Für das größtenteils am linken Rheinufer gelegene Köln liegt das rechtsrheinische Deutz auf der „Schäl Sick“ – der „falschen Seite“, bildet aber mit Altstadt-Nord und -Süd sowie Neustadt-Nord und -Süd den Stadtbezirk Köln-Innenstadt. Deutz grenzt im Osten an die Stadtteile Kalk und Humboldt/Gremberg. Im Süden liegt der Stadtteil Poll; im Westen und im Nordwesten grenzt Deutz an den Rhein und im Nordosten an Mülheim.
Geschichte
Um das Jahr 310 errichteten die Römer unter Kaiser Konstantin eine Rheinbrücke, um bei den zunehmenden Aufständen der Germanen möglichst schnell Truppen über den Rhein zu bringen. Aber auch für den Handel mit den Germanen war die Brücke nützlich. Zu ihrer Sicherung wurde auf dem rechten Rheinufer das Kastell Divitia errichtet. Dessen Name ist erstmals auf dem Grabstein des Soldaten Viatorinus bezeugt, der in der 2. Hälfte des 4. oder Anfang des 5. Jahrhunderts errichtet wurde,[3] und dann erst wieder in der Frankengeschichte des Gregor von Tours aus dem 6. Jahrhundert.[4] Die Rheinbrücke wurde von den später nachfolgenden Franken vernachlässigt und etwa 500 Jahre später wahrscheinlich[5] abgebrochen, danach war Köln für mehr als 1000 Jahre ohne festen Rheinübergang.
Zur Überfahrt dienten im Mittelalter und in der Neuzeit Fähren, ein von Erzbischof Bruno (953–965) kurkölnischesLehen an Deutzer Fährherren. Laut der Chronik von Peter Simons[6] scheint es mindestens zwei Fahrzeuge, einen Nachen und ein größeres Vlotschiff – zum Transport von Gütern und Vieh – gegeben zu haben, die von insgesamt zwölf Personen betrieben wurden, was aber angeblich erstmals 1428 beurkundet wurde. Ab 1674 wurde die an Seilen verankerte Fliegende Brücke, die Gierponte, in Betrieb genommen. 1794 errichteten einrückende Franzosen für kurze Zeit eine stehende Schiffsbrücke, der aber schließlich 1822 eine dauerhafte Schiffsbrücke folgte.[7] Vom 3. März 1791 bis zum 29. Juli 1793 war die fliegende Brücke im Streit aus Deutz verlegt worden. Sie führte dann vom linksrheinischenBayenturmrechtsrheinisch unter Umgehung von Deutz wahrscheinlich auf Poller Gebiet, auf die Poller Wiesen.[6]
Im Rheinpark ist noch die Umwallung des ehemaligen Forts XII (später als XV nummeriert) erkennbar.[10] An das später errichtete Fort XII auf dem ehemaligen Windmühlenberg im Süden erinnert die Straße Fort Rauch.[11] Die Lünette 1 ist in der Nähe des Judenfriedhofes noch an den Wällen erkennbar. Zwischen Benediktinerabtei und dem späteren Eisenbahngelände innerhalb der Festungsmauern wurde für die Kürassiere ein Kasernenneubau errichtet, der nach dem Ersten Weltkrieg umgebaut wurde und anschließend das Rheinische Museum aufnahm (heute Landeshaus Köln).
1859 bis 1861 wurde mit der St.-Johannes-Kirche die erste neue evangelische Kirche im Rechtsrheinischen gebaut. 1857 wurde die Bürgermeisterei Deutz in die Stadt Deutz und in die Bürgermeisterei Deutz-Land geteilt. Letztere wurde 1867 in Bürgermeisterei Kalk umbenannt. Schließlich folgte 1888 im Rahmen der „großen Eingemeindungen“ der Stadt Köln auch die Eingemeindung der Stadt Deutz und der Gemeinde Poll in die Stadt Köln. Kalk und Vingst wurden 1910 in die Stadt Köln eingemeindet.
1907 wurde der seit längerem benötigte leistungsfähige Rheinhafen für die Industrie im Deutzer Umland in Betrieb genommen. Die Dombrücke wurde 1911 durch die Hohenzollernbrücke an gleicher Stelle ersetzt. 1913 wurde der heutige Deutzer Bahnhof eröffnet. 1915 wurde als zweite Rheinbrücke in Deutz die Deutzer Brücke eröffnet. 1959 folgte mit der Severinsbrücke die dritte Brücke, die Deutz mit der Innenstadt verbindet. Ab 1922 wurden am Rheinufer nördlich der Hohenzollernbrücke die ersten Bauabschnitte der Kölner Messehallen (Rheinhallen) errichtet.
