Friedrich Christian Delius wurde 1943 in Rom geboren, wo sein Vater Pfarrer an der Deutschen Evangelischen Kirche war.[1] Er war das älteste von vier Geschwistern und wuchs von 1944 bis 1958 im hessischen Wehrda auf. Das Abitur erlangte er 1963 an der Alten Landesschule in Korbach.
Delius begann in den 1960er Jahren mit gesellschaftskritischer Lyrik und dokumentarischen, meist stark satirischen Texten. Von 1964 bis 1967 nahm er an den letzten vier Tagungen der Gruppe 47 teil. Durch den Kontakt zu Klaus Wagenbach erschien 1965 sein erstes Buch.[2] Ab den 1970er Jahren schrieb er vorwiegend Romane, häufig zu Themen aus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, z. B. zum Deutschen Herbst.
Nachdem er 2007 den Joseph-Breitbach-Preis erhalten hatte, wurde er 2011 auch mit dem Georg-Büchner-Preis geehrt, dem bekanntesten Literaturpreis im deutschen Sprachraum. Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung begründete dies u. a. damit, dass er als „kritischer, findiger und erfinderischer Beobachter […] in seinen Romanen und Erzählungen die Geschichte der deutschen Bewusstseinslagen im 20. Jahrhundert erforscht“ habe.[5]
Privates
Delius war zunächst mit Gisela Klann-Delius verheiratet, mit der er zwei Töchter hatte. Seine Tochter Mara Delius ist Herausgeberin der Literarischen Welt. 2003 heiratete er Ursula Bongaerts. Zuletzt lebte er in Berlin und Rom. Er starb am 30. Mai 2022 im Alter von 79 Jahren in Berlin.[6][7]
Familie und Werk
Mehrere von Delius’ Werken sind autobiographisch (z. B. Der Sonntag, an dem ich Weltmeister wurde) oder beschäftigen sich mit Mitgliedern seiner Familie mütterlicherseits, die er allerdings mit Pseudonymen versieht. So wird in der Erzählung Bildnis der Mutter als junge Frau aus der Perspektive der Mutter „Margarete“ alias Maria von der Lühe (1921–1995)[8] erzählt, es geht darin auch um den Vater Gerhard Delius (1912–1960) und um die Großeltern mütterlicherseits. In der Erzählung Die Liebesgeschichtenerzählerin wird aus der Perspektive einer Marie von Schabow erzählt, die ihr Vorbild in Delius’ Tante Irmgard von der Lühe (1919–1998)[9] hat. Diese veröffentlichte 1966 die Biographie Elisabeth von Thadden. Marie von Schabows Ehemann wird im Buch Reinhard von Mollnitz genannt, in der Wirklichkeit hieß er Friedrich Franz von Massow (1918–1997). Es geht dort ebenfalls um Delius’ Großvater mütterlicherseits „Hans von Schabow“ alias Hans Adelbert von der Lühe (1890–1975)[8] und um dessen Frau, die 1891–1975 lebte und deren echter Name Hildegard von Quadt Wykradt-Hüchtenbruck im Buch genannt wird.[10] Außerdem spielen von seinen Urgroßeltern in dieser Erzählung eine Rolle: Urgroßvater Paul von der Lühe (1854–1901) und Urgroßmutter Elisabeth von Jasmund (1865–1925).[11]
Posthum erschienen die noch vor seinem Tod fertiggestellten Erinnerungen mit dem Titel „Darling, it’s Dilius!“ Erinnerungen mit großem A.[12] Das autobiografische Buch kam in der siebten Kalenderwoche 2023 auf Platz 26 der Bestsellerliste Sachbuch des Börsenvereins des deutschen Buchhandels.[13]
Werke
Autorschaft
Kerbholz. Berlin 1965.
Wir Unternehmer. Berlin 1966 (zusammen mit Karl-Heinz Stanzick).
Die Frau, für die ich den Computer erfand. Reinbek bei Hamburg 2009, ISBN 978-3-87134-642-2.
Der Held und sein Wetter. Ein Kunstmittel und sein ideologischer Gebrauch im Roman des bürgerlichen Realismus. Mit einem Vorwort von Wolf Haas. Wallstein Verlag, Göttingen 2011, ISBN 978-3-8353-1028-5.
Als die Bücher noch geholfen haben. Biografische Skizzen. Rowohlt, Berlin 2012, ISBN 978-3-87134-735-1.
David-Christopher Assmann: „Nicht fiction, sondern action“. F.C. Delius’ „Der Königsmacher“ oder Beschädigt der Literaturbetrieb die Gegenwartsliteratur? In: Maik Bierwirth u. a. (Hrsg.): Doing Contemporary Literature. Praktiken, Wertungen, Automatismen. Fink, München 2012, S. 241–262.
Wilfried F. Schoeller: Kleiner Rückblick auf die Tugend des Zersetzens. Rede auf Friedrich Christian Delius. In: Juni. Magazin für Kultur und Politik am Niederrhein. Nr. 2/88. Juni-Verlag, Viersen 1988, ISSN0931-2854
Karin Graf (Hrsg.): Friedrich Christian Delius. München 1990, ISBN 3-89129-067-5.
Themenheft F. C. Delius der Zeitschrift Literatur für Leser. Frankfurt am Main 1995.
Manfred Durzak, Hartmut Steinecke (Hrsg.): F. C. Delius – Studien über sein literarisches Werk. Tübingen 1997.
Thomas Hoeps: Arbeit am Widerspruch. „Terrorismus“ in deutschen Romanen und Erzählungen (1837–1992). Dresden 2001, ISBN 3-933592-24-0.
Irmela von der Lühe (Hrsg.): Friedrich Christian Delius (= Text + Kritik. 197.) edition text + kritik, München 2013, ISBN 978-3-86916-239-3.
↑Friedrich Christian Delius: Kurzbiografie. Abgerufen am 18. Mai 2011.
↑Friedrich Christian Delius: 40 Jahre „Kerbholz“. In: Renatus Deckert (Hrsg.): Das erste Buch. Schriftsteller über ihr literarisches Debüt. 1. Auflage. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-518-45864-8, S.84–87.