Um 1909 lernte Jeannin bei Farman in Mourmelon (Frankreich) fliegen und war dann bis Ende 1911 Pilot bei den Aviatik Flugzeugwerken, an denen sein Bruder Anteile besaß. Am 27. April 1910 erwarb er die deutsche Flugzeugführerlizenz Nr. 6 auf dem Flugplatz Johannisthal.[4] Noch im selben Monat stellte er (mit einem nicht dem Reglement entsprechenden Flugzeug) einen Dauerflugrekord von rund zwei Stunden auf. Am 6. August 1910 gewann er den 4. Lanz-Preis in Mannheim auf einem Aviatik-Doppeldecker.[5] Ende September gewann er den Überlandflug Trier-Metz.[6] Im Februar 1912 gründete er in Johannisthal bei Berlin seine eigene Firma und konstruierte mit dem Lothringer René Freindt die „Stahltaube“. 1913/14 baute er für die Heeresverwaltung 37 Stahltauben. Der Preis lag zwischen 22.000 und 25.000 Goldmark pro Stück.
Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs bekam Emile Jeannin unter anderem wegen seiner französischen Abstammung Probleme in Deutschland. Im Mai 1915 gingen aus seinem Flugzeugwerk die National-Flugzeugwerke (NFW) hervor,[7] die 1917 in die Deutschen Flugzeug-Werke (DFW) eingegliedert wurden.
Nach dem Krieg hatte Jeannin in Mülhausen (jetzt Mulhouse) Probleme mit der französischen Militärregierung, die ihm vorwarf, Flugzeuge für Deutschland gebaut zu haben. Aufgrund eines Sittendelikts wurde Jeannin im Mai 1921 in Berlin verhaftet und Ende August wegen eines Vergehens nach § 176 Reichsstrafgesetzbuch (unzüchtige Handlungen an Mädchen unter 14 Jahren) in vier Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten und zu 5 Jahren Ehrverlust verurteilt.[8][9] Nach Verbüßung seiner Freiheitsstrafe ging Jeannin in seine Heimatstadt zurück und wurde 1925 als französischer Staatsbürger anerkannt.
Literatur
Marian Krzyzan, Holger Steinle: Die Jeannin-Stahltaube A.180/14., Verlag Mittler & Sohn, 1989
↑Das vom Deutschen Luftfahrer-Verband in seinen Flugführerlisten veröffentlichte und von vielen Quellen zitierte Geburtsdatum 29. Februar 1874 stellt kein gültiges Kalenderdatum dar (1874 war kein Schaltjahr) und ist falsch.
↑Angaben zum Sterbeort und -datum siehe Randvermerk (Stempelaufdruck) auf Geburtsurkunde (französisch„Décédé(e) à Strasbourg, le dix Avril mil neuf cent cinquante sept.“).
↑Bruno Lange: Das Buch der deutschen Luftfahrttechnik. Band 1, S. 31
↑Der Jeannin-Prozeß. (PDF; 5,5 MB) In: Erstes Beiblatt zur Morgenausgabe der Berliner Volks-Zeitung.Staatsbibliothek zu Berlin, 27. August 1921, abgerufen am 23. Juni 2020 (3. Spalte).