zog] daraus offenbar den Schluss, dass er durch diese Politik vor einem römischen Zugriff dauerhaft geschützt sei.“[5]:242 Im Mai äußerte Bruno die Absicht, nach Frankfurt zurückzukehren, um ein neues Werk über die Sieben freien Künste drucken zu lassen, es dann in Rom dem Papst zu überreichen, dabei seinen Fall darzulegen und Absolution zu erhalten. Denn von dem Anfang 1592 gewählten Papst Clemens VIII. erwartete er eine Art Generalbereinigung, bei der nicht nur der zum Katholizismus übergetretene Heinrich von Navarra wieder in den Schoß der Kirche aufgenommen, sondern auch ihm selbst die Rückkehr in die katholische Kirche gewährt werden sollte. Es spricht sogar einiges dafür, dass Brunos Erwartungen so weit gingen, „… den neuen Papst von der Wahrheit der Philosophia Nolana zu überzeugen und damit seinen großen Plan, die Welt in einer vernünftigen Religion zu vereinen, ein entscheidendes Stück voranzubringen.“[5]:245–247 Brunos Gastgeber drohte, er werde Mittel und Wege finden, die Abreise zu verhindern. Als Bruno dennoch am Abend des 22. Mai Reisevorbereitungen traf, drang Mocenigo mit einigen Gondilieri in Brunos Zimmer ein und sperrte ihn in eine Dachkammer. Am nächsten Tag denunzierte er ihn bei der Inquisition und beschuldigte ihn der Religionsverachtung, der Leugnung der Trinität und der Jungfräulichkeit Mariens, der blasphemischen Äußerungen über Christus, des Zweifelns an der Transsubstantiation, der Behauptung, die Welt sei ewig und es gebe unendlich viele Welten, des Glaubens an die Seelenwanderung und der Ausübung von Wahrsagerei und Magie. Als Zeugen nannte er den Buchhändler Ciotti und den angesehenen Historiker Andrea Morosini, in dessen Akademie Bruno nehrmals zu Gast gewesen war. Am Abend des 23. Mai wurde Giordano Bruno im Palazzo Mocenigo verhaftet. Am 25. und 29. Mai übersandte Mocenigo zwei weitere Anklageschreiben.[5]:248–252, 266 Guido del Giudice, Experte für das Werk Giordano Brunos, sieht deutliche Indizien dafür, dass Bruno gezielt nach Venedig gelockt wurde, um ihn vor der Inquisition anzuklagen: Der Plan dazu stammte von dem Generalmeister des Dominikanerordens Ippolito Maria Beccaria da Monteregale und dem venezianischen Inquisitor Giovanni Gabriele da Saluzzo und war mit dem Heiligen Offizium in Rom abgesprochen. Zuane Mocenigo stand unter dem Einfluss des Inquisitors. Der Buchhändler Ciotti sorgte durch ein gemeinsames Geschäft mit dem Frankfurter Verleger Johann Wechel für die Verbreitung von Brunos Büchern in Venedig und war deshalb erspressbar.[16] Inquisitionsprozess in VenedigDas venezianische Inquisitionstribunal bestand im Kern aus dem Inquisitor Gabriele da Saluzzo, dem Apostolischen Nuntius Ludovico Taverna und dem Patriarchen von Venedig Lorenzo Priuli. Als Ausdruck der kirchenpolitischen Sonderstellung Venedigs nahmen an den Verhandlungen bis zu drei Laien teil, die jährlich vom Dogen ernannt wurden. Ihre Aufgabe war es, die politischen Ämter über den Prozessverlauf zu informieren und auf die Rechtmäßigkeit des Verfahrens, die Wahrung der Souveränitätsrechte der Republik Venendig und die Zurückweisung römischer Ansprüche und Forderungen zu achten, notfalls konnten sie den Prozess unterbrechen.