Deutscher Liederhort ist der Titel einer großangelegten Volksliedsammlung, die als die maßgebliche Ausgabe deutscher Volkslieder gilt. Nach ihren Herausgebern wird die Sammlung oft auch einfach als „Erk-Böhme“ bezeichnet.
Der Lehrer und königliche Musikdirektor Ludwig Erk war der erste wissenschaftliche Melodiensammler in Deutschland, der eine private Sammlung von etwa 20.000 Volksliedern angelegt hatte, welche er in Liederbüchern veröffentlichte. Sein Plan, ein Werk zu veröffentlichen, das „alle in Deutschland vorkommenden Volkslieder enthalten“ sollte, blieb unvollendet. Auch von seinem als „Auswahl“ bezeichneten Deutschen Liederhort konnte er 1856 nur einen ersten Band veröffentlichen.
Nachklänge der Göttersage (Zauber- und Märchenlieder)
Heldensagen
Ritter- und Räubersagen
Sagenhafte Mordgeschichten und Gefangenschaften
Sagenhafte Liebesgeschichten mit glücklichem Ausgange
Sagenhafte Liebesgeschichten mit tragischem Schluss
Schalks- und Schelmenlieder
Schwänke
Tiersage und Pflanzenmärchen
Bilder aus dem Familienleben
Totensagen (Geisterliebe und Grabesstimmen)
Gottesgerichte und Höllenstrafen
Historisch-politische Lieder
Liebeslieder
a) Von glücklicher Liebe
b) Von unglücklicher Liebe
Abschieds- und Wanderlieder
Tagelieder und Kiltgesänge
Hochzeit- und Ehestandslieder einschl. Nonnenklagen
Tanz- und Spiellieder
Rätsel-, Wunsch- und Wettlieder
Trink- und Zechlieder
Ansingelieder der Jugend an Volksfesten (Heischelieder)
Ständelieder
Landsknechts- und Reiterlieder
Soldaten- und Kriegslieder
Jägerlieder
Hirten- und Alpenlieder
Lieder auf und von Bauern
Bergmannslieder
Allerhand Beschäftigung im Freien
Handwerkerlieder
Hofelieder
Studentenlieder
Scherz- und Spottlieder
Vermischten Inhalts
Kinderlieder (kleine Auswahl)
Geistliche Lieder
Festlieder (kathol. und protest.)
Legenden-Lieder der Katholiken
Lob- und Dank-, Bitt-, Buß- und Trostlieder (Hausandacht)
Ausdrücklich von der Aufnahme in den Liederhort ausgeschlossen hatte Franz Magnus Böhme folgende Bereiche:[1]
höfische Dichtungen
Meistersingerdichtungen
Gesellschaftslieder des 16. und 17. Jahrhunderts
volkstümliche Kunstlieder des 18. und 19. Jahrhunderts
Rezeption und Kritik
Das dreibändige Werk gilt bis heute als ein „unentbehrliches Standard- und Nachschlagewerk der deutschen Volksliedforschung“.[2] Der Vorzug gegenüber älteren Sammlungen wie Des Knaben Wunderhorn liegt darin, dass im Deutschen Liederhort nicht nur Texte, sondern auch Melodien gesammelt sind. Dennoch wurde das Werk wegen verschiedener Entstellungen und Irrtümer auch kritisiert,[3] die teilweise Folge der von Böhme formulierten Selbstzensur waren:
„Nicht alles, was die Sammler aus Volksmund aufgefangen und aus alten Handschriften und Drucken zusammengerafft haben, durfte in einem ‚Liederhorte‘ Platz finden. Das Vorhandene, geradezu Werthlose, sowie viel Häßliches und Schmutziges mußte ausgeschieden und von der Unmasse des Verbleibenden wieder nur das Werthvollere und Vorzüglichste ausgewählt werden.“
– Franz Magnus Böhme: Vorwort zum Deutschen Liederhort[4]
Arthur Hübner stellt den Liederhort in seiner Kritik Des Knaben Wunderhorn gegenüber und resümiert:
„Eher genügt solchem Wunsch der dreibändige ‚Deutsche Liederhort‘ von Ludwig Erk und Franz Magnus Böhme (1893–94), das Werk, zu dem der Forscher immer zuerst greifen muß, wenn es gilt, den Spuren eines Volksliedes nachzugehen. Es ist das ein Werk, in dem wissenschaftlicher Ehrgeiz steckt; schade nur, daß dem Herausgeber Böhme das rechte wissenschaftliche Gewissen fehlte. Die letzte selbstlose Treue dem Überlieferten gegenüber vermißt man auch hier [...]“
Wolfgang Steinitz, der sich bei der Herausgabe seines Standardwerks zu politischen Volksliedern selbst auf Ludwig Erks umfangreichen Nachlass stützte,[6] kritisiert eine „bewusste Unterdrückung antimilitaristischer Volkslieder“, sowie, dass Lieder politischen Inhalts von Franz Magnus Böhme mehrfach nur mit verharmlosenden Kommentaren abgedruckt wurden.[7]
Ausgaben
Ludwig Erk (Hrsg.): Deutscher Liederhort: Auswahl der vorzüglichern deutschen Volkslieder aus der Vorzeit und der Gegenwart mit ihren eigenthümlichen Melodien. Enslin, Berlin 1856 (Volltext in der Google-Buchsuche).
Ludwig Erk, Franz Magnus Böhme (Hrsg.): Deutscher Liederhort. 3 Bände. Breitkopf und Härtel, Leipzig 1893–94 (Nachdruck: Olms, Hildesheim 1963).
↑Erich Seemann: Ein Musterbeispiel zu den Ungenauigkeiten Böhmes in seinem Deutschen Liederhort. In: Jahrbuch für Volksliedforschung. 1. Jahrg. (1928), S. 183–185, JSTOR:847539.
↑Ludwig Erk, Franz Magnus Böhme (Hrsg.): Deutscher Liederhort. Band 1. Breitkopf und Härtel, Leipzig 1893, S. V.
↑Arthur Hübner: Die Lieder der Heimat. (Der Heimatforscher, Band 4) F. Hirt, Breslau 1926, S. 15 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
↑Wolfgang Steinitz: Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten. Band. 1, Akademie-Verlag, Berlin 1954, S. XXXIII.
↑Wolfgang Steinitz: Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten. Band. 1, Akademie-Verlag, Berlin 1954, S. XXXIV f.