Der Fußball-Club Germania Helsinki ry, kurz FC Germania Helsinki (FCGH), ist ein Einwanderer-Fußballverein in der Hauptstadtregion und eine der offiziellen auslandsdeutschen Institutionen in Finnland. Die Mitglieder sind zum großen Teil aus den deutschsprachigen Ländern stammende Einwanderer, Finnen mit deutschsprachigem familiären Hintergrund sowie andere in und um Helsinki lebende mehrsprachige Personen. Die erste Mannschaft beendete die Saison 2022 als Tabellenerster ihrer Gruppe in der Vitonen,[6] und stieg damit erstmals in die fünfthöchste Spielklasse Nelonen in der Ligapyramide des finnischen Fußballs auf.
Germania ist die antikePersonifikation für das Gebiet der germanischen Völker, wie z. B. in der Schrift Germania des römischen Historikers Tacitus. Als Fußballvereinsname wurde der Name zum Ende des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts in Deutschland und Österreich oft gewählt, z. B. von einem Vorgängerverein des HSV. Auch deutschsprachige Vereine im Ausland trugen ihn, u. a. der 1899 gegründete Sport Club Germânia – einer der ersten Vereine, die den Fußball in Brasilien etablierten. Die Vereinsgründer bezogen sich bei der Wahl dieses Namens auf diesen und andere berühmte Fußballvereine[7] und wollten gleichzeitig auf das gemeinsame Interesse der Gründungsmitglieder an der deutschen Sprache und dem deutschsprachigen Fußball verweisen,[8] wobei die Vereinsarbeit von Anfang an international und mehrsprachig ausgerichtet war.[9]
Vereinssymbole
Die Farben weiß und blau im Vereinslogo spiegeln die Stadtfarben von Helsinki und die finnische Flagge. Boot und Wellen sollen an Helsinkis Stadtwappen erinnern.[10] Das Logo enthält außerdem zwei als Ruder angeordnete schwarz-rot-goldene Vuvuzelas mit einem Fußball am Steuer. Der deutschsprachige Stammtisch in Helsinki Saksalaiset („Deutsche“ oder „die Deutschen“), der als „Wiege“ des FC Germania gilt,[11] benutzt seit der Fußballweltmeisterschaft 2010 eine solche Vuvuzela als Erkennungszeichen.[12][13]
Die Farben der Heim- und Auswärtstrikots wurden gewählt, um einerseits die Nationalfarben Blau und Weiß des Gastlandes Finnlands aufzunehmen und anderseits der Spielerkleidung deutscher Mannschaften zu ähneln. Wie heute die deutsche Fußballnationalmannschaft spielte schon die 1915 in Mexiko gegründete Einwanderermannschaft FV Germania in den Farben Weiß und Schwarz.