[5]:259–260 Im kirchlichen Inquisitionsprozess war der Inquisitor Ankläger, Ermittler und Richter in einer Person. Zum Beweis von Schuld oder Unschuld waren nur Zeugenaussagen zugelassen, Sachbeweise hatten keine Gültigkeit. Die Namen der Zeugen wurden geheim gehalten, die Anwendung der Folter war erlaubt. Der Prozess gegen Bruno begann drei Tage nach seiner Verhaftung. In den Aussagen über seinen Lebensweg verschwieg er seine Verbindungen zum Protestantismus und andere für die Anklage schwer zu beweisende Tatsachen, betonte dagegen seine Anstellungen an den katholischen Universitäten von Toulouse und Paris sowie die Gunstbezeugungen durch König Heinrich III. von Frankreich und Kaiser Rudolf II. Bruno legte größten Wert auf die Feststellung, dass er in seinen Büchern und Vorlesungen ausschließlich auf dem Gebiet der Philosophie argumentiert und deren Wahrheitsanspruch stets den höheren Wahrheiten der katholischen Kirche untergeordnet habe. Auch im theologischen Kreuzverhör verleugnete er seine Philosophie nicht, stellte sie aber so dar, dass die Richter ihn für einen enthusiastischen Phantasten mit harmlosen Visionen halten mussten. „Ich halte es der göttlichen Güte und Macht für unwürdig, dass sie trotz ihrer Fähigkeit, über diese Welt hinaus eine andere Welt und unzählige Welten zu schaffen, nur eine einzige hervorgebracht habe. Daher habe ich erklärt, dass es unzählige Einzelwelten gibt. … Und ich behaupte weiter, dass alle diese Himmelskörper Welten sind und dass ihre Zahl unendlich ist, dass sie also eine unendliche Unversalität in einem unendlichen Raum bilden …, woraus man einen Widerspruch zur Wahrheit gemäß dem Glauben ableiten kann.“[17]:167 Alle Zeugen sagten zu Gunsten Brunos aus, dass sie die ketzerischen Reden nur vom Hörensagen kannten und dass sie Zweifel an der Denunziation hegten, weil sie aus niederen Motiven erfolgt sei. Nach zwei Wochen intensiver Verhöre hatten die Inquisitoren keine verwertbaren Beweise für eine Häresie in der Hand, sie konnten ihm keine Straftaten auf venezianischem Gebiet nachweisen, die Vorgänge im Palast Mocenigo waren nicht mehr zu ermitteln. Sofern das Gericht keine weiteren Nachforschungen anstellte, konnte Bruno mit einer zeitlichen Gefängnisstrafe und der Ausweisung aus der Republik Venedig rechnen. Nach einer achtwöchigen Pause wurde Bruno am 30. Juli 1592 erneut verhört, da sein Abfall von der Kirche über so viele Jahre einen tieferen Konflikt mit der Glaubenslehre vermuten ließ. Der Angeklagte beteuerte noch einmal, dass er wegen des schweren Verdachts der Häresie, den er auf sich geladen habe, immer große Gewissensbisse und schon lange die Absicht gehabt habe, sein Leben neu auszurichten. Am Ende bat Bruno auf Knien, man möge ihn streng verurteilen, ihm aber das Leben lassen, damit er den Skandal, den er verursacht habe, wieder gutmachen könne.[17]:196, 199 Damit war das Verfahren in Venedig abgeschlossen und der venezianische Inquisitor sandte Kopien aller Prozessakten nach Rom. Am 12. September antwortete der römische Großinquisitor Giulio Antonio Santorio: Der Angeklagte Giordano Bruno gehöre vor das römische Tribunal und müsse nach Rom überstellt werden. „Damit wurde der Fall Bruno endgültig zum Politikum. Von jetzt an ging es nicht mehr vorrangig um das, was er gesagt und geschrieben haben sollte und wie er heute dazu stand, sondern um eine Machtprobe zwischen Venedig und Rom und zugleich um eine ideologisch hochgradig befrachtete Grundsatzentscheidung. Wie unabhängig war der Staat von der Kirche?