Der Freiwillige Arbeitsdienst (FAD) war ein 1931 eingeführtes öffentlich gefördertes Beschäftigungsprogramm der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung der Weimarer Republik. Junge, arbeitslose Menschen sollten sich freiwillig in einem Arbeitslager zusammenfinden, um von hier aus für eine befristete Zeit einer Tätigkeit nachzugehen, die für die Allgemeinheit einen Nutzen stiftete und andererseits den Betroffenen das Gefühl gab, gebraucht zu werden. Am 16. Juli 1932 erfolgte die Bestellung des Geheimen Regierungsrats und Präsidenten der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung Friedrich Syrup als Reichskommissar für den freiwilligen Arbeitsdienst.
Die Wurzeln des FAD lagen in der ersten Nachkriegszeit, als die Forderung nach einem „Ersatz für die verloren gegangene Erziehungsschule des Heeres“ erhoben wurde.[1] Politischen Nachdruck erhielt dieser Gedanke jedoch erst durch die immense Zunahme der Arbeitslosigkeit nach 1929. Die Rechtsparteien, darunter die NSDAP, hatten seit Beginn der Weltwirtschaftskrise nachdrücklich eine Arbeitsdienstpflicht gefordert; der FAD war somit ein politisches Zugeständnis der Regierung des Reichskanzlers Heinrich Brüning an die Rechte.[2]
Dies waren Maßnahmen, die der Bodenverbesserung, der Herrichtung von Siedlungs- und Kleingartenland, der örtlichen Verkehrsverbesserung und der Hebung der Volksgesundheit dienten. Träger der Maßnahmen konnten nur Körperschaften des öffentlichen Rechts und solche Vereinigungen oder Stiftungen sein, die gemeinnützige Ziele verfolgten. Dazu zählten Jugendbünde, Verbände, politische Parteien, konfessionelle Vereinigungen, Jugendgruppen, Bewegungen aller Art, Gewerkschaften, aber auch Militärfreunde und -gegner: wie z. B. Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten, Deutsche Freischar, Jungdeutscher Orden u.v.m.[4]
Ziele der Anbieter von freiwilligen Arbeitsdiensten
Die den FAD anbietenden Körperschaften verbanden mit ihrem Engagement sehr unterschiedliche eigene Zielsetzungen.
In den Reihen der Jugendbewegung betrieb die Schlesische Jungmannschaft Arbeitslager für Arbeiter, Bauern und Studenten, um die Angehörigen verschiedener Gruppen des Volkes gegenseitiges Verständnis zu lehren und Klassengegensätze auszugleichen.
Bei der völkischen Siedlungsbewegung der Artamanen existierte ein „Freiwilliger Arbeitsdienst“, der durch den „entsagungsvollen Dienst auf dem Lande“ der Landflucht entgegenwirken sollte.[5]
Die politischen Parteien SPD, Zentrum, KPD und NSDAP unterhielten eigene Arbeitsdienstvereine.
Dem katholischen Zentrum nahe standen Aktivitäten des Freiwilligen Arbeitsdienstes im Emsland.[6] Die auf Initiative des Meppener Verwaltungsangestellten und Zentrum-Jugendpolitikers Anton Veltrup[7] betriebenen Lager für arbeitslose Jugendliche aus der Region wie aus Großstädten dienten der Kultivierung von Moor- und Ödlandflächen und dem Bau von Straßen.[8]
Die Arbeitslager der NSDAP wurden seit 1931 vom ehemaligen Reichwehroffizier, Oberst a. D, Konstantin Hierl geleitet. Ziel dieser Partei war es, den Arbeitsdienst als Säule des zukünftigen Staates anzusehen. „Er ist höchster Ausdruck eines deutschen Sozialismus. Eine Erziehungsschule ohnegleichen.“[4]
Nachfrage
Ende 1931 umfasste die Organisation zunächst nur 6.800 Personen.[4] Bis Mitte 1932 stieg deren Zahl aber auf 97.000 Freiwillige an, nachdem der FAD für alle Deutschen beiderlei Geschlechts zwischen 18 und 25 Jahren geöffnet worden war. Im Dezember 1932 erfuhren rund mehr als 241.000 Personen eine Förderung als Arbeitsdienstwillige im FAD. Damit war er das weitaus größte der öffentlich geförderten Beschäftigungsprogramme der Weimarer Republik.[2]
Die Arbeitsdauer war für den einzelnen Freiwilligen auf maximal 20 Wochen beschränkt, da nur für diese Zeit die Arbeitslosen- bzw. Krisenunterstützung weitergezahlt wurde. Für die meisten der geförderten Personen lag die Beschäftigungsdauer im FAD bei unter 10 Wochen. Die Hälfte von ihnen war jünger als 21 Jahre. Die Führer in den freiwilligen Arbeitsdienstlagern erhielten kein Gehalt, sondern nur eine „Führerzulage“ von monatlich 30 RM.[5]
Der FAD nach der Machtübernahme Hitlers
Da das NS-Regime im Arbeitsdienst eine Teilantwort auf die Wirtschaftskrise sah, löste es den 1931 ins Leben gerufenen FAD nach der Machtergreifung nicht auf, sondern gestaltete ihn nach seinen Vorstellungen sukzessive zu einem Instrument der bewussten Erziehung zur „Volksgemeinschaft“ um. Missliebige andere Träger wurden zunehmend schikaniert. So wurden seit März 1933 seitens der SA vermehrt Gewaltaktionen gegen Arbeitsdienstlager durchgeführt, deren Träger kirchliche oder sozialdemokratische Wurzeln hatten. Artur von Machui, einem Sozialdemokraten, wurde vorgeworfen, „dass ich den Lagern des ‚Freiwilligen Arbeitsdienstes‘ auf den Gütern der ‚Schlesischen Land-GmbH‘ das Setzen Schwarz-Rot-Goldener Fahnen ‚aufgezwungen‘ hätte (bei gleichzeitigem Einholen Schwarzweißroter und Hakenkreuz-Fahnen).“ Selbstgleichschaltungen und „freiwillige“ Anschlüsse waren bis August 1933 die Folge. Damit einher gingen rechtliche Schritte, die den erreichten Status quo nachträglich legitimierten und ausweiteten.
