Eisenbahnrecht bezeichnet die öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichenRechtsnormen, die den Bau, den Betrieb, die Wirtschaftsleistungen, die Unternehmensverfassung und die Stellung der öffentlichen Eisenbahnen in der Wirtschaftsordnung regeln.[1][2]
Das Eisenbahnrecht als eigenständiger Rechtssektor
Das Wort Eisenbahnrecht ist zunächst unbestritten ein Sammelbegriff der Praxis, mit dem Normen mit Bezug zur Eisenbahn beschrieben werden können. Daraus kann jedoch nicht zwingend geschlossen werden, dass diese Normen tatsächlich ein eigenständiges Rechtsgebiet bilden. Diese Normen entstammen vielmehr verschiedensten Rechtsgebieten und bilden – anders als etwa das Bergrecht auf den ersten Blick kein zusammengehöriges Ganzes; eine Kodifikation besteht nicht. Die Frage, ob und welche Normen mit Bezug zur Eisenbahn dennoch in einem eigenständigen Rechtsgebiet systematisiert werden können, ist insoweit von Bedeutung für die Rechtswissenschaft, als für die Auslegung von Normen die Geltung überwölbender allgemeiner Rechtsprinzipien und Auslegungsgrundsätze eines Rechtsgebiets von großer Bedeutung ist; ferner ergeben sich aus dieser Einordnung Konsequenzen für die Systematisierung des Rechtsgebietes.[3]
In der wissenschaftlichen Diskussion um die Anerkennung als Rechtsgebiet stand zu Beginn der Entwicklung des Eisenbahnwesens die Vorstellung, dass dieses dem Staats- und Verwaltungsrecht zuzurechnen sei, im Übrigen unter die allgemeines handelsrechtlichen Normen des Frachtrechts falle: Ein Eisenbahnrecht im eigentlichen Sinne gibt es demnach nicht.[4] Diese Position findet auch in der neueren Literatur ihre Anhänger: Eisenbahnrecht bleibe demnach eine bloße Sammelbezeichnung der Praxis ohne eigenen rechtstheoretischen Gehalt.[5] Zunächst konträr hierzu erscheint die Auffassung, dass das Eisenbahnrecht eine eigenständige Rechtsmaterie bilde, die als die „Gesamtheit der für das Eisenbahnwesen geltenden Vorschriften“[6] oder „Summe jener Satzungen, nach welchen in Eisenbahnsachen verfahren werden muss“[7] definiert sei. Ein derart unspezifische und uferlose Definition konnte jedoch nur zu der Erkenntnis führen, dass dann auch eine eigenständige Systematisierung dieses Rechtsgebiets entfällt: Die Normen des Eisenbahnrechts unterfallen letztlich wieder den Grundsätzen der verschiedenen Gebiete des jeweiligen Rechtsgebietes.[8]
Diese Ansichten riefen schon früh Kritik hervor. Friedrich Meili klagte 1889, dass „die Materie des Eisenbahnrechts […] nicht als legitimer Bestandteil der Rechtswissenschaft anerkannt“ werde, obwohl es „kaum etwas Unrichtigeres als diese Zerbröselung und Loslösung der einheitlichen und durchaus selbständigen Materie“[9] gäbe. Die Zunahme an Rechtsnormen mit eisenbahnrechtlichem Bezug hat in neuerer Zeit dem Eisenbahnrecht als Rechtsgebiet zu mehr Aufmerksamkeit verholfen. Das Eisenbahnrecht umfasst hierbei nicht alle Normen, die auf das Eisenbahnwesen Anwendung finden. An die Stelle dieser Definition tritt ein differenzierterer Ansatz; so unterscheidet Kunz zwischen drei Gruppen von Normen mit eisenbahnrechtlichem Bezug:[3]
Normen, die zwar dem allgemeinen Recht entstammen, jedoch Sonderregelungen in Bezug auf Eisenbahnen enthalten oder Normen des allgemeinen Rechts, die expressis verbis nicht auf Eisenbahnen bezogen sind, aber ihr vorrangiges oder alleiniges Anwendungsgebiet im Bereich des Eisenbahnwesens haben, wie z. B. das Eisenbahnkreuzungsgesetz, § 315 StGB, § 1 HPflG.
