Das Filmfest Hamburg ist ein jährlich stattfindendes Filmfestival in Hamburg. In zehn Sektionen zeigt es jeden Herbst rund 120 Filme als Welturaufführungen, Europapremieren oder deutsche Erstaufführungen. Das Programmspektrum reicht von cineastisch anspruchsvollen Arthouse-Filmen über Fernsehfilme bis hin zum innovativen Mainstreamkino.
Als Plattform für kulturellen Austausch und Dialog innerhalb der Filmbranche und mit den Kinofans wird ein Großteil der Filme von den Filmschaffenden persönlich in Hamburg vorgestellt. Zahlreiche Rahmenveranstaltungen begleiten die Filmvorführungen. Die Gesamtbesucherzahl für das Festivaljahr 2024 – erstmals unter der Leitung von Malika Rabahallah[1] – lag bei knapp 60.000.[2]
Mit dem Amtsantritt der neuen Festivalleiterin und mit finanzieller Unterstützung der Behörde für Kultur und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg wurde zum ersten Mal der „Tag des freien Eintritts“ eingeführt. Am 3. Oktober waren alle Hamburgerinnen und Hamburger eingeladen, die Filmvorführungen in den teilnehmenden Festivalkinos kostenlos zu besuchen.[3]
Schon in den 1950er Jahren gab es verschiedene Veranstaltungen zum Thema Film in Hamburg. So unter anderem Hamburger Filmtage, Filmwochen oder die Kinotage. Diese wurden von der Hamburger Filmwirtschaft zusammen mit verschiedenen deutschen Verleihfirmen organisiert und ausgerichtet.
Im Jahr 1968 taten sich einige junge Filmemacher zusammen, um die 1. Hamburger Filmschau zu organisieren. Ein Wochenende, das als Film-Happening in die Geschichte des jungen deutschen Films eingegangen ist.
In den 1970er Jahren gründeten mehrere Programmkinos aus ganz Deutschland die Arbeitsgemeinschaft Kino e. V. (AG Kino) mit Sitz in Hamburg. Seit 1974 richtete die Arbeitsgemeinschaft die Hamburger Kinotage aus.
Im Jahr 1979 wandten sich bekannte Filmschaffende aus München, unter ihnen Hark Bohm, Werner Herzog, Volker Schlöndorff und Wim Wenders, in der sogenannten Hamburger Erklärung gegen die Fremdbestimmung des deutschen Filmes durch Gremien, Anstalten und Interessengruppen. Sie initiierten zugleich das Filmfest der Filmemacher.
Um Kräfte zu bündeln und die immer knapper werdenden öffentlichen Gelder sinnvoller einzusetzen, schlossen sich das Low Budget Film Forum und die Kinotage gegen Ende des Jahres 1991 zusammen. Unter den Gründungsmitgliedern waren u. a. die AG Kino e. V. und das Hamburger Filmbüro e. V. Gemeinsam wurde die Ausrichtung des Filmfests Hamburg beschlossen. Im Jahr 1992 fand das Filmfest Hamburg erstmals unter der Leitung von Rosemarie Schatter statt.
Zwei Jahre später löste sie der Filmproduzent Gerhard von Halem als Festivalleiter ab. Das Hamburger Festival war – trotz gewisser Bezüge zu den früheren Veranstaltungen – doch etwas völlig anderes. Das Hauptaugenmerk lag zwar nach wie vor auf den Themen Junges Kino oder Unabhängige Filme, aber die Atmosphäre rund um das Filmfest Hamburg wurde immer stärker vom Glanz und Glamour großer Stars geprägt.
Im Jahr 1995 übernahm Josef Wutz die Festivalleitung. Unter seinem Einfluss wurde das Festival kontinuierlich ausgebaut und etablierte sich weit über Hamburgs Grenzen hinaus. Darüber hinaus bot das Festival fortan auch Hamburger Fernsehproduktionen eine eigene Sektion innerhalb des Festivalprogramms. Auch die sogenannten Neuen Medien erhielten eine Präsentations- und Diskussionsplattform beim Filmfest Hamburg.
