Die sogenannte Geburtsfehlertheorie ist eine Doktrin der deutschen Außenpolitik, die Mitte der 1960er Jahre in der Großen Koalition unter Kurt Georg Kiesinger entstand.[1] Sie wandte sich gegen die bis dahin vorherrschende Hallstein-Doktrin.
Die Hallstein-Doktrin hatte die Bundesrepublik seit 1955 verpflichtet, mit jedem Land die diplomatischen Beziehungen abzubrechen, das diplomatische Beziehungen mit der Deutschen Demokratischen Republik eingeht. Ziel war die außenpolitische Isolation der DDR.
Wie sich schnell zeigte, war ein solches Vorgehen auf die Dauer nicht durchzuhalten.[2] Daher entwickelten die Ostexperten des Auswärtigen Amts die Geburtsfehlertheorie, die konzedierte, dass die Satellitenstaaten der Sowjetunion die Beziehungen zur DDR nicht freiwillig, sondern unter sowjetischen Druck eingegangen seien. Diese Theorie unterschied also zwischen Staaten, die die DDR schon zwischen 1949 und 1955 anerkannt hatten, und solchen, die dies erst später taten. Nur die zweite Gruppe habe eine Wahl zwischen den beiden deutschen Gebieten gehabt und sei daher nach der Hallstein-Doktrin zu behandeln.[3] Den Staaten des Ostblocks sei eine Anerkennung der DDR zur Festigung des politischen Systems Osteuropas nach dem Zweiten Weltkrieg praktisch aufgezwungen worden; dies sei als eine Art „Geburtsfehler“ anzusehen, den man hinnehmen müsse.
Einzelnachweise
- ↑ Hans Georg Lehmann: Deutschland-Chronik bis 2000. In: Deutschland-Chronik 1945 - 2000. 31. Januar 1967. Bundeszentrale für politische Bildung/bpb, Bonn 2002 (bpb.de).
- ↑ Rolf Zundel: Das Ende der Doktrin? In: DIE ZEIT. Nr. 23/1969, 6. Juni 1969 (zeit.de).
- ↑ Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen. Band 2., Deutsche Geschichte vom "Dritten Reich" bis zur Wiedervereinigung. C.H.Beck, München 2000, ISBN 978-3-406-46002-9, S. 260.