Die DHfP sollte aus einem liberalen Geist heraus die elementaren Grundsätze eines demokratischen Gemeinwesens in Deutschland etablieren und die noch junge Weimarer Republik in diesem Sinne gegen antidemokratische Tendenzen festigen helfen. Politikwissenschaft wurde zu dieser Zeit noch als Demokratiewissenschaft verstanden und bezeichnet. Vorgängereinrichtung der Hochschule für Politik war die 1918 gegründete Staatsbürgerschule in Berlin, welche auf eine Initiative des liberalen Politikers Friedrich Naumann zurückging, und wie diese durch einen eingetragenen privaten Verein statt durch den Staat getragen wurde.[1][2] Ein Vorbild fand die DHfP in der privaten Hochschule Ecole Libre des Sciences Politiques in Paris, welche sich die geistige und moralische Erneuerung der politischen und administrativen Führungskräfte Frankreichs zum Ziel setzte.[3]
Vorlesungen und Seminare für die ersten 120 Studenten fanden anfangs lediglich am Abend am Berliner Schinkelplatz[4] in der Berliner Bauakademie mit überwiegend nebenamtlichen Honorardozenten statt. Schwerpunktbereiche waren zunächst Allgemeine Politik, Politische Geschichte und Politische Soziologie, Außenpolitik und Auslandskunde, Innenpolitik, einschließlich Kulturpolitik und Pressewesen, sowie Rechtsgrundlagen bzw. Wirtschaftsgrundlagen der Politik.
Mit steigenden Studentenzahlen erhöhte sich in den Folgejahren der Anteil der hauptamtlichen Dozenten sowie der Lehrstühle. Ein Abschlussdiplom der Hochschule für Politik konnte aufgrund der Schwierigkeiten, die Ausbildung zu akademisieren, erst ab Mitte der zwanziger Jahre erworben werden.
So konnte ein zweijähriger Studiengang absolviert werden. Die Studienordnung war ein Grundriss, der die Unterrichtsangebote gliederte. Sie wurde ausdrücklich nicht als festes Schema verstanden, und die Studierenden durften das Studium jederzeit beginnen und Veranstaltungen nach eigenen Vorstellungen auswählen. Seminaristische Übungen mit Praxisbezügen, etwa Rhetorik und Debatte oder politische Tagesfragen, stellten einen wichtigen Bestandteil des Studiums dar. Zur Ausbildung gehörten auch Veranstaltungen zur Volkswirtschaftslehre (Nationalökonomie und Finanzwissenschaft), aber die Grundlagenvorlesungen waren an der Handelshochschule und Universität Berlin zu belegen.[5]
Dessen Sohn Hans Simons leitete zeitweilig die Hochschule und nahm ebenfalls Lehraufgaben wahr.
Der Publizist, Reichstagsabgeordnete und spätere Bundespräsident Theodor Heuss war nicht nur als Dozent tätig, sondern hatte bis 1926 die Funktion eines „Studienleiters“, der Dozenten aus Wissenschaft und Praxis rekrutierte und das Lehrprogramm koordinierte. Die Mehrheit der Mitglieder von Leitung und Kollegium gehörten Heuss’ Partei, der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP) an. Heuss veröffentlichte 1921 eine Denkschrift zur Gründung der Hochschule.[1][6]
Nationalsozialismus
Werdegang bis 1940
Ein Teil der Dozenten der DHfP emigrierte 1933, um sich den Repressionen des NS-Staates gegen politische Gegner und Juden zu entziehen. Im März 1933 übernahm das neue Reichspropagandaministerium die Kontrolle über die Deutsche Hochschule für Politik. Im Mai übertrug das Ministerium dem dortigen Referenten Paul Meier, der schon 1927 der NSDAP beigetreten war, die Leitung zunächst kommissarisch. Im November 1933 wurde er von Joseph Goebbels offiziell als Präsident eingesetzt. Meier nannte sich seitdem Meier-Benneckenstein.[7] Geschäftsführer wurde in der Folgezeit der politische Schriftsteller Peter Kleist, seit 1931 Mitglied der NSDAP.[8]
Während des Nationalsozialismus wurde die gleichgeschaltete Hochschule im Jahr 1937 eine Reichsanstalt mit dem Namen „Hochschule für Politik“. Dem Nationalsozialismus am nächsten standen die „völkisch-konservativen“ Lehrkräfte, die aus dem Politischen Kolleg stammten. Dieses hatte 1927 eine Arbeitsgemeinschaft mit der DHfP begründet. Von da an war der Lehrkörper zerrissen, es wurde kein einheitliches Konzept entwickelt. Die politische Wissenschaft wurde dann auf Außenpolitik und die sogenannte Auslandswissenschaft begrenzt und damit Teil des ideologischen Apparats der nationalsozialistischen Außenpolitik. Johann von Leers wurde 1933 der Leiter der „Abteilung für Außenpolitik und Auslandskunde“.