“[5]:280 Bereits 1327 hatte der Papst die Lehre des Marsilius von Padua von der natürlichen Entstehung und Existenzberechtigung des Staates als Häresie verurteilt. Doch im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts spitzte sich die Auseinandersetzung zwischen Venedig und Rom zu: Auf katholischer Seite verbreitete Roberto Bellarmino die Lehre, dass ein gottgefälliges Regieren nur möglich sei, wenn die Politik an die katholische Heilslehre gebunden und unter kirchliche Aufsicht gestellt werde. Auf diese Kampfansage antwortete der venezianische Staatsmann Paolo Paruta mit der Verteidigung der Autonomie des Staates: Der Mensch sei in der Lage, aus eigener Kraft, ohne die Hilfe der Kirche, einen guten und gerechten Staat aufzubauen und zu regieren. Das venezianische Inquisitionsgericht beantragte die Überstellung Brunos an das Heilige Offizium und legte am 28. September sein abschließendes Urteil vor: „Giordano Bruno aus Nola, angeklagt nicht nur als Ketzer, sondern sogar als Erzketzer, hat diverse Bücher verfasst, in denen er die Königin von England und andere ketzerische Fürsten sehr lobt, und schrieb verschiedene Dinge zur Religion, die nicht konform waren, allerdings auf philosophische Weise. Zudem ist er Apostat, nämlich ehemaliger Dominikaner, hat viele Jahre in Genf und England gelebt, zudem wurde in Neapel und an anderen Orten wegen derselben Vorwürfe gegen ihn ermittelt.“[18] Doge, Kleiner Rat und Senat sprachen sich gegen seine Auslieferung aus: „Weil diese Überstellung … der Autorität des venezianischen Inquisitionsgerichtes schweren Abbruch tun, für alle Zeiten ein schlechtes Beispiel geben und unseren Untertanen schweren Schaden zufügen würde.“[19] Am 22. Dezember 1592 hielt der Apostolische Nuntius Ludovico Taverna vor dem Kleinen Rat der Signoria eine Anklagerede gegen Bruno. Leonardo Donà trug die Gegenargumente der Republik vor und plädierte gegen die Auslieferung. Taverna verschärfte die Anklage durch falsche Behauptungen und zählte zwölf Fälle auf, in denen Venedig in der Vergangenheit Angeklagte nach Rom überstellt hatte. Angesichts der Hartnäckigkeit Roms fragte man sich in Venedig, ob die Auslieferung eines ehemaligen Mönchs und Untertanen des spanischen Vizekönigs von Neapel wirklich die venezianische Staatskirchenpolitik gefährden würde. Der Doge und seine Räte bestellten zunächst ein Gutachten bei dem Prokurator Federico Contarini, einem der treuesten Gefolgsleute Roms. Er kam erwartungsgemäß zu dem Schluss, der Prozess gegen Bruno gehöre an das Heilige Offizium. Der Senat stimmte der Auslieferung mit 142 zu 30 Stimmen zu. Dem venezianische Botschafter in Rom, Paolo Paruta, oblag es, diesen Beschluss als Zugeständnis darzustellen, für das Venedig bei nächster Gelegenheit eine Gegenleistung von Rom erwarten konnte. Bruno wurde mit dem Schiff nach Ancona gebracht und traf am 27. Februar 1593 in Rom ein, wo er in eine Zelle im Palast des Heiligen Offiziums eingesperrt wurde.