Seit 1. Januar 1975 gehört Deutz zum neu gegründeten Stadtbezirk Innenstadt. Im Rahmen der Stadtentwicklung es seit den 1990er-Jahren zu verschiedenen Neubauten und Neuansiedlungen, z. B. der Lanxess Arena, des Stadthauses, des Kölntriangles und verschiedener Hotels sowie zum Umbau der Koelnmesse. Ein Einspruch der UNESCO stoppte den Bau von fünf Hochhäusern, die den Südeingang der Messe markieren sollten, da sie die Sichtwirkung des WeltkulturerbesKölner Dom bedrohen würden.[13]
Bevölkerungsstatistik
In Deutz leben 15.785 Menschen.
Die Struktur der Bevölkerung von Köln-Deutz (2021)[14]:
Durchschnittsalter der Bevölkerung: 41,4 Jahre (Kölner Durchschnitt: 42,3 Jahre)
Im Rahmen der Regionale 2010 wurde die Rheinufergestaltung zwischen Deutzer Brücke und Hohenzollernbrücke unter dem Namen Rheinboulevard geplant. Bei den Bauarbeiten wurden am Rheinufer geschichtliche Zeugnisse von der Römerzeit bis in die Gegenwart entdeckt, die in dieser Folge und Konzentration eine Besonderheit in Deutschland sind. Aus einer deshalb im Sommer 2010 gegründeten Bürgerinitiative für die Erhaltung dieses kulturellen Erbes ging Ende 2011 der Förderverein Historischer Park Deutz hervor. Infolge des breiten zivilgesellschaftlichen Engagements für die historischen Funde[15][16][17] wurde 2011 ein Moderationsverfahren mit der Stadt Köln durchgeführt, in dessen Planungswerkstätten die mögliche Umsetzungen eines Historischen Parks erarbeitet wurden.[18] Ab 2013 übernahm der Förderverein die Patenschaft über die Reste des Kastells Divitia und kümmert sich auch in Folge ehrenamtlich um den Erhalt der Denkmäler.[19]
Zu den archäologischem Funden gehörten unter anderem:
Turm- und Mauerreste des römischen Kastells
Fundamente der Kirche Alt St. Urban
Grabstätten
Fundamente eines mittelalterlichen Wehrturms
Fundamente einer Drehscheibe am ehemaligen Bahnhof Schiffbrücke der Bergischen-Märkischen Eisenbahngesellschaft
Bahndammmauerreste der Bergisch-Märkischen Eisenbahngesellschaft
Tunnelteilstück der Liliputbahn
Am 13. Juli 2015 wurde der untere Teil des Rheinboulevards mit der Freitreppe eröffnet. Oberhalb der Treppe wurde bis Ende 2016 ein Panoramaweg und der eigentliche Boulevard fertiggestellt.[20] Dieser erzielt beim Kölner Architekturpreis 2017 eine Anerkennung[21]. Da der Rheinboulevard bei Massenandrang eine Sturzgefahr von den hohen Stufen birgt und nur eingeschränkte Fluchtwege bietet, bleibt er beim Großfeuerwerk Kölner Lichter gesperrt.[22]
2017 wurde das Projekt mit dem Deutschen Landschaftsarchitekturpreis ausgezeichnet, der höchsten deutschen Auszeichnung für Landschaftsarchitektur.[23]
Als Poller Wiesen wird im allgemeinen Sprachgebrauch immer mehr das gesamte Rheinufer zwischen dem Molenkopf des Deutzer Hafens und der Rodenkirchener Brücke bezeichnet, obwohl dies ursprünglich und historisch korrekt nur den Wiesenbereich rheinabwärts der Südbrücke bezeichnete, der seit der Eingemeindung Polls zu Köln 1888 heute zum Stadtteil Köln-Deutz gehört. Am 24. Oktober 2005 wurden die Poller Wiesen aufgrund ihrer historischen Bedeutung – unter anderem wegen der mittelalterlichen Uferbefestigungen (Poller Köpfe), von denen noch Reste im Boden vorhanden sind – in die Bodendenkmalliste des Landes Nordrhein-Westfalen aufgenommen.[24]
Sie werden – trotz Lage im Überschwemmungsbereichs des Rheins – gelegentlich auch für größere Veranstaltungen genutzt, z. B. anlässlich des Katholischen Weltjugendtages 2005 und des Deutschen Evangelischen Kirchentages 2007 als Versammlungsort. 2003 fand dort eine (gewaltsam beendete) Veranstaltung der europäischen Antifa-Bewegung gegen Rassismus statt.[25]
Der offene, unbebaute Bereich der Poller Wiesen im Ortsbereich Deutz wird für vielerlei Zwecke genutzt. Er ist auch ein beliebtes Gebiet, um Drachen steigen zu lassen bzw. im Sommer zu sonnen und zu grillen. Er ist zudem Landschaftsschutzgebiet.