Integration in Auslandswissenschaftliche Fakultät und Deutsches Auslandswissenschaftliches Institut (DAWI)
1940 wurde die Deutsche Hochschule für Politik zusammen mit dem Seminar für Orientalische Sprachen, das schon 1935 zur Auslandhochschule der Universität Berlin geworden war, verschmolzen und in die neugegründete Auslandswissenschaftliche Fakultät der Universität eingefügt. Dekan wurde der 30-jährige Franz Alfred Six. Neben seiner Funktion als Dekan leitete Six auch das eng mit der Fakultät verflochtene und personell weitgehend identische Deutsche Auslandswissenschaftliche Institut (DAWI), zu dessen Aufgaben die ideologische Schulung im Kontext auswärtiger Beziehungen gehörte. Ferner diente das Institut als Auslands-Auskunftsstelle für Partei- und Regierungsorgane.[10] Six war ein SS-Intellektueller, der zur Funktionselite der NSDAP gehörte; er arbeitete zugleich als Vorgesetzter Adolf Eichmanns im Reichssicherheitshauptamt an der Judenvernichtung. Ein anderer führender Nationalsozialist der Hochschule für Politik war der Soziologe und GeopolitikerKarl Heinz Pfeffer, der Six als Dekan ablöste. Auch antikolonialistische (meist indische und arabische) Studenten studierten hier bis 1945. Zu dieser Fakultät gehörte auch das der NSDAP unterstehende „Institut für Außenpolitische Forschung“ unter Friedrich Berber.
Der Anteil der NSDAP-Parteimitglieder dieser Fakultät betrug 65 %, doppelt so viel wie an anderen Berliner Hochschulinstituten (Universität Berlin 38 %, Philosophische Fakultät 31 %). Sie arbeitete eng mit dem staatlichen Deutschen Auslandswissenschaftlichen Institut DAWI des Reichsministeriums für Volksbildung zusammen. Leiter des DAWI war ebenfalls Six, der in einer dritten Funktion noch Führer einer „Kulturpolitischen Abteilung“ des AA war; ein typischer nationalsozialistischer Multifunktionär. Einen guten Überblick über die Protagonisten des Six-Instituts DAWI liefert das Autorenverzeichnis des mit 1248 Seiten umfangreichen „Jahrbuches der Weltpolitik 1944“ mit ca. 40 verschiedenen Autoren. Hier traf sich alles, was in der nationalsozialistischen Kriegs- und Außenpolitik bzw. bei deren „wissenschaftlicher“ Untermauerung in Zukunft Karriere machen wollte.
Nachkriegszeit
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Die ehemaligen Nationalsozialisten fanden nach Gideon Botsch eine neue Heimat in der 1951 gegründeten „Auslandswissenschaftlichen Gesellschaft“. So publizierte dort Gerhard von Mende, der für die muslimischen SS-Truppen des Mufti zuständig gewesen war und seine pädagogischen Instruktionen als Direktor in der Bundeszentrale für politische Bildung mit einer leicht geänderten Zielgruppe fortsetzte. Eine Ausnahme machte Herbert Scurla, früher Dozent und Beiratsmitglied am DAWI, der nach 1945 als Kulturbundfunktionär, Schriftsteller und Journalist eine zweite Karriere in der SBZ/DDR startete und hier hoch geehrt wurde, unter anderem 1974 mit dem Vaterländischen Verdienstorden in Gold.
