Etty Stein-Haller stammte aus der Familie eines sehr religiösen jüdischen Gutsverwalters. Sie hatte zwei Geschwister. Nach dem Besuch der Volksschule erwarb sie auf dem Czernowitzer Gymnasium das Abitur. 1933 ging sie mit 21 Jahren zum Studium der Romanistik zu Verwandten nach Paris, wo sie zunächst eine Sprachschule besuchte. Sie hatte Kontakt zu anderen deutschen Emigranten. 1936 gründete sie mit weiteren emigrierten jungen Leuten, die zu den Familien von Hitlergegnern gehörten, die Gruppe Jeunesse Libre Allemande („Freie Deutsche Jugend“), die sich aus rassistisch, religiös oder politisch verfolgten Jugendlichen unterschiedlicher politischer Prägung zusammensetzte. Etty arbeitete in der kommunistischen Gruppe mit und beteiligte sich an den Aktionen der Französischen Kommunistischen Partei. 1936 lernte sie ihren künftigen Ehemann Peter Gingold kennen, mit dem sie später am Boulevard St. Martin Nr. 11 eine gemeinsame Wohnung bezog. Nach Ausbruch des Krieges und dem Verbot der Kommunistischen Partei Frankreichs wurde Peter Gingold interniert. Zu diesem Zeitpunkt war sie schwanger. Am 5. Juni 1940 wurde ihre Tochter Alice geboren, die sie aufgrund der Deportationen vorübergehend weggeben musste. Sie selbst lebte illegal unter einem anderen Namen mit ihrer Tochter und zwei Kindern einer deportierten Schwester ihres Mannes. Sie unterstützte die Résistance.[1] Sie war als Kurierin für die „Bewegung für Internationale Öffnung“ (M.O.I.) tätig. In ihrer Wohnung wurden Flugblätter und Schriften der Résistance gedruckt, die sie auch verteilte. Sie beteiligte sich auch an der Herausgabe einer Zeitung „Volk und Vaterland“. Als die Situation immer schwieriger wurde, brachte sie bei einer Bauernfamilie in der Champagne die Kinder unter, die sie erst nach Kriegsende wieder abholen konnte.
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges ging Etty Gingold zusammen mit ihrem Mann Peter 1946 in dessen deutsche Heimat. Sie selbst wäre lieber in Frankreich geblieben, denn sie kannte Deutschland ja überhaupt nicht.[2][3] Ihr Ehemann als ein von den NS-Behörden als „Staatenloser“ diskriminierter Deutscher hatte es besonders schwer, sich unter den neuen Verhältnissen zu behaupten. In Frankfurt engagierte sie sich zusammen mit Ehemann Peter Gingold beim Kampf gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik.
Ihre Tochter Silvia erhielt aufgrund des Radikalenerlasses als Mitglied der von den Behörden als verfassungsfeindlich eingestuften DKP keine Anstellung als Beamtin in Hessen.[4]
Karl Heinz Jahnke: Aus dem Leben von Peter und Ettie Gingold. VAS, Frankfurt am Main 2006
Karl Heinz Jahnke: Sie haben nie aufgegeben. Pahl-Rugenstein, Bonn 1998, ISBN 3-89144-255-6
Dorlies Pollmann, Edith Laudowicz: Weil ich das Leben liebe. aus dem leben engagierter Frauen. Darin: Etty Gingold, daß wir nicht überlebt hätten, wenn wir nicht gekämpft hätten, S. 182–196. Köln 1981, ISBN 3-7609-0653-2
Peter Gingold: Paris – Boulevard St. Martin No. 11, Ein jüdischer Antifaschist und Kommunist in der Résistance und der Bundesrepublik. Hrsg. Ulrich Schneider. PapyRossa Verlag, Köln, 2009, ISBN 978-3-89438-407-4Buchvorstellung
Gottfried Hamacher, André Lohmar, Herbert Mayer, Günter Wehner, Harald Wittstock: Gingold, Etty, geb. Stein-Haller, 11.2.1913 (Rumänien) – 2001. (pdf, 873 kB) In: Gegen Hitler. Deutsche in der Résistance, in den Streitkräften der Antihitlerkoalition und der Bewegung „Freies Deutschland“: Kurzbiografien. Dietz, Berlin, 2. Auflage, 2005, S. 65, abgerufen am 9. September 2020.
↑Edith Laudowicz, Dorlies Polmann: Weil ich das Leben liebe, Interview mit Etty Gingold, S. 182–195, Köln 1981
↑Gottfried Hamacher unter Mitarbeit von André Lohmar, Herbert Mayer, Günter Wehner und Harald Wittstock: Gegen Hitler. Deutsche in der Résistance, in den Streitkräften der Antihitlerkoalition und der Bewegung »Freies Deutschland«, Kurzbiografien. Karl Dietz Verlag Berlin 2005, ISBN 3-320-02941-Xonline (Memento vom 5. Oktober 2007 im Internet Archive) (PDF; 894 kB) Abgerufen am 3. August 2011.