Gleichzeitig wurde der Arbeitsdienst zunehmend von der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung abgekoppelt. Seit Dezember 1933 waren daher nicht mehr die Arbeitsämter, sondern eigens errichtete Meldeämter für die Einstellung von Freiwilligen zuständig; mit dem 1. April 1934 wurde der männliche Arbeitsdienst schließlich ganz von der Reichsanstalt getrennt und stand seither und völlig unter NS-Einfluss.
Es entstand mit dem Gesetz vom 26. Juni 1935 schließlich der Reichsarbeitsdienst (RAD), der zunächst nur für männliche Jugendliche zwischen 18 und 25 Jahren verpflichtend war, mit Beginn des Zweiten Weltkriegs auch für junge Frauen.[2][9][10]
Organisation in Österreich
In Österreich existierte nach dem Vorbild Deutschlands ebenfalls ein FAD. Die Arbeitslager wurden hauptsächlich von paramilitärischen Verbänden (z. B. Heimwehr oder Ostmärkische Sturmscharen) und den christlichen Gewerkschaften betrieben. 1936 wurde er in Staatlicher Arbeitsdienst (SAD) umbenannt, die Lager verstaatlicht und die Aufnahme („bedarfsmäßiger Zugang“) von den Arbeitsämtern geregelt.[11]
Einrichtungen
Das jüdische Landwerk Neuendorf stellte 50 Plätze für jugendliche Arbeitslose im freiwilligen Arbeitsdienst bereit.
Literatur
Wolfgang Benz: Vom Freiwilligen Arbeitsdienst zur Arbeitsdienstpflicht. In: Hans Rothfels, Theodor Eschenburg (Hrsg.): Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. Band16, Nr.4, 1968, S.317–346 (ifz-muenchen.de [PDF]).
Ernst Schellenberg: Der Arbeitsdienst auf Grund der bisherigen Erfahrungen. Untersuchung auf Grund einer Erhebung des Kommunalwissenschaftlichen Instituts unter Berücksichtigung der Verordnung über den freiwilligen Arbeitsdienst vom 16. Juli 1932 und der neuesten Ausführungsbestimmungen (= Sonderschriften des Kommunalwissenschaftlichen Instituts an der Universität Berlin. Nr.2). Vahlen, 1932, ZDB-ID 634569-4.
↑Wolfgang Paul: Das Feldlager. Jugend zwischen Langemarck und Stalingrad (= Heyne-Bücher. Nr.5791). Wilhelm Heyne, München 1980, ISBN 3-453-01254-2, S.152.
↑ abcWolfgang Paul: Das Feldlager. Jugend zwischen Langemarck und Stalingrad (= Heyne-Bücher. Nr.5791). Wilhelm Heyne, München 1980, ISBN 3-453-01254-2, S.154.
↑ abWolfgang Paul: Das Feldlager. Jugend zwischen Langemarck und Stalingrad (= Heyne-Bücher. Nr.5791). Wilhelm Heyne, München 1980, ISBN 3-453-01254-2, S.153.
↑Heinz Kleene: Der Freiwillige Arbeitsdienst (FAD) im Emsland. In: Jahrbuch des Emsländischen Heimatbundes. Band48, 2002, ISSN0448-1410, S.307–330.
↑Anton Veltrup: Vom Sinn des Freiw. Arbeitsdienstes im Kreis Meppen. In: Der Weg in die Diktatur. Die Durchsetzung nationalsozialistischer Herrschaft im Emsland. Ludwig-Windthorst-Stiftung, Lingen 2012, S.77 (online [Memento vom 8. Mai 2016 im Internet Archive] [PDF]).
↑Josef Hamacher: Freiwilliger Arbeitsdienst und Reichsarbeitsdienst im Altkreis Meppen. In: Jahrbuch des Emsländischen Heimatbundes. Band48, 2002, ISSN0448-1410, S.273–306.
↑Gerhard Senft: Im Vorfeld der Katastrophe. Die Wirtschaftspolitik des Ständestaates. Österreich 1934–1938. Hrsg.: Anton Pelinka, Helmut Reinalter (= Vergleichende Gesellschaftsgeschichte und politische Ideengeschichte. Band15). Braumülle, Wien 2002, ISBN 3-7003-1402-7, S.478–479.