Die Wahrheit war eine jüdische Wochenzeitung, die zwischen 1885 und 1938 in Wien erschien. Der Zeitungsvertrieb wurde 1933 im nationalsozialistischen Deutschen Reich verboten. Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich wurde die Zeitung auch dort verboten und erschien am 11. März 1938 zum letzten Mal.
Das Motto der Zeitung war Das Siegel Gottes ist Wahrheit. Die Zeitung erschien mit verschiedenen Untertiteln, was auf ideologische Verschiebungen schließen lassen kann:[1]
Unabhängige Zeitschrift für jüdische Interessen
Deutschösterreichische Wochenschrift für jüdische Interessen. Veröffentlichungen der Union deutsch-österreichischer Juden
Österreichische Wochenschrift für jüdische Interessen
Jüdische Wochenschrift
Der Begründer und Chefredakteur der Zeitung war Jakob Bauer (1852–1926)[2], der seit 1881 auch Herausgeber der Österreichisch-Ungarischen Cantoren-Zeitung war, die ab 1899 bis 1912 als Beilage der Wahrheit erschien.[3] Weitere Chefredakteure waren Alois Kulka[4], M. Löwy, Ludwig Hirschfeld (1873–1931)[5] und dessen Sohn Oskar Hirschfeld. Der zunehmende Antisemitismus in Österreich und im Deutschen Reich in den 1920er Jahren veranlasste Bauers Nachfolger Ludwig Hirschfeld zu einer stärkeren politischen Ausrichtung. Die Zeitung war an die politischen Ziele der Österreichisch-Israelitischen Union einer Integrationspolitik angelehnt und propagierte das Zusammenleben der Juden und Nicht-Juden in den europäischen Staaten. Sie rückte damit von den politischen Zielen des Zionismus ab. Die Zeitung diente auch für Veröffentlichungen der Österreichisch-Israelitischen Union. Freie Mitarbeiter der Zeitung waren unter anderen Jakob Ornstein (1859–1939) und Max Grunwald, welcher eine Serie Frauenporträts schrieb; auch Frauen schrieben in den 20er Jahren für die Zeitung. Die Berichterstattung konzentrierte sich auf die Berichte aus der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG), was sich 1936 änderte, als die zionistische Fraktion die Mehrheit in der Gemeinde erreicht hatte und die eigenen Publikationen bediente.
Die Zeitung erschien freitags und hatte meistens 16 Seiten Umfang.
Dieter Hecht: Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt. Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938. In: Frank Stern, Barbara Eichinger (Hrsg.): Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938. Akkulturation – Antisemitismus – Zionismus. Böhlau, Wien/Köln/Weimar 2009, ISBN 978-3-205-78317-6, S. 99–115, bes. 105 ff. (Vorschau in der Google-Buchsuche).
Esther Schmidt: „Wo das Leben zu einem offenen Marktplatz geworden“: Die jüdische musikalische Fachpresse im 19. Jahrhundert. In: Michael Nagel (Hrsg.): Zwischen Selbstbehauptung und Verfolgung. Deutsch-jüdische Zeitungen und Zeitschriften von der Aufklärung bis zum Nationalsozialismus (= Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien [Hrsg.]: Haskala. Band 25). Olms, Hildesheim/Zürich/New York 2002, ISBN 3-487-11627-8, S. 187–215, hier S. 206 f., 215 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
↑Dieter Hecht: Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt. 2009, S. 106.
↑Jakob Bauer bei: Salomon Wininger: Große jüdische National-Biographie. Band 1. Kraus Reprint, Nendeln 1979, ISBN 3-262-01204-1, S. 263 f. (Nachdr. der Ausgabe Czernowitz 1925). Und: Georg Herlitz, Bruno Krischner (Hrsg.): Jüdisches Lexikon. Ein enzyklopädisches Handbuch des jüdischen Wissens in vier Bänden. Band 1. Berlin 1927, S. 760 f.
↑Esther Schmidt: „Wo das Leben zu einem offenen Marktplatz geworden…“. S. 206–215.
↑Alois Kulka bei: Salomon Wininger: Große jüdische National-Biographie. Band 3. Kraus Reprint, Nendeln 1979, ISBN 3-262-01204-1, S. 550 (Nachdr. der Ausgabe Czernowitz 1925).
↑Ludwig Hirschfeld, 26. Dezember 1873 bis 26. Juni 1931, siehe seinen Grabstein, ebenso die Beerdigungsanzeige in Die Wahrheit, 3. Juli 1931, S. 8, Sp. 2 (uni-frankfurt.de). Abweichend davon 1876 beim Internetarchiv jüdischer Periodika. Nicht zu verwechseln mit dem Journalisten und Schriftsteller Ludwig Hirschfeld (1882–1943/45).