2003 wurde Albert Wiederspiel Leiter des Filmfests Hamburg. Seitdem wurde das Angebot des internationalen Films stetig erweitert. Nach zwei reduzierten Festivalausgaben 2020 und 2021 aufgrund der Corona-Pandemie feierte das Filmfest Hamburg 2022 sein 30-jähriges Jubiläum und präsentierte sich mit 116 Filmen aus 58 Ländern in sechs Hamburger Festivalkinos. Erstmals war im Jubiläumsjahr das Molodist Kyiv International Film Festival zu Gast, das seinen nationalen Kurz- und Langfilmwettbewerb in Hamburg ausrichtete. Die 31. Festival-Ausgabe war die letzte unter der Leitung von Albert Wiederspiel.
Seit 2024 leitet Malika Rabahallah das Filmfest Hamburg.[4] In ihrer ersten Amtszeit führte sie den Tag des freien Eintritts am 3. Oktober ein.[5]
Anlässlich der letzten von Albert Wiederspiel[6] verantworteten Festivalausgabe vergibt die Hapag-Lloyd Stiftung ab 2023 jährlich den mit 10.000 Euro dotierten Albert Wiederspiel-Preis für internationale Filmregie. Mit der Auslobung und der Benennung des Preises möchte die Stiftung Albert Wiederspiel als „einen engagierten Festivalmacher und Filmenthusiasten ehren“.[7][8] Erster Preisträger war der iranische Filmemacher Farhad Delaram (Achilles).[9]
Sektionen
Das Festivalprogramm besteht aus folgenden, im Jahr 2024 teilweise umbenannten Sektionen[10]:
Veto!: Seit 2015 geben sich die Dokumentar- und Spielfilme in dieser Sektion für den politischen Film beim Filmfest Hamburg mit einem ersten Blick nicht zufrieden. Sie schauen noch ein zweites und drittes Mal hin und gewähren Einsichten, die gewöhnliche Nachrichtenbilder nicht geben.
Voilà!: Voilà! präsentiert Spielfilme, die entweder aus Frankreich oder französischsprachigen Regionen stammen.
Vitrina: Das Schaufenster für aktuelle Filmproduktionen aus spanisch- und portugiesischsprachigen Ländern zeigt einen Ausschnitt des filmischen Schaffens der iberischen Halbinsel und Lateinamerikas.
Asiascope: Wirft faszinierende, frische und ungewöhnlich Blicke in die verschiedensten asiatischen Filmkulturen und bereichert gängige Vorstellungen vom Filmraum Asien um einige überraschende Facetten.
Transatlantic: Die Sektion für das nordamerikanische Kino. Es durchspannt die USA von New York über Pittsburgh bis Minnesota und South Dakota und umschließt das englischsprachige Kanada.
Hamburger Premieren: Seit 2015 präsentiert das Filmfest Hamburg das lebendige und vielseitige Filmschaffen aus Hamburg. Gezeigt werden in und aus Hamburg produzierte Filme.
Große Freiheit: Filme aus Deutschland mit Lust an neuen Themen und Narrationen.
Kaleidoscope: Bietet vielschichtige Einblicke ins aktuelle Filmschaffen verschiedener Länder und Kontinente. Im Fokus: Menschenbilder in unterschiedlichen Kulturen und politischen Situationen.
Televisionen: Fernsehen mit Format. Unter dem Titel Televisionen werden aktuelle deutsche Fernsehproduktionen präsentiert, die Mehrzahl davon als Welturaufführung.
MICHEL Kinder und Jugend Filmfest: Die Kinder- und Jugendsektion MICHEL zeigt deutsche und internationale Spiel- und Animationsfilme in Originalversion, die im Kinosaal live auf Deutsch eingesprochen werden.
Preisverleihungen und Preisträger
Im Rahmen des Filmfests Hamburg werden die folgenden Preise verliehen. Aufgrund der COVID-19-Pandemie wurden 2020 jedoch alle bis auf den Publikumspreis ausgesetzt.[11]
Douglas Sirk Preis
Dieser nach dem Filmschaffenden und gebürtigen Hamburger Douglas Sirk benannte, undotierte Preis wird jedes Jahr an eine Persönlichkeit verliehen, die sich um Filmkultur und Filmbranche verdient gemacht hat. Der Preis ist ein vom Hamburger Designer Georg Plum entworfener Kristall. Im Jahr 2005 wurde der Preis erstmals nicht an eine Person, sondern an eine Firma verliehen. Es handelt sich dabei um die Filmproduktionsfirma „Zentropa“ aus Dänemark, deren Gründer unter anderem der Regisseur Lars von Trier ist.