[5]:284–287 Um zu erklären, warum Papst Clemens VIII. so hartnäckig die Auslieferung Brunos verlangte, verweist Volker Reinhardt auf die politische Situation Europas in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Nach dem Frieden von Cateau-Cambrésis (1559) war Spanien die weltpolitische Großmacht, während Frankreich für vierzig Jahre in Religions- und Bürgerkriegen versank. Auch in Rom bestimmten Philipp II. und die spanische Partei jahrzehntelang die Wahl und die Politik der Päpste. Papst Sixtus V. (Papst von 1585 bis 1590) griff zugunsten Spaniens in den französischen Thronstreit ein, verhängte 1585 den Bann über den Hugenotten Heinrich von Navarra, der 1584 rechtmäßig an die erste Stelle der Thronfolge gerückt war, und exkommunizierte später auch König Heinrich III., was entscheidend zu dessen Ermordung (1589) beitrug. Heinrich von Navarra wurde 1589 als Heinrich IV. König, wusste aber, dass er den Thron nur sichern konnte, wenn er den katholischen Glauben annahm. Im Konklave von 1592 war Clemens VIII. der Kandidat der kleinen Minderheit von Kardinälen, die entschlossen waren, den Heiligen Stuhl von der Vormachtstellung Philipps II. von Spanien zu befreien.[20] Clemens' Politik zielte auf eine Aussöhnung mit Heinrich IV. ab, damit die Hugenottenkriege beendet und Frankreich zu einem Gegengewicht gegen Spanien werden konnten. Ein Ersuchen Heinrichs IV. um Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen traf in Rom zwei Tage vor Venedigs Ablehnung von Brunos Auslieferung ein. Da mit heftigem Widerstand Spaniens zu rechnen war, musste die Annäherung an Frankreich hinter den Kulissen vorbereitet werden, während sich der Papst nach außen als Hardliner im Kampf für die Rechtgläubigkeit zeigte. Dazu war die konsequente Verfolgung des europaweit bekannten Ketzers Giordano Bruno eine geeignete Maßnahme. Bruno musste unbedingt nach Rom gebracht werden.[5]:282 Kerkerhaft in Rom und HinrichtungIn den folgenden sieben Jahren wurde der Prozess gegen ihn vorbereitet. Er versuchte vergeblich, eine Audienz bei Papst Clemens VIII. zu erreichen, und war sogar bereit, teilweise zu widerrufen. Doch dies genügte der Inquisition nicht. Als sie den vollständigen Widerruf seiner ketzerischen Thesen (nicht jedoch seiner Ideen auf Basis des kopernikanischen Modells) forderte, reagierte Bruno hinhaltend und schließlich trotzig: An der Ablehnung der Gottessohnschaft Christi und des Jüngsten Gerichts sowie an seiner Behauptung vieler ‚Welten‘ hielt er fest. Aber auch die Inquisition hatte sich bewegt und ihre ursprüngliche Forderung, acht theologische Lehrsätze zu widerrufen, auf schließlich nur noch zwei reduziert. Auch die Tatsache, dass ihm wiederholt lange Bedenkzeiten gegeben wurden, was den Prozess in eine untypische Länge hinauszögerte, scheint ein prinzipielles, zunächst vorhandenes Wohlwollen der Inquisitionsbehörden Bruno gegenüber auszudrücken.[21] Am 8. Februar 1600 wurde das Urteil der Römischen Inquisition verlesen: Giordano Bruno wurde wegen Ketzerei und Magie aus dem Orden der Dominikaner und aus der Kirche ausgestoßen und dem weltlichen Gericht des Gouverneurs in Rom überstellt, mit der herkömmlichen Bitte, dieser möge die Strenge des Gesetzes mildern und keine Strafen gegen Leib oder Leben verhängen. Außerdem wurden alle seine Schriften verboten, seine Werke sollten öffentlich zerrissen und verbrannt werden. Bruno reagierte auf das Urteil mit seinem berühmt gewordenen Satz: „Mit größerer Furcht verkündet ihr vielleicht das Urteil gegen mich, als ich es entgegennehme“ („Maiori forsan cum timore sententiam in me fertis quam ego accipiam“). Von dem weltlichen Gericht des römischen Gouverneurs wurde Bruno anschließend zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Von fast achtjähriger Kerkerhaft körperlich gebrochen, wurde der 52-jährige Giordano Bruno am 17. Februar 1600 auf dem Campo de’ Fiori auf dem Scheiterhaufen hingerichtet. Die jahrhundertelang verbreitete Behauptung, dass Bruno aufgrund seiner kosmologischen (kopernikanischen) Vorstellungen von der Inquisition verurteilt wurde, ist seit der Zugänglichmachung seiner Inquisitionsakte im Jahr 1942 eindeutig widerlegt.