Der Spitzname in nicht idiomatischem FinnischSe joukkue (etwa „DIE Mannschaft“) bezieht sich auf den 2015 für die deutsche Fußballnationalmannschaft erfundenen Namen, der offiziell nicht mehr verwendet wird.[14][15]
FC Germania hat kein eigenes Stadion. Vor der offiziellen Vereinsgründung fand regelmäßig freies Training im Sportpark Talin liikuntapuisto in Helsinkis Stadtteil Munkkivuori statt. Später wurde Vallilanlaakso in Vallila eine Art Stammplatz.[21] Ansonsten trainieren die verschiedenen Mannschaften auf wechselnden Plätzen wöchentlich das ganze Jahr über. Neben dem Ligabetrieb werden Freundschaftsspiele, z. B. mit der anderen deutschen Einwanderermannschaft FC Turbine Turku,[22] oder Teilnahmen an Hobbyturnieren organisiert.[23]
Seit der Sommersaison 2016 hat mindestens eine Mannschaft in Helsinkis Kleinfeld-Freizeitliga Harrasteliiga 7vs7 teilgenommen, zeitweise als gemischtes Team. In der Saison 2020 trat der Verein erstmals mit einer Mannschaft in der siebthöchsten Spielklasse Kutonen an, stieg direkt in die Vitonen auf und beendete die Saison auf dem vierten Platz ihrer Gruppe.[24] 2020 nahm die erste Mannschaft ebenfalls zum ersten Mal am Suomen Region's Cup teil und schied in der ersten Runde gegen den Viertligisten FC Futura aus Porvoo aus.[25] Nach einem fünften Gruppenplats in der Saison 2021 erreichte die erste Mannschaft 2022 als Gruppenerste den Aufstieg in die Nelonen, wo sie aktuell (2023) spielt. Seit der Saison 2021 nimmt außerdem eine zweite Herrenmannschaft, unter dem Namen FC Germania/Akademie, an der Kutonen teil.[26][27]
In der Wintersaison 2018/2019 spielte auch eine Damen-Freizeitmannschaft, die FCGH Ladies, für den Verein.[28][29] Seit 2021 trainiert zusätzlich zu den Herrenmannschaften eine gemischte Kindermannschaft im Vorschulalter, aus der langfristig eine Jugendabteilung entstehen soll.[30][31]
Weitere Vereinsarbeit
Mehr als den rein sportlichen Erfolg betonen die Vereinssatzung die soziale und kulturverbindende Funktion der Vereinsarbeit.[32][33][34] Deshalb finden regelmäßig Freundschaftsspiele statt, z. B. gegen ein Team von Häftlingen des Gefängnisses im Stadtteil Sörnäinen 2015, gegen ein Team von irakischen Flüchtlingen 2018, sowie gegen verschiedene nationale und internationale Teams von Parlamentariern und Diplomaten aus Helsinki.[35] Die Deutsche Botschaft in Helsinki führt den FC Germania als eine deutsche Institution in Finnland.[36] Der Verein ist auch bei der Deutsch-Finnischen Handelskammer registriert[37] und arbeitet mit anderen deutschen Institutionen in Finnland zusammen, wie der Deutschen Gemeinde[38] und der Deutschen Schule Helsinki.[39] Gleichzeitig steht die Mitgliedschaft nicht nur Deutschen offen, sondern allen Interessierten ungeachtet der Staatsangehörigkeit oder Muttersprache.[40] Derzeit (2022) hat der Verein mehr als 120 Mitglieder aus mehr als 15 verschiedenen Ländern.[41][42][43]
Persönlichkeiten
Benjamin Bachler (* 1994), ehemaliger Fußballprofi, spielt in der ersten Mannschaft[44]
Tim Becker (* 1977), Jurist, Gründungspräsident,[45][46] spielt in der Freizeitmannschaft[47]