2022 war als Preisträger ursprünglich Ulrich Seidl vorgesehen, aufgrund von Vorwürfen über Ausbeutung von Kindern bei Dreharbeiten zu Sparta habe man sich dazu entschieden, den Preis nicht zu verleihen.[15]
Hamburger Produktionspreis für Deutsche Fernsehproduktionen
Wie in den vergangenen Jahren wird dieser Preis (vormals: TV-Produzentenpreis) beim Filmfest Hamburg in der TV-Sektion Televisionen – Fernsehen mit Format (bis 2017 Sektion 16:9) vergeben. Hierfür werden zehn bis zwölf deutsche Fernsehfilme nominiert. Der Produzent des Gewinnerfilms erhält 25.000 Euro. Das Preisgeld wird seit 2014 von der VFF, Verwertungsgesellschaft der Film- und Fernsehproduzenten mbH, gestiftet.
Hamburger Produktionspreis für Internationale Kino-Koproduktionen
Der Hamburger Produktionspreis für Internationale Kino-Koproduktionen wird seit 2014 vergeben, zunächst in der Sektion Freihafen und noch unter dem Namen Hamburger Produzentenpreis für europäische Kino-Koproduktionen, seit 2021 sektionsübergreifend mit neuer Bezeichnung, die 2024 noch einmal angepasst wurde.[20] Der deutsche Koproduzent des Gewinnerfilms erhält 25.000 Euro, die von der Hamburger Behörde für Kultur und Medien zur Verfügung gestellt werden. Der ausländische Koproduzent desselben Gewinnerfilms wurde bis 2021 von der Hamburger Postproduktionsfirma Optical Art mit einem Kino-Grading im Wert von rund 15.000 Euro bedacht.
Bisherige Preisträger
2014: Welcome to Karastan (Georgien, Deutschland, Russland, Großbritannien), deutscher Koproduzent: Daniel Zuta, Brandstorm Entertainment AG (Frankfurt am Main); georgischer Koproduzent: Vladimer Katcharava, 20 Steps Production
2015: One Floor Below (Rumänien, Deutschland, Frankreich, Schweden), deutsche Koproduzenten: Christine Haupt und Alexander Ris, Neue Mediopolis Filmproduktion GmbH (Leipzig); rumänischer Koproduzent: Dragos Vilcu, Multi Media Est.
Hamburger Produktionspreis für Deutsche Kinoproduktionen
Der Hamburger Produktionspreis für Deutsche Kinoproduktionen wird ab 2018 in der Sektion Große Freiheit – Filme aus Deutschland vergeben. Der/die Produzentin des Gewinnerfilms erhält 25.000 Euro. Das Preisgeld wird von der Behörde für Kultur und Medien zur Verfügung gestellt.
Filmkritiker und Kulturredakteurinnen von deutschen Nachrichtenmagazinen, Onlinemedien, Radiosendern und Tageszeitungen vergeben den Preis an einen Film aus dem Programm, der sich durch eine originelle Sichtweise auszeichnet. Der Preis der Filmkritik löste 2018 den seit 2004 vergebenen Preis der Hamburger Filmkritik ab.
Die Friedrich-Ebert-Stiftung vergibt seit 2013 diesen Preis beim Filmfest Hamburg. Filme der Sektion Veto!, die sich durch einen politischen Anspruch auszeichnen, konkurrieren um das Preisgeld in Höhe von 5.000 Euro. Prämiert wird die beste Regiearbeit.