Die Umwallung Deutz wurde von 1818 bis 1822 unter der Gesamtleitung von Generalleutnant Gustav von Rauch, Generalinspekteur aller preußischen Festungen, errichtet. Ab 1907 und Folgejahre erfolgte die so genannte „Schleifung“, bei der die Deutzer Stadtmauer vollständig abgebrochen wurde. Im Gegensatz zur linksrheinischen Stadtmauer sind von der rechtsrheinischen Stadtmauer keine Tore etc. zurückgelassen worden, so dass heute keine Spuren mehr sichtbar sind. Lediglich die Straßenführung (Kasemattenstraße, Graf-Geßler-Straße, Reischplatz, Helenenwallstraße) als Verlauf der ehemaligen Wallstraße und die mit Basaltsteinen versehene Anhöhe in der Kasemattenstraße erinnern noch daran.
Städtebaulich sorgte der Abbruch der Stadtmauer für die erste auch architektonisch geplante Stadtteilerweiterung in Deutz. Erkennbar u. a. mit den sonst vor allem in Deutz untypisch sehr breiten städtischen Gehwegen und den symmetrisch gestalteten Von-Sandt-Platz, die der Kölner Gartenmeister Fritz Encke schuf.[27] Die meisten Gebäude davon entstanden nach dem Ersten Weltkrieg durch den „Beamten-Wohnungsverein zu Köln“.[27]
Kriegspulvermagazin Deutz
Schaurtestraße 1828/29: erbaut um 1907 in städtischen Besitz übergegangen, Bau des Deutzer Gymnasiums; keine Spuren mehr sichtbar.
Deutz-Mülheimer Straße, frühere Bezeichnung Fort XIII; 1857–1859: erbaut anstelle der früheren Lünette 8, Entwurf: Heinrich Ferdinand Schubert mit Veränderungen von Ernst Ludwig von Aster und Carl Ferdinand Busse; um 1910: abgebrochen und auf dem Gelände Paketpostamt errichtet; ab etwa 2000: Designzentrum, Hotel und Verwaltungsgebäude der Lufthansa; heute keine Spuren sichtbar.
Fort XIII, Fort Rauch
Fort XIII, Fort Rauch (benannt nach General Gustav von Rauch, Generalinspekteur der preußischen Festungen), Siegburger Straße, frühere Bezeichnung Fort XV; 1861–1863: entstanden durch den Umbau der Lünette am Windmühlenberg von 1855; vor dem Ersten Weltkrieg: Artilleriedepot; um 1958/59: Abbruch, heute: erhalten: eine Kaponniere im Keller eines Gebäudes der Strabag AG.
Lünetten
Lünette 1
Lünette 1, Am Judenfriedhof, heute Deutzer Stadtgarten, frühere Bezeichnung Lünette IX; 1855 erbaut als defensibles Friedenspulvermagazin mit der Bezeichnung Am Judenfriedhof; 1859–1864 zur Lünette umgebaut; 1919/20: umgestaltet zum grünen Fort, Entwurf: Fritz Encke, Nutzung als Gastwirtschaft; nach 1967: Bauwerk wegen Baufeuchtigkeit zerstört; heute: im Grüngelände Grundriss und Umriss in etwa noch ablesbar.
Lünette 2
Lünette 2, östlich des Altbaus des Eduardus-Krankenhauses, frühere Bezeichnung Lünette IX; 1828/29: als defensibles Friedenspulvermagazin erbaut; 1832/33: umgebaut zur Lünette; Ende der 1990er Jahre: Beseitigung der letzten Geländespuren; heute: Erweiterungsbau des Eduardus-Krankenhauses.
Verkehr
Eisenbahn
Im Bahnhof Köln Messe/Deutz halten nahezu alle Züge, die auch im Kölner Hbf halten, mit Ausnahme der Züge des Fernverkehrs. Dafür halten auf den Tiefbahnsteigen des Bahnhofs einige ICEs, u. a. der Relationen Essen – München (stündlich) und Köln/Bonn Flughafen – Berlin, die nicht zum Hauptbahnhof fahren, da sie dort die Fahrtrichtung ändern müssten.