[22][23] PhilosophieBrunos PhilosophiePantheismusFür Bruno stammte alles aus der Natur von der göttlichen Einheit von Materie und Dunkelheit ab. Zum einen trennte er Gott von der Welt und zum anderen tendierte er zu einem dazu entgegengesetzten Pantheismus. Bruno verband die These, dass Gott allem innewohne, mit dem Glauben, dass die Realität der Vorstellung entspringe. Damit nahm er die Gedanken von Gottfried Wilhelm Leibniz und Baruch de Spinoza vorweg. Er stellte sich gegen das geozentrische Weltbild, und bekannte sich zur kopernikanischen Theorie. Weiterhin postulierte er die Monade, die als eine unteilbare Einheit ein Element des Weltaufbaus darstellt. Der Begriff Monade wurde von Gottfried Wilhelm Leibniz übernommen. Bruno ist einer der wichtigsten Vertreter einer panpsychistischen Weltanschauung, der zufolge überall im Kosmos geistige Eigenschaften vorhanden sind. Von den christlichen Kirchen wurde Atheismus und Pantheismus lange Zeit gleichgesetzt. Die Vorstellungen Giordano Brunos stehen im Gegensatz zum materialistischen Weltbild. Sie stehen in der Tradition des neuplatonischen Idealismus sowie der Mystik, die er vor allem durch die Werke von Avicenna, Averroes, Nikolaus von Kues rezipiert hat.[24] Zwar hat Bruno viele Erkenntnisse der modernen Naturwissenschaften vorweggenommen. Dies verdankt sich jedoch eher einem „naturphilosophischen Ganzheitsdenken“ als einem physikalisch-analytischen Zugang, wie er etwa für seinen Zeitgenossen Galileo Galilei kennzeichnend war.[25] Dies wird besonders klar in Brunos Erkenntnistheorie, verdeutlicht etwa in seiner Interpretation des Aktaion-Mythos in den Heroischen Leidenschaften.[26] Mit dem nach Wahrheit Suchenden verhält es sich laut Bruno wie mit dem griechischen Jäger Aktaion. Dieser hatte auf der Jagd die nackte Göttin Diana beim Bad überrascht und wird in einen Hirsch verwandelt, der von seinen eigenen Hunden gejagt und zerrissen wird. Diana ist hier ein Sinnbild für die Natur, deren Erkenntnis sich dem Menschen entziehen will. Bruno schreibt, es sei „das letzte Ziel und das Ende dieser Jagd [nach der Wahrheit] […], in den Besitz jener flüchtigen und scheuen Beute zu gelangen, durch die der Beutemacher zur Beute, der Jäger zum Gejagten wird.“[27] Das Göttliche wird im Pantheismus Brunos nicht etwa in die Natur hineingelegt, die dann ein vom Erkenntnissubjekt unabhängiger, objektiver Forschungsgegenstand wäre. Vielmehr wird auch das Erkenntnissubjekt als Teil des Kosmos begriffen. Es löst sich in seiner Individualität auf, sobald es die Erfahrung der pantheistischen Einheit macht, die bei Bruno mystischen, übersinnlichen Charakter hat. So heißt es in Brunos Interpretation des Aktaion-Mythos: „So verschlingen die Hunde, die Gedanken an göttliche Dinge, diesen Aktaion, so dass er nun für das Volk, die Menge tot ist, gelöst aus den Verstrickungen der verwirrten Sinne, frei vom fleischlichen Gefängnis der Materie. Deshalb braucht er seine Diana nun nicht mehr gleichsam durch Ritzen und Fenster zu betrachten, sondern ist nach dem Niederreißen der Mauern ganz Auge mit dem gesamten Horizont im Blick.