Die Perser (altgriechischΠέρσαιPersai) ist eine der großen Tragödien des griechischen Dichters Aischylos. Uraufgeführt im Jahre 472 v. Chr., gilt das Stück als das älteste erhaltene Drama der Welt. Die Perser behandelt den Untergang der persischen Flotte in der Seeschlacht von Salamis aus der fiktiven Sicht des persischen Königshofes.
Das Stück beginnt mit einem Monolog des Chorführers, der als Vertreter der persischen Edelleute ausführlich erzählt, wie sich das gewaltige Heer des Perserkönigs Xerxes I. auf den Weg nach Griechenland macht, um die Niederlage seines Vaters Darius I. bei Marathon zu sühnen und die griechischen Städte seinem Reich anzuschließen. Darauf fällt der restliche Chor ein und führt die Erzählung weiter, berichtet dabei nicht nur von ersten Siegen, sondern auch von der Unterjochung des Meeres selbst – gemeint ist der Bau einer Brücke über den Hellespont, der die Erdteile Asien und Europa voneinander trennt. Doch auch die Sorge der einsam leidenden Perserfrauen um ihre in den Krieg gezogenen Männer bleibt nicht unerwähnt.
Nun tritt die Königinmutter Atossa auf, Frau des verstorbenen Darius, die den versammelten Chor der Edelleute um Rat bittet. In einem Traum hat sie zwei Schwestern gleichen Stammes gesehen, die eine in persischem, die andere in griechischem Gewand, die bald in Streit und Zank gerieten. Xerxes versuchte, sie zu besänftigen und den Streit zu schlichten, indem er beide unter einem Joch vor seinen Wagen spannte. Doch wo die eine dieses willig annahm, zerriss die andere ihre Bande und schleifte den Wagen zügellos davon. Dadurch stürzte Xerxes unter den Augen seines Vaters vom Wagen. Dessen gewahr geworden, zerriss er aus Scham seine Kleider.
Als Atossa daraufhin den Göttern opfern will, um mögliches Leid von ihrem Sohn abzuwenden, erblickt sie einen Adler, der vergeblich versucht, sich am Altar vor dem angreifenden Habicht in Sicherheit zu bringen, und sich diesem dann willenlos preisgibt.
Nach dem Rat der Chorherren, in Demut vor die Götter zu treten, entspinnt sich ein Zwiegespräch zwischen Atossa und dem Chor, in dem Atossa ihn über Athen und seine Gebräuche befragt. Auf die Mitteilung, Athen habe keinen Gebieter, reagiert sie mit Unverständnis.
Nun tritt ein Bote auf, der – kommentiert vom Wehklagen des Chores und später im Gespräch mit Atossa – ausführlich vom schmachvollen Untergang der persischen Flotte erzählt, den allein Xerxes mit wenigen Getreuen überlebt hat. Nach seinem und Atossas Abgang bricht der Chor abermals in Wehklagen aus, weist auf die unzähligen von bitterem Leid getroffenen Mütter hin, die jung verheirateten Frauen, die nun Witwen sind – aber auch auf den Verlust der Schiffe und die schmachvolle Flucht des Herrschers. Selbst in Asien verweigern die Völker nun die Tribute.
Atossa kehrt schlicht gekleidet zurück, um mit Unterstützung des Chors ihren toten Gemahl Darius heraufzubeschwören. Diesem ist es für kurze Zeit gestattet, von den Toten zurückzukehren. Im Gespräch mit Atossa prangert er den Frevel des Xerxes an, der mit dem Brückenschlag am heiligen Hellespont das Meer mit Ketten fesseln wollte und so vermessen den Gott Poseidon selbst herausgefordert habe. Aber auch die gotteslästerlichen wüsten Zerstörungen der Heiligtümer und den Raub der Götterbilder beklagt er als Taten des Hochmuts, der noch durch schlimmes Leid zu büßen sein werde. Mit der Bitte, seinen Sohn dennoch eines Königs würdig zu empfangen, versinkt er wieder im Boden.
Nach einem Loblied des Chors auf den weisen Darius, der mit Einsicht und Klugheit regierte, tritt endlich Xerxes selbst auf, in zerrissenen Kleidern und mit einem leeren Köcher in der Hand. Sein Schicksal beklagend und mit sich selbst hadernd, nähert er sich dem Chor, der ihm vorwirft, dass er die Blüte seines Volkes in das Totenreich Hades hinab geschickt habe. Xerxes sieht sich durch einen Gott selbst besiegt und in bitterem Wehklagen zwischen ihm und dem Chor klingt das Stück aus.
Aufbau des Stückes
Die Perser lässt sich in fünf Szenen unterteilen. Anfangs sind nur Chor und Chorführer auf der Bühne. Dann kommt Atossa hinzu. Sie führt einen langen Dialog mit dem Chorführer. Als der Bote kommt, führt Atossa mit ihm einen Dialog, der Chorführer schweigt. Erst als der Bote abgegangen ist, spricht der Chorführer wieder, zu Atossa. In der vierten Szene führt Atossa einen langen Dialog mit Dareios’ Geist, während der Chorführer schweigt, solange der Geist anwesend ist. In der letzten Szene, als Xerxes auftritt, sind nur noch Chor und Chorführer auf der Bühne.