Erinnerung
Eine Ausstellung von Siegfried Mielke und seinen Mitarbeitern über Studenten und Dozenten der DHfP, „die in der Zeit der NS-Diktatur in Widerstandsgruppen aktiv waren“, wurde am 14. Juni 2008 im Foyer des OSI von Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse eröffnet.[16] Inzwischen wird die Schau auch an anderen Orten gezeigt. Ausstellung und Begleitbuch geben einen Überblick über die Entwicklung der Hochschule. Im Mittelpunkt stehen mehrere Dutzend Biografien von Dozenten und Studenten, die im Widerstand oder in der Emigration in unterschiedlichen Gruppierungen gegen den Nationalsozialismus gekämpft haben. Die Biografien belegen einen Zusammenhang zwischen der demokratischen Orientierung der Hochschule und dem politischen Engagement vieler ihrer Dozenten und Studierenden gegen den NS-Staat. Während bereits zur Jahreswende 1932/33 an den deutschen Universitäten Dozenten und Studierende in großen Scharen zu den Nationalsozialisten überliefen, blieb an der DHfP die Mehrheit der Dozenten und Studierenden den demokratischen Gründungsintentionen treu. Nach Angaben der Autoren sei dies „einzigartig“ in der Hochschullandschaft. Einzigartig sei auch die große Anzahl an Dozenten und Studierenden, die sich Widerstandsgruppen anschloss oder aus der Emigration das NS-System bekämpfte.
Quellen
Erwin Mai: Französische Kolonialpolitik. Ziele, Methoden, Probleme. Junker & Dünnhaupt, Berlin 1940 (= Schriften des Deutschen Instituts für außenpolitische Forschung. Heft 68; zugleich: Frankreich gegen die Zivilisation. Heft 13. – Die „Zivilisation“-Reihe umfasste 25 Hefte. Hrsg. von Karl Epting unter dem Pseudonym Matthias Schwabe. Siehe auch: Ernst Anrich).
Heile, Winfried (1918). Nutzen und Notwendigkeit einer politischen Volkshochschule, in: Naumann, Friedrich/ Heile Winfried: Erziehung zur Politik. Berlin, S. 29–37.
Heuss, Theodor (1921). Denkschrift zur Errichtung einer Deutschen Schule für Politik, in: Politische Bildung. Wille/Wesen/Ziel/Weg. Sechs Reden gehalten bei der Eröffnung der Deutschen Hochschule für Politik. Berlin, S. 33–37.
Für weitere Veröffentlichungen der Hochschule und mit ihr verbundener Autoren siehe Junker und Dünnhaupt Verlag, Berlin.
Literatur
Gideon Botsch: „Politische Wissenschaft“ im Zweiten Weltkrieg. Die deutschen Auslandswissenschaften im Einsatz 1940–1945. Schöningh, Paderborn 2006, ISBN 3-506-71358-2.
Rainer Eisfeld: Ausgebürgert und doch angebräunt. Deutsche Politikwissenschaft 1920–1945. Nomos, Baden-Baden 1991, ISBN 3-7890-2393-0.
Gerhard Göhler: Deutsche Hochschule Für Politik – Otto-Suhr-Institut: 70 Jahre Politikwissenschaft Im Westen Berlins, in: Leviathan, 47. Jg., Nr. 4, 2019, S. 517–27. [Digitalisat JSTOR]DOI:10.5771/0340-0425-2019-4
Ernst Haiger: Politikwissenschaft und Auslandswissenschaft im „Dritten Reich“ – (Deutsche) Hochschule für Politik 1933–1939 und Auslandswissenschaftliche Fakultät der Berliner Universität 1940–1945. In: Gerhard Göhler, Bodo Zeuner (Hrsg.): Kontinuitäten und Brüche in der deutschen Politikwissenschaft. Nomos, Baden-Baden 1991, S.94–136.
Steven D. Korenblat: A School for the Republic? Cosmopolitans and Their Enemies at the Deutsche Hochschule für Politik, 1920–1933. In: Central European History. 39 (2006), Nr. 3, S. 394–430, doi:10.1017/S0008938906000148.
Detlef Lehnert: „Politik als Wissenschaft“. Beiträge zur Institutionalisierung einer Fachdisziplin in Forschung und Lehre der Deutschen Hochschule für Politik (1920–1933). In: Politische Vierteljahresschrift. Bd. 30, Nr. 3 (September 1989), S. 443–465.