“[27] Geozentrisches WeltbildIn der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts stellte Nikolaus von Kues die damals weit verbreitete Philosophie des Aristotelismus in Frage und stellte sich stattdessen ein unendliches Universum vor, dessen Zentrum überall und dessen Rand nirgends liegt und das zudem von unzähligen Sternen bevölkert ist.[28] Er sagte auch voraus, dass weder die Rotationsbahnen kreisförmig noch ihre Bewegungen gleichmäßig sind.[29] In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts begannen sich die Theorien von Kopernikus (1473–1543) in Europa zu verbreiten. Kopernikus bewahrte die Vorstellung von Planeten, die auf festen Sphären fixiert sind, hielt aber die scheinbare Bewegung der Sterne für eine Illusion, die durch die Drehung der Erde um ihre Achse verursacht wird; er behielt auch die Vorstellung eines unbeweglichen Zentrums bei, aber es war die Sonne und nicht die Erde. Kopernikus vertrat auch die Ansicht, dass die Erde ein Planet sei, der die Sonne einmal im Jahr umkreist. Er hielt jedoch an der ptolemäischen Hypothese fest, dass die Bahnen der Planeten aus perfekten Kreisen – Deferenten und Epizyklen – bestehen und dass die Sterne auf einer unbeweglichen äußeren Kugel fixiert sind.[30] Trotz der weit verbreiteten Veröffentlichung von Kopernikus' Werk De revolutionibus orbium coelestium hielten zu Brunos Zeiten die meisten gebildeten Katholiken an der aristotelischen geozentrischen Auffassung fest, wonach die Erde der Mittelpunkt des Universums sei und sich alle Himmelskörper um sie drehten.[31] Nur wenige Astronomen zu Brunos Zeiten akzeptierten das heliozentrische Modell von Kopernikus. Zu denen, die es akzeptierten, gehörten die Deutschen Michael Maestlin (1550–1631), Christoph Rothmann (um 1555–1601), Johannes Kepler (1571–1630), der Engländer Thomas Digges (ca. 1546–1595) und der Italiener Galileo Galilei (1564–1642). Unendlichkeit des Weltalls
Den Prinzipien seiner Naturphilosophie folgend, glaubte Bruno nicht nur, dass das Weltall unendlich ist, sondern dass es auch unendlich viele Lebewesen auf anderen Planeten im Universum gibt. Diese Schlussfolgerungen zog er aus dem Gedanken, dass einer allmächtigen und unendlichen Gottheit auch nur ein unendliches Universum entsprechen kann, denn alles andere wäre einer unendlichen Gottheit nicht würdig. Allerdings ist Giordano Bruno kein direkter Vorläufer von Galilei oder Kepler. Denn in seiner spezifischen naturphilosophischen Betrachtungsweise zweifelte er an der Kompetenz der Mathematik. In seiner Gesamtheit kann Brunos Denken in die Philosophia perennis eingeordnet werden, der er einen neuen naturphilosophischen Zugang sowie revolutionären und kämpferischen Aspekt hinzufügte. Verwerfung der Auffassung von der Zweigeteiltheit der WeltZwar übernahm Bruno zunächst von Aristoteles die Vorstellung, die riesigen Räume zwischen den unendlich vielen Sonnensystemen seien mit Äther erfüllt, weil leerer Raum nicht existieren könne, doch entwickelte er schließlich in De immenso die Konzeption eines Vakuums.