Werkgeschichte
Aischylos’ Werk „Die Perser“ beruht auf der historischen Niederlage des persischen Großkönigs Xerxes I. in der Seeschlacht von Salamis im Jahre 480 v. Chr., an der Aischylos selbst auf griechischer Seite teilnahm. Es basiert zudem stilistisch auf dem Werk „Die Phönissen“ (= Die Phönizierinnen) von Phrynichos. Es wurde im Jahr 472 v. Chr. erstmals aufgeführt und bei den Dionysien mit dem ersten Preis ausgezeichnet. Zusammen mit den verlorengegangenen Tragödien Phineus und Glaukos Potnieus sowie dem Satyrspiel Prometheus Pyrkaios bildete es eine Tetralogie.
Die Tragödie Die Perser gilt trotz des offen zu Tage tretenden Stolzes über den errungenen Sieg als herausragendes Beispiel dafür, wie auch der im Triumph geschlagene Feind nicht herabgesetzt werden muss, sondern durch die kunstvolle Spiegelung der „Gegenseite“ inmitten der ganzen Tragik seiner Niederlage gesehen werden kann. Nicht das eigene Handeln, sondern die Taten der durch Frevel und Hybris erzürnten Götter entscheiden das Schicksal des tragischen Helden Xerxes, dessen Volk, die Perser, hier als Schwestervolk gesehen wird.
Deutsche Übersetzungen
Eine bekannte Übertragung des Stoffes ins Deutsche stammt von Lion Feuchtwanger, die Annie Rosar am 23. März 1916 in München als Rezitation uraufführte. Daneben entstanden im 20. Jahrhundert viele weitere Übersetzungen, z. B. von Oskar Werner (1940), Ernst Buschor (1953), M. Braun (1961), Dietrich Ebener (1976 u. ö.), Wolfgang Schadewaldt (1983) und G. Kelling (1993). Auf die dichterische, bühnenwirksame Version von Durs Grünbein (2001) folgte zuletzt wieder eine mehr philologische Übersetzung von Kurt Steinmann (2017). Die verbreitetste dürfte jedoch Emil Staigers Übersetzung aus Reclams Universalbibliothek sein. Eine aktuelle Übersetzung lieferte Peter Witzmann 1992 mit seiner Interlinearübersetzung. Diese wurde in einer Überarbeitung von Heiner Müller zum Gegenstand neuerer Aufführungen – unter anderem im Juni 2008 in Braunschweig im Rahmen des Festivals „Theaterformen“.[1]
Eine weitere Bearbeitung fand der Stoff durch den KomponistenKlaus Lang, der ihn als Werk für Musiktheater arrangierte, das unter der Leitung von Paul Esterházy am 14. Juni 2003 am Theater Aachen uraufgeführt wurde.[2] Wenige Tage später folgte die Musiktheater-Version von Frederic Rzewski in Bielefeld.[3] Im Juli 2009 wiederholte Dimiter Gotscheff beim Epidauros Festival in Griechenland seine berühmte Perser-Aufführung aus dem Deutschen Theater von 2007.[4]
Claudia Bosse inszenierte „Die Perser“ mit drei verschiedenen Konzepten und Architekturen in drei unterschiedlichen Städten: 2006 in Genf mit 180 Chorteilnehmern und vier Protagonisten, im selben Jahr in Wien mit zwölf Chorteilnehmern und drei Protagonisten, sowie 2008 in Braunschweig, wo der Chor aus 340 Personen bestand und sich gemeinsam mit vier Protagonisten und 230 Zuschauern die Bühne des Staatstheaters in Braunschweig teilten.[5] Der Stoff war zudem Bestandteil von Claudia Bosses „2481 desaster zone“ im Oktober 2009 in Wien.[6]
Dietrich Böer: Aischylos. Die Perser. Grundlagen und Gedanken zum Verständnis des Dramas. Für den Schulgebrauch zusammengestellt. Frankfurt a. M., Berlin, München, 1972.
Karl Deichgräber: Die Persertetralogie des Aischylos. Mit einem Anhang: Aischylos' Glaukos Pontios und Leon. In: Akademie der Wissenschaften und der Literatur: Abhandlungen der geistes- und sozialwissenschaftlichen Klasse. Jhrg. 1974.
Wilhelm Kierdorf: Erlebnis und Darstellung der Perserkriege. Studien zu Simonides, Pindar, Aischylos und den attischen Rednern. Göttingen, 1966.
Siegfried Melchinger: Das Theater der Tragödie. Aischylos, Sophokles, Euripides auf der Bühne ihrer Zeit. München, 1974.
Ann N. Michelini: Tradition and dramatic Form in the Persians of Aeschylus. Leiden, 1982.
Gustav Adolf Seeck: Dramatische Strukturen der griechischen Tragödie: Untersuchungen zu Aischylos. München, 1984.
Wege zu Aischylos. Zweiter Band: Die einzelnen Dramen. Hrsg. v. Hildebrecht Hommel. Darmstadt, 1974.
Rezeption
Jonas Grethlein: Variationen des „nächsten Fremden“. Die Perser des Aischylos im 20. Jahrhundert. In: Antike und Abendland 53, 2007, S. 1–20.