2008 wurde der 1969 eingerichtete Art Cinema Award des internationalen Verbands der Filmkunsttheater (C.I.C.A.E.) erstmals auch in Hamburg vergeben. Die Jury besteht aus drei Kinobetreibern. Nominiert sind alle Filme, die einen deutschen Verleih haben. Das große Netzwerk des Verbands unterstützt die Distribution des Gewinnerfilms europaweit. Die MOIN Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein begleitet den Preis mit einer Summe von 5.000 Euro und fördert damit PR-Maßnahmen des deutschen Verleihs.
2012 löste der NDR Nachwuchspreis Die Elfe ab, die seit 2008 vergeben wurde. Der Nachwuchspreis für das beste Langfilmdebüt oder zweite Regiearbeit ist mit 5.000 Euro dotiert.
Die Zuschauer entscheiden per Stimmzettel über den besten Film des Festivals, bis 2019 waren es die Filme der SektionEurovisuell. Der Publikumspreis ist mit 5.000 Euro dotiert und wurde von 2015 bis 2021 von der Commerzbank gestiftet. 2020 wurde der Preis zum ersten Mal an den besten Film des gesamten Festivals verliehen, seit 2022 wird das Preisgeld von der Hapag-Lloyd Stiftung zur Verfügung gestellt.[28]
Der Filmpreis der Kinder- und Jugendsektion wird seit 2003 vergeben. Zunächst als Emil, ab 2004 als MICHEL und seit 2023 als Maja vergeben.[30] Das Preisgeld für den besten Kinder- und Jugendfilm beträgt 10.000 Euro und wird von dem Hamburger Kinobetreiber Hans-Peter Jansen gestiftet. Eine Kinder- und Jugendjury wählt unter allen gezeigten Filmen des internationalen Wettbewerbs vom MICHEL Kinder und Jugend Filmfest ihren Favoriten.
Seit 2023 vergibt die Hapag-Lloyd Stiftung den mit 10.000 Euro dotierten Albert Wiederspiel-Preis für internationale Filmregie. Mit der Auslobung und der Benennung des Preises nach dem ehemaligen Festivalleiter Albert Wiederspiel möchte die Stiftung "einen engagierten Festivalmacher und Filmenthusiasten ehren".[32]
2024: April (Georgien), Regie: Dea Kulumbegaschwili[34]
Nicht mehr vergebene Preise
Montblanc Drehbuch Preis
Gemeinsam mit dem Hamburger Unternehmen Montblanc vergab das Filmfest Hamburg den mit 10.000 Euro dotierten Montblanc Drehbuch Preis. Der Preis wurde unter den Spielfilmen der Sektion Nordlichter vergeben. Diese Sektion präsentierte Filme, in denen „Nordlichter“ und der Norden eine Rolle spielen und/oder die im Norden gedreht wurden.
Zum ersten Mal verliehen 2009 vier Vertreter des Vereins der Ausländischen Presse in Deutschland (VAP e. V.) einen eigenen Preis, den Foreign Press Award. Er wurde 2012 zum letzten Mal vergeben.
Der Sichtwechsel Filmpreis wurde von 2017 bis 2021 vom Auswärtigen Amt gestiftet und war mit einem Preisgeld in Höhe von 10.000 Euro ausgestattet. Prämiert wurden Filmschaffende, die über nationale und kulturelle Grenzen hinweg in anderen Ländern arbeiteten und Filme realisierten, unabhängig davon, ob sie ihr Heimatland unfreiwillig verlassen mussten, oder aus künstlerischen oder privaten Gründen Filme außerhalb ihrer Heimat realisierten. Eine internationale Jury vergab den Preis an einen von bis zu zwölf sektionsübergreifend nominierten Filmen.[36]
Neben dem Filmprogramm gibt es mit den Industry Days und der integrierten Explorer Konferenz über die Herausforderungen und Chancen des Produzierens im digitalen Zeitalter und in der nahen und fernen Zukunft, zahlreiche Fachveranstaltungen zu aktuellen Branchenthemen.[37]
Literatur
Bilder malen, Filme malen. Die 1. Hamburger Filmschau von 1968. Frankfurt: Filmbüro Hessen, 1992. LCCN93-160885
↑dpa: Auszeichnungen: Albert Wiederspiel-Preis geht an iranischen Filmregisseur. In: Die Zeit. 27. September 2023, ISSN0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 14. März 2024]).