[33] Zudem brach er mit der bis dahin gängigen Auffassung des Aristoteles von der Zweigeteiltheit der Welt in den translunaren und den sublunaren Bereich. Der Bereich über der Mondsphäre galt als heiliger Bereich, der Bereich unterhalb der Mondsphäre als irdischer. Durch die Aufhebung dieser Trennung wurde das Universum vereinheitlicht und für die (zunächst ideellen) Flüge des Menschen zugänglich gemacht.[34] Brunos Kosmologie unterscheidet zwischen „Sonnen“, die ihr eigenes Licht und ihre eigene Wärme erzeugen und von anderen Körpern umkreist werden, und „Erden“, die sich um die Sonnen bewegen und Licht und Wärme von ihnen empfangen. Bruno schlug vor, dass einige, wenn nicht alle Objekte, die klassischerweise als Fixsterne bekannt sind, in Wirklichkeit Sonnen sind.[35] Nach Ansicht des Astrophysikers Steven Soter war er der erste, der begriff, dass „Sterne andere Sonnen mit eigenen Planeten sind“.[36] Virtuelle RaumfahrtenIn De immenso entwarf Bruno eine erste Idee der Raumfahrt. „Mit den Flügeln des Geistes“ unternahm er Reisen zum Mond und anderen Gestirnen, führte Gedankenexperimente zur planetaren Perspektive durch und fragte nach den Gründen für die Fähigkeit des Menschen, begrenzte Horizonte überwinden zu können.[37] Einflüsse auf Giordano BrunoSein Denken wurde von Platon, Epikur, Lukrez, Thomas von Aquin, Johannes Scotus Eriugena, Nikolaus von Kues und Ramon Llull beeinflusst. Er war ein ausgeprägter Kritiker der Lehren des Aristoteles. Untersuchungsergebnissen der Kulturhistorikerin Frances Yates zufolge war Bruno auch von Marsilio Ficino und der hermetischen Literatur beeinflusst. In England vertrat vor ihm auch schon der frühe Kopernikaner Thomas Digges die These der Unendlichkeit des Weltraums und veröffentlichte das, was Bruno beeinflusst haben könnte.[38] Rezeption
Einflüsse durch Giordano BrunoBruno beeinflusste eine Reihe von Philosophen und Schriftstellern stark, unter anderen Pierre Gassendi, Baruch de Spinoza, Lucilio Vanini, Friedrich Schelling, Galileo Galilei, Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Nietzsche. Gottfried Wilhelm Leibniz übernahm von ihm den Begriff der Monade. RehabilitationSeine Bücher wurden auf den Index der verbotenen Schriften gesetzt, wo sie bis zu dessen Abschaffung 1966 im Zuge des Zweiten Vatikanischen Konzils blieben. Im Jahr 2000 erklärte Papst Johannes Paul II. nach Beratung mit dem päpstlichen Kulturrat und einer theologischen Kommission die Hinrichtung Giordano Brunos für Unrecht: Selbst Männer der Kirche seien im Namen des Glaubens und der Sittenlehre mitunter Wege gegangen, „die nicht im Einklang mit den Evangelien stehen“. Eine vollständige Rehabilitierung des Gelehrten Giordano Bruno durch die katholische Kirche fand aber nicht statt, da der Pantheismus nicht mit der katholischen Lehre vereinbar sei. Märtyrer der Wissenschaft?Einige Autoren haben Bruno als „Märtyrer der Wissenschaft“ bezeichnet und Parallelen zur Galilei-Affäre, die um 1610 begann, angedeutet.[39] „Man sollte nicht annehmen“, schreibt A. M. Paterson über Bruno und sein „heliozentrisches Sonnensystem“, dass er „seine Schlussfolgerungen durch eine mystische Offenbarung erreicht hat.... Sein Werk ist ein wesentlicher Teil der wissenschaftlichen und philosophischen Entwicklungen, die er angestoßen hat.“[40] Paterson schließt sich Hegel an, wenn er schreibt, dass Bruno „eine moderne Erkenntnistheorie einführt, die alle natürlichen Dinge im Universum als vom menschlichen Geist durch dessen dialektische Struktur erfasst begreift“.