Im Buch Finne dein Glück (2021) nutzt Bernd Gieseking sein Zusammentreffen mit zwei Gründungsmitgliedern in Helsinki als Rahmen, um den Verein und dessen Arbeit in einem eigenen Kapitel zu beschreiben.[62] Im Sommer 2021 berichteten die ARD Sportschau und der Deutschlandfunk über den FC Germania im Rahmen von Beiträgen über Finnlands Teilnahme an der Fußball-Europameisterschaft, den Breitensport und die Fankultur im finnischen Fußball.[63][64] Auch der Deutsche Fußball Botschafter berichtete über die sportliche und kulturverbindende Arbeit des Vereins.[65]
↑René Schwarz: Der FC Germania Helsinki – mehr als nur ein Fußballclub. finntouch.de, 7. September 2018, archiviert vom Original am 1. Oktober 2020; abgerufen am 22. Dezember 2020: „Der Name FC Germania […] steht für große Ambitionen mit einem gewissen Augenzwinkern“
↑René Schwarz: Der FC Germania Helsinki – mehr als nur ein Fußballclub. finntouch.de, 7. September 2018, archiviert vom Original am 1. Oktober 2020; abgerufen am 22. Dezember 2020: „In den Vereinsstatuten wurde frühzeitig festgehalten, dass es sich beim FC Germania Helsinki um einen Club für „Freunde der deutschen Sprache“ handelt.“
↑FC Germania Helsinki – Ein Einwanderer-Fußballverein in Helsinki mit großen Ambitionen. finntastic.de, 13. April 2021, archiviert vom Original am 13. April 2021; abgerufen am 13. April 2021: „Natürlich war unser Verein zu Beginn eine deutschsprachige Initiative, aber er hatte zu keinem Zeitpunkt eine ausschließende Funktion. Bei uns kann jeder mitmachen der in Helsinki und Umgebung wohnt und Spaß am Fußball hat!“
↑René Schwarz: Der FC Germania Helsinki – mehr als nur ein Fußballclub. finntouch.de, 7. September 2018, archiviert vom Original am 1. Oktober 2020; abgerufen am 22. Dezember 2020: „Das Erkennungsmerkmal des Stammtisches, die Vuvuzela in schwarz-rot-goldenen Farben, schaffte es denn auch direkt bis ins offizielle Vereinswappen.“
↑Kauppakamarin tekijät: Oliver Boldt. In: Definitiv. Nr.1. Deutsch-Finnische Handelskammer, 2019, ISSN2242-816X, 40 (finnisch, ahkfinnland.de [PDF]): ”[…] meidän kesken “DIE Mannschaft” eli “SE joukkue””
↑René Schwarz: Der FC Germania Helsinki – mehr als nur ein Fußballclub. In: finntouch.de. 7. September 2018, archiviert vom Original am 1. Oktober 2020; abgerufen am 24. November 2022: „[…] Vereinsschal, mit der Ergänzung „Se joukkue“. Das bedeutet „Die Mannschaft“, eine liebevolle Anspielung auf die DFB-Elf.“
↑Marco Nehmer: Germania Helsinki will bald sein Ehrenmitglied besuchen, Kieler Nachrichten, 20. August 2020, S. 18. Abgerufen am 21. November 2020 „Dähne ist Ehrenmitglied des Vereins, war bei der Gründungsversammlung 2017 dabei.“
↑Jens Grübl: Deutscher Fußball mitten in Finnland. In: Silta-Brücke. Zeitschrift für finnisch-deutsche Zusammenarbeit. Nr.103. Verband der Finnisch-Deutschen Vereine e.V., 2018, ISSN0781-5824, S.13: „… organisiert vom Hauptstadtverein FC Germania Helsinki“
↑FC Germania Helsinki, Mannschaftsprofil bei Transfermarkt.de, aufgerufen am 22. Dezember 2020
↑René Schwarz: Der FC Germania Helsinki – mehr als nur ein Fußballclub. finntouch.de, 7. September 2018, archiviert vom Original am 1. Oktober 2020; abgerufen am 22. Dezember 2020: „Ich persönliche sehe Germania als soziale Initiative, die Leute zusammenbringt, die gerne Deutsch sprechen und Spaß am Fußball haben.“
↑Es geht wieder los: Gemeinsam mit dem FC Germania Helsinki schauen wir im Gemeindesaal alle Deutschland–Spiele bei der Fußball–WM 2018 in Russland… In: Deutsch-–Evangelisch in Finnland. Gemeindebrief der Deutschen Gemeinde in Finnland. Nr.103. Deutsche Evangelisch–Lutherische Gemeinde in Finnland, 2018, ISSN1456-1042, S.17: „Über den Fußball hinaus werden auch weitere soziale Aktivitäten organisiert“
