Fulguration (lateinisch fulgur âBlitzâ) ist die von Konrad Lorenz verwendete Bezeichnung fĂŒr das plötzliche Entstehen neuer Eigenschaften in einem komplexen System, die nicht aus den Eigenschaften der einzelnen Elemente des Systems vorhergesagt werden können. Der Begriff Fulguration entspricht demzufolge dem Wort des Aristoteles âDas Ganze ist mehr als die Summe seiner Teileâ und somit der heute verbreiteteren Bezeichnung Emergenz. Konrad Lorenz hat mit seinem naturwissenschaftlich-systemtheoretischen Terminus âFulgurationâ auf eine philosophische Begriffsbildung von Gottfried Wilhelm Leibniz zurĂŒckgegriffen, die in Form der Blitz-Metaphorik in der Philosophie selbst bis auf die Vorsokratiker zurĂŒckgreift.
Fulguration in der Naturwissenschaft und Systemtheorie
Konrad Lorenz hatte den Begriff Emergenz allerdings kritisiert, da seine deutsche Bedeutung (âAuftauchenâ) suggeriere, etwas bereits Existentes, lediglich bislang Verborgenes, komme zum Vorschein. Um diesen Unterschied deutlich zu machen, hatte Lorenz stattdessen den Begriff Fulguration vorgeschlagen.
Leibniz hatte den Begriff der Fulguration im Sinne einer creatio continua in seiner Monadologie in die Philosophie eingefĂŒhrt: âDemnach ist Gott allein die ursprĂŒngliche Einheit oder die ursprĂŒnglich einfache Substanz; alle erschaffenen oder abgeleiteten Monaden sind seine Erzeugungen und entstehen sozusagen von Augenblick zu Augenblick durch stĂ€ndige blitzartige Ausstrahlungen [Fulgurations] der Gottheit [âŠ]â[1][2]. Schöpfung ist kein einmaliger Akt, sondern stĂ€ndige, Sein setzende und zugleich erhaltende Wirksamkeit Gottes.[1] Die Metapher der Fulguration prĂ€zisiert dabei die Metapher der Emanation, âindem sie Vielfalt, Plötzlichkeit, Schnelligkeit und lichtende Funktion des Existenz schaffenden göttlichen Denkens zeigt, [âŠ].â[1]
Die Blitz-Metaphorik bei Leibniz ist vorgebildet bei dem Mystiker und Philosophen Jakob Böhme und in den ChaldĂ€ischen Orakeln.[1] Nach Böhme entlĂ€dt sich der Blitz aus dem Gegensatz von âfreier Lustâ und âBegierdeâ in Gott und entfaltet so einerseits das âFreudenreichâ und andererseits das âhöllische Reichâ.[1] Nach den ChaldĂ€ischen Orakeln entspringen die die erste Materie bildenden Ideen dem göttlichen Intellekt wie âunerweichbare Blitzeâ.[1] Letztlich geht diese Blitz-Metaphorik auf âeine entmythisierende Umdeutung des âblitzenden Zeusââ als Schöpfer allen Seins bei Kleanthes und Heraklit zurĂŒck.[1]
Literatur
- Werner Beierwaltes: Fulguration. In: Joachim Ritter (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 2. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1972, S. 1130 f.
Einzelnachweise
- â a b c d e f g W. Beierwaltes: Fulguration.
- â Leibniz: Vernunftprinzipien der Natur und der Gnade - Monadologie, Meiner, Hamburg 1982, 46.