Das Gedicht wurde 1902 im Münchener KabarettDie Elf Scharfrichter zum ersten Mal vorgetragen. Quelle war eine Gerichtsverhandlung, in der ein Mörder vor Gericht gestand, seine altersschwache Tante aus Habgier umgebracht zu haben.
Inhalt
Ein Mörder berichtet vor Gericht, dass er seine altersschwache Tante umgebracht hat und hofft auf Grund seiner blühenden Jugend auf ein mildes Urteil, da ihm Geld mehr nütze als einer alten Tante, die damit ohnehin nichts mehr anfangen konnte.
Das Gedicht endet mit den folgenden Worten:
Ich hab' meine Tante geschlachtet,
Meine Tante war alt und schwach;
Ihr aber, o Richter, ihr trachtet
Meiner blühenden Jugend-Jugend nach.
Kommentar
Bezeichnend ist die Gefühllosigkeit, mit der der Mörder seine Tat schildert. Schon der erste Satz des Geständnisses schockiert, da der Mörder davon spricht, dass er seine Tante „geschlachtet“ habe.
Aus der Tradition des Bänkelsangs entlehnt Wedekind die volkstümliche Strophenform und die primitive Sprechweise, die gelegentlich durch komische Doppelwörter („Kisten-Kasten“, „ Jugend-Jugend“) leicht entspannt wird.
„Der Tantenmörder“ ist ein Rollengedicht, das in Form eines Monologs das Bekenntnis eines Raubmörders wiedergibt.
Ausgaben
Frank Wedekind: Die Fürstin Russalka. Verlag Albert Langen, Paris und Leipzig 1897, S. 191.
Literatur
Edgar Neis: „Interpretationen von 66 Balladen, Moritaten und Chansons“. Analysen und Kommentare. Hollfeld: Bange-Verlag, 1978. ISBN 3-8044-0590-8
Eine Chansonversion der „geschlachteten Tante“ findet sich auf der CD „Wir richten scharf und herzlich – Chansons aus 100 Jahren Kabarett“ von Jo van Nelsen aus dem Jahr 2002.