[41] Ingegno schreibt, Bruno habe sich die Philosophie des Lukrez zu eigen gemacht, „die darauf abzielt, den Menschen von der Furcht vor dem Tod und den Göttern zu befreien“. Die Charaktere in Brunos „Cause, Principle and Unity“ streben danach, „die spekulative Wissenschaft und die Kenntnis der natürlichen Dinge zu verbessern“ und eine Philosophie zu erreichen, „die die Vervollkommnung des menschlichen Intellekts am leichtesten und vorzüglichsten herbeiführt und der Wahrheit der Natur am meisten entspricht“.[42] Andere Wissenschaftler widersprechen solchen Ansichten und halten Brunos Märtyrertum für die Wissenschaft für übertrieben oder sogar für falsch. So heißt es von Frances Yates: Während die „[...] Liberalen des neunzehnten Jahrhunderts [...]“ über Brunos Kopernikanismus „in Ekstase“ gerieten, „[...] drängt Bruno die wissenschaftliche Arbeit von Kopernikus zurück in ein vorwissenschaftliches Stadium, zurück in den Hermetizismus, indem er das kopernikanische Schaubild als Hieroglyphe göttlicher Mysterien interpretiert [...]“.[43] Dem Historiker Mordechai Feingold zufolge „sind sich Bewunderer und Kritiker Giordano Brunos im Grunde darin einig, dass er aufgeblasen und arrogant war, seine Meinungen hoch bewertete und wenig Geduld mit jedem zeigte, der ihm auch nur ansatzweise widersprach". In Bezug auf Brunos Erfahrung der Ablehnung, als er die Universität Oxford besuchte, deutet Feingold an, dass "eher Brunos Verhalten, seine Sprache und seine Selbstherrlichkeit als seine Ideen“ Anstoß erregt haben könnten.[44] LiteraturDas Leben Brunos wurde immer wieder literarisch verarbeitet: 1841 schrieb Leopold Schefer die Novelle Göttliche Komödie in Rom über den Prozess und die Hinrichtung Giordano Brunos. Bertolt Brecht schrieb die Erzählung Der Mantel des Ketzers. Gian Maria Volonté verkörperte 1973 Giordano Bruno in dem Spielfilm Der Mönch von San Dominico (Giordano Bruno) von Giuliano Montaldo. S. J. Parris veröffentlichte zwischen 2010 und 2023 sieben Romane. Denkmäler und NamensnennungAuf dem Campo de’ Fiori in Rom erinnert ein Denkmal der Freimaurer des Grande Oriente d’Italia, das von der laizistisch regierten Stadtgemeinde 1889 gegen den Willen des damaligen Papstes Leo XIII. (1878–1903) errichtet wurde, an Giordano Bruno. Nach Giordano Bruno ist der Asteroid (5148) Giordano und ein 22 km durchmessender Mondkrater benannt, 103° östl. Länge, 36° nördl. Breite. Im deutschsprachigen Raum trägt seinen Namen die 2004 gegründete Giordano-Bruno-Stiftung, die sich dem evolutionären Humanismus und der Förderung der Religionskritik widmet und insbesondere den Religionskritiker Karlheinz Deschner förderte. Außerdem ist die Giordano-Bruno-Gesamtschule in Helmstedt nach ihm benannt. Seit 2008 gibt es am Potsdamer Platz in Berlin ein Giordano-Bruno-Denkmal. BibliographieEinzelwerkeEin erheblicher Teil der Werke Brunos ist erst postum erschienen. In diesem Fall erscheint das Jahr des Abfassens einer Schrift in Klammern, gefolgt von Ort und Jahr der Erstpublikation.
Werkausgaben
Literatur
WeblinksCommons: Giordano Bruno – Album mit Bildern
Commons: Giordano Bruno – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Primärtexte Wikisource: Giordano Bruno – Quellen und Volltexte
Wikiquote: Giordano Bruno – Zitate
Informationen über Bruno
Einzelnachweise
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