Tempel erlernte ab 1837 in Meißen das Handwerk des Lithografen. Von 1840 an begab er sich auf eine mehrjährige Wanderschaft, die ihn unter anderem in die Städte Kopenhagen, Stockholm und Christiania (heute Oslo) führte.
1858 ließ er sich als freischaffender Lithograf in Venedig nieder und heiratete. Seine Lithografien und Zeichnungen waren aufgrund ihrer Detailgenauigkeit geschätzt, und so arbeitete er für Botaniker und andere Naturwissenschaftler.
Tempel, der sich seit seiner Schulzeit für die Astronomie interessierte, erwarb 1858 einen vierzölligen Refraktor. Mit diesem für heutige Verhältnisse eher bescheidenen Instrument entdeckte er 1859 einen Kometen und einen Reflexionsnebel in den Plejaden (siehe Abbildung). Die letztere Entdeckung wurde zunächst angezweifelt, da die Plejaden intensiv beobachtet worden waren, ohne dass der lichtschwache Nebel bis dahin entdeckt worden wäre.
Aufgrund seiner fehlenden akademischen Ausbildung wurde Tempel als Amateurastronom angesehen. In Deutschland erhielt er keine Anstellung. Auch das Namensrecht für die von ihm entdecken Himmelskörper wurde ihm verwehrt. Aufgrund seiner Leistungen erhielt er im Jahre 1860 einen Ruf an die Kaiserliche Sternwarte von Marseille und damit auch das Privileg, Objekte zu benennen. In der Folgezeit entdeckte er fünf Asteroiden und zwölf Kometen, unter anderem den Kometen Tempel-Tuttle.
Nach Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges im Jahre 1870 wurde er des Landes verwiesen und ging zurück nach Italien. 1875 übernahm er die Leitung der kurz zuvor erbauten Sternwarte von Arcetri, südlich von Florenz. Der dort installierte Refraktor war mit einer Öffnung von 283 mm und einer Brennweite von 5370 mm das größte Teleskop Italiens. Mit diesem Instrument untersuchte er neblige Objekte. 1885 erschien in Prag seine Veröffentlichung Über Nebelflecken – nach Beobachtungen angestellt in den Jahren 1876–1879 mit dem Refractor von Amici auf der königlichen Sternwarte zu Arcetri bei Florenz.
Ehrungen
Für seine Leistungen auf dem Gebiet der Astronomie wurde Tempel mehrfach ausgezeichnet. Zu seinem Gedenken wurden der 40 km große MondkraterTempel sowie der Asteroid (3808) Tempel nach ihm benannt. Mehrere von ihm entdeckte Kometen tragen seinen Namen, unter anderem der Komet Tempel 1, der 2005 das Ziel der NASA-Mission Deep Impact war.
Angeregt durch den georgischen Autor, Maler und Verleger Iliazd schuf Max Ernst das KünstlerbuchMaximiliana, ou l’exercice illégal de l’astronomie, erschienen 1964 bei Iliazd in Paris. Max Ernst schuf Graphiken mit surrealistischen Himmelskörpern als Hommage an den Astronomen.
Esercizio illegale dell'astronomia: Max Ernst, Iliazd, Wilhelm Tempel.Biblioteca Nazionale Firenze, Tribuna Dantesca. Centro D, Florenz 2009.
Lutz Clausnitzer: Wilhelm Tempel und seine kosmischen Entdeckungen. (Vorträge und Schriften / Archenhold-Sternwarte Berlin-Treptow; 70), Berlin 1989, ISBN 978-3-86021-010-9.