↑Matthias Friebe: Finnland bei der EM: Premiere auf der großen Bühne. In: deutschlandfunk.de. 12. Juni 2021, abgerufen am 13. Juni 2021: „Vor allem den sozialen und kulturverbindenden Aspekt des Fußballs stellt der Verein in den Mittelpunkt seiner Arbeit.“
↑FC Germania Helsinki – Ein Einwanderer-Fußballverein in Helsinki mit großen Ambitionen. finntastic.de, 13. April 2021, archiviert vom Original am 13. April 2021; abgerufen am 13. April 2021: „Ganz zu Beginn im September 2015 haben wir zum Beispiel gegen irakische Flüchtlinge oder dann 2018 gegen ein Fußballteam von Häftlingen des Helsinkier Gefängnisses in Sörnäinen gespielt. Und wir haben auch schon gegen die Helsinki Diplomat Sports, eine internationale Mannschaft von Botschaftsmitarbeitern, eine Mannschaft des finnischen Parlaments oder des finnischen Außenministeriums gespielt. Und anlässlich der letzten WM in Russland gab es 2018 ein Freundschaftsspiel gegen die Mannschaft der russischen Botschaft in Helsinki.“
↑Verein FC Germania Helsinki ry. In: Definitiv. Magazin der AHK Finnland. Nr.1. Deutsch-Finnische Handelskammer e.V., 2020, ISSN2242-816X, S.7: „Neue Mitglieder“
↑Es geht wieder los: Gemeinsam mit dem FC Germania Helsinki schauen wir im Gemeindesaal alle Deutschland–Spiele bei der Fussball–WM 2018 in Russland… In: Deutsch-–Evangelisch in Finnland. Gemeindebrief der Deutschen Gemeinde in Finnland. Nr.103. Deutsche Evangelisch–Lutherische Gemeinde in Finnland, 2018, ISSN1456-1042, S.17.
↑René Schwarz: Der FC Germania Helsinki – mehr als nur ein Fußballclub. finntouch.de, 7. September 2018, archiviert vom Original am 1. Oktober 2020; abgerufen am 22. Dezember 2020: „Ob Schweizer, Österreicher, Holländer oder andere Nationalitäten – alle dürfen mitmachen.“
↑Johannes Ohr: „Schnapsidee“ von drei Deutschen: Germania Helsinki mischt den finnischen Fußball auf. In: merkur.de. Merkur, 15. Juni 2022 (merkur.de): „Aus gut zehn Gründungsmitgliedern wurden inzwischen 122 aus über 15 verschiedenen Ländern.“
↑Verein FC Germania Helsinki ry. In: Definitiv. Magazin der AHK Finnland. Nr.1. Deutsch-Finnische Handelskammer e.V., 2020, ISSN2242-816X, S.7: „Derzeit hat der Verein mehr als 60 Mitglieder aus über 15 Ländern.“
↑Paula Schuth: FC Germania – Ein Stückchen Heimat: Fußball auf Deutsch für Leib und Seele. In: Silta-Brücke: Zeitschrift für finnisch-deutsche Zusammenarbeit. Nr.116. Verband der Finnisch-Deutschen Vereine e.V., 2021, ISSN0781-5824, S.6–7: „Derzeit hat der Verein mehr als 60 Mitglieder aus mehr als 20 Ländern.“
↑René Schwarz: Der FC Germania Helsinki – mehr als nur ein Fußballclub. finntouch.de, 7. September 2018, archiviert vom Original am 1. Oktober 2020; abgerufen am 22. Dezember 2020: „Dort wurden sie sogar vom damaligen deutschen HJK-Torwart Thomas Dähne angesprochen, der fortan einige Male die Spiele der „Germanier“ besuchte und sogar bei der Vereinsgründung anwesend war.“
↑FC Germania Helsinki – ein Verein als Botschafter des deutschen Fußballs. In: fussballbotschafter.de. Deutscher Fußball Botschafter, 18. Juni 2021, abgerufen am 22. Juni 2021: „ein Verein […], der über den Fußball Kulturen verbindet und als internationale Anlaufstelle für Einwanderer in Helsinki gilt.“