Siegfried Mielke (Hrsg.) unter Mitarbeit von Marion Goers, Stefan Heinz, Matthias Oden, Sebastian Bödecker: Einzigartig – Dozenten, Studierende und Repräsentanten der Deutschen Hochschule für Politik (1920–1933) im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Lukas-Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-86732-032-0. [Digitalisat Volltext]
Antonio Missiroli: Die Deutsche Hochschule für Politik. Comdok, St. Augustin 1988, ISBN 3-89351-017-6 (Schriften der Friedrich-Naumann-Stiftung: Liberale Texte – über die Weimarer Zeit).
Erich Nickel: Politik und Politikwissenschaft in der Weimarer Republik. Rotschild, Berlin 2004, ISBN 3-9809839-0-0 (Rezension).
↑Deutsche Hochschule für Politik e. V., Vorlesungs-Verzeichnis Wintersemester 1925/26, Berlin Oktober 1925, S. 6–7
↑Heuss, Theodor (1921). Denkschrift zur Errichtung einer Deutschen Schule für Politik; in: Politische Bildung. Wille/Wesen/Ziel/Weg. Sechs Reden gehalten bei der Eröffnung der Deutschen Hochschule für Politik. Berlin, S. 33–37
↑Wilhelm Bleek: Geschichte der Politikwissenschaft in Deutschland. S. 230 (Vorschau in der Google-Buchsuche); Paul Meier-Benneckenstein Vorwort zu Joseph GoebbelsDer Faschismus und seine praktischen Ergebnisse (= Schriften der DHfP. Heft 1). Berlin 1934: Wir wollen „Verständnis für die Regierung Adolf Hitler vermitteln […] Der weiteren Durchdringung des deutschen Volkes mit nationalsozialistischem Gedankengut und der Erziehung im Geiste der Volksgemeinschaft sollen die Schriften der DHfP dienen.“ S. 5; Meier-Benneckenstein war zugleich Mitherausgeber der Zeitschrift für Politik.
↑Andreas Zellhuber: „Unsere Verwaltung treibt einer Katastrophe zu …“ Das Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete und die deutsche Besatzungsherrschaft in der Sowjetunion 1941–1945. Vögel, München 2006, S. 74.
↑Deutsche Justiz. Rechtspflege und Rechtspolitik. Amtliches Organ des Reichsministers der Justiz, des Preußischen Justizministers und des Bayerischen Justizministers. 96. Jg., Heft 17, 27. April 1934, S. 557.
↑Gideon Botsch: „Politische Wissenschaft“ im Zweiten Weltkrieg: die „Deutschen Auslandswissenschaften“ im Einsatz 1940–1945. Ferdinand Schöningh, Paderborn 2006, S. 13, 74; Deutsches Auslandswissenschaftliches Institut (Berlin) auf provenienz.gbv.de, abgerufen am 14. Oktober 2015.
↑Eine vollständige Liste aller Dozenten der DHfP in: Gideon Botsch: „Politische Wissenschaft“ im Zweiten Weltkrieg. Die deutschen Auslandswissenschaften im Einsatz 1940–1945. Schöningh, Paderborn 2006, S. 247 ff.
↑Walter Habel (Hrsg.): Wer ist wer? Das deutsche Who’s who. 24. Ausgabe. Schmidt-Römhild, Lübeck 1985, ISBN 3-7950-2005-0, S. 1003.
↑Mehrmals variierende Namen der Publikationen und der Verlage deuten möglicherweise auf institutionelle Unsicherheiten der Protagonisten hin, wie sie ihre Pläne am besten vertreten könnten.
↑Karl Magerle: Deutschland und das Ende der Tschecho-Slowakei. Aufsatz im August 1939, OCLC718854881. Aus: Monatshefte für auswärtige Politik. In Gemeinschaft mit dem Hamburger Institut für Auswärtige Politik hrsg. vom Deutschen Institut für Aussenpolitische Forschung, Berlin. Essener Verlagsanstalt, Essen [u. a.] 1939, ZDB-ID 547611-2.
↑Karl Kerkhof: Das Versailler Diktat und die deutsche Wissenschaft. Ein Beitrag zur Geschichte der internationalen Organisationen. Aufsatz im November 1940.