Richtung Norden führt die Deutz-Mülheimer-Str. und daran anschließend der Pfälzische Ring zur sogenannten „Stadtautobahn“ B 55a an der Zoobrücke. Von hier kann die A 3 Richtung Norden – Düsseldorf/Duisburg/Oberhausen – erreicht werden und die A 1 nach Wuppertal und Dortmund sowie die A 4 in östlicher Richtung nach Olpe. Die Severinsbrücke und ihr folgend der Deutzer Ring sind Teil der B 55.
Schiffsverkehr
Der Verkehr auf dem Wasser wird in Deutz vom Deutzer Hafen vertreten. Ende 1904 wurde mit dem Bau begonnen. 1907 wurde der Hafen fertiggestellt und seiner Bestimmung übergeben. Der Deutzer Hafen ist für den Güterumschlag auch weiterhin unverzichtbar. Mit rund einer halben Million Tonnen Umschlag im Jahr behauptet er bis heute seinen Stellenwert als Umschlagplatz vor allem für Getreide, Kreide und Schrott. Der Hafen mit einer Wasserfläche von 81.400 Quadratmetern wird von der HGK betrieben. Der Hafen hat einen eigenen HGK-Gleisanschluss. Im Vorhafenbereich unterhalb der historischen Drehbrücke ist die Hafenfeuerwache Köln und die Wasserschutzpolizei stationiert.
In Höhe des Stromkilometers 689, unmittelbar nördlich angrenzend zur Hohenzollernbrücke, verbindet die Rheinfähre „Strolch“ den Messebereich mit der Innenstadt.
2005 trennte sich die Koelnmesse von den Rheinhallen. Bezogen wurden diese von den ehemaligen Kölner Gerling-Versicherungen, einem Teil des heutigen Talanx-Konzerns mit dessen Töchtern Aspecta AG und Talanx Asset Management GmbH. Innerhalb der historischen Backsteinfassade der alten Messehallen entstand das neue Sendezentrum des Medienunternehmens RTL Deutschland. 2010 wurden von dort die ersten Sendungen ausgestrahlt.
Auch die größte Getreidemühle in Deutschland, die Ellmühle, hat ihren Standort in Deutz. Sie verarbeitete jährlich 360.000 t Weizen und Roggen und gehört zur GoodMills-Deutschland-Gruppe. Der Betrieb wurde im Januar 2021 eingestellt.[28]
Wilhelm Becker: Der Überfall der Schweden auf Deutz im Jahre 1632. In: Jahrbuch für Geschichte und Landeskunde, Rechtsrheinisches Köln. Band 23, Köln 1997
Michael Kriegel: DEUTZ – Vom römischen Kastell zur Köln Arena. Emons Verlag, Köln 2022, ISBN 978-3-7408-1565-3
Hubert Kruppa: Deutz – Ein Stadtteil mit großer Geschichte. Bachem-Verlag, Köln 2001, ISBN 3-7616-1459-4
Stefan Pohl, Georg Mölich: Das rechtsrheinische Köln: Seine Geschichte von der Antike bis zur Gegenwart. Winand, Köln 1994, ISBN 978-3-87909-391-5.
Peter Simons: Illustrierte Geschichte von Deutz, Kalk, Vingst und Poll. Nagelschmidt, Köln-Deutz 1913
Einzelnachweise
↑Illustrierte Geschichte von Deutz, Kalk, Vingst und Poll, Peter Simons, Nagelschmidt, Köln-Deutz 1913, S. 1
↑Werner Hollar, Kupferstich Stadtansicht von Köln 1656
↑CIL000013XIII, 8274, ausführlich zu dieser Inschrift Winfried Schmitz: Die spätantiken und frühmittelalterlichen Grabinschriften in Köln (4.–7. Jahrhundert n. Chr.) In: Kölner Jahrbuch. Band 28, 1995, S. 643–776, hier S. 687–690.
↑Gregor von Tours, Decem libri historiarum 4,10 (16). Zu den ersten Erwähnungen von Deutz Winfried Schmitz: Die spätantiken und frühmittelalterlichen Grabinschriften in Köln (4.–7. Jahrhundert n. Chr.) In: Kölner Jahrbuch. Band 28, 1995, S. 643–776, hier S. 754.
↑Peter Simons: Illustrierte Geschichte von Deutz, Kalk, Vingst und Poll. Nagelschmidt, Köln-Deutz 1913, S. 3 f.
↑ abPeter Simons: Illustrierte Geschichte von Deutz, Kalk, Vingst und Poll. Nagelschmidt, Köln-Deutz 1913, S. 238.
↑Josef Dollhoff: Die Kölner Rheinschiffahrt. Bachem Köln 1980, S. 44f