Normen, die dem allgemeinen Recht entstammen und die auf das Eisenbahnwesen wie auf alle anderen Rechtssubjekte gleichermaßen Anwendung findet.
Rechtsquellen (Auswahl)
Allgemeine Gesetze
Die wichtigsten deutschen Gesetze und Verordnungen sind:
Aufsichtsbehörde vor allem für den technischen Bereich, bauliche und betriebliche Fragen sowie alle sicherheitsrelevanten Aspekte für die Eisenbahnen des Bundes und alle ausländischen EVU ist das Eisenbahnbundesamt (EBA) in Bonn.[11]
Im Bereich des Schienenpersonennahverkehrs sind große Teile der Kontrollaufgaben den Bundesländern übertragen, da diese entsprechend dem Regionalisierungsgesetz als Aufgabenträger zuständig sind. Ein Teil der Länder hat diese Funktion an kommunale Zweckverbände delegiert. Die Bundesländer sind zudem Aufsichtsbehörde für die regional tätigen Nichtbundeseigenen Eisenbahnen, soweit sie diese Funktion nicht dem EBA übertragen haben.[11]
Wolfgang Kunz: Das Eisenbahnrecht – Eine Rechtsmaterie? Ein Plädoyer für ein eigenständiges Rechtsgebiet. In: Transportrecht. Zeitschrift für das gesamte Recht der Güterbeförderung. 2006.
Michael Ronellenfitsch, Ralf Schweinsberg, Iris Henseler-Unger: Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts XV – Vorträge im Rahmen der Tagung am 2. und 3. September 2009 in Tübingen. Kovač, Hamburg 2010, ISBN 978-3-8300-5308-8.
Thomas Schmitt und Erik Staebe: Einführung in das Eisenbahn-Regulierungsrecht. C.H. Beck, München 2010, ISBN 978-3-406-60343-3.
Einzelnachweise
↑Brockhaus – Enzyklopädie in zwanzig Bänden. 17. Auflage. F.A. Brockhaus, Wiesbaden 1968, Band 4, S. 349.
↑ abWolfgang Kunz: Das Eisenbahnrecht – Eine Rechtsmaterie? Ein Plädoyer für ein eigenständiges Rechtsgebiet. In: Transportrecht. Zeitschrift für das gesamte Recht der Güterbeförderung. Juli/August, 2006, S.274–296.
↑Roderich von Kienitz: Das deutsche Eisenbahnrecht. In: Zeitung des Vereins mitteleuropäischer Eisenbahnen. 1927, S.619.
↑Karl Strupp und Hans-Jürgen Schlochauer: Wörterbuch des Völkerrechts. BandI. de Gruyter, Berlin 1960, Eisenbahnrecht, Internationales, S.417.
↑Wilhelm Endemann: Das Recht der Eisenbahnen. Fues, Leipzig 1886, S.5.
↑Max Haushofer: Grundzüge des Eisenbahnwesens in seinen ökonomischen, politischen und rechtlichen Beziehungen. Maier, Stuttgart 1873, S.5.
↑Wilhelm Weil: Die Eisenbahnen im Völkerrecht. Gebrüder Petmecky, Kiedrich 1913, S.55.
↑Friedrich Meili: Die internationalen Unionen über das Recht der Wettverkehrsanstalten und des geistigen Eigentums. Duncker & Humblot, Leipzig 1889, S.59.
↑landesrecht-bw.deVerordnung über den Ausgleich gemeinwirtschaftlicher Leistungen im Eisenbahnverkehr