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Dazai wurde als zehntes von elf Kindern geboren. Sein Vater, Tsushima Gen’emon, war ein wohlhabender Landbesitzer und Abgeordneter des japanischen Parlaments. Tsushima Gen’emon wurde ins Unterhaus gewählt, als Dazai drei Jahre alt war, und zehn Jahre später ins Oberhaus. Das Haus, in dem Dazai geboren wurde, hatte 19 Räume, Küche und Diensträume nicht mitgezählt.[1]Irmela Hijiya-Kirschnereit meint, Dazai habe in seiner Familie eine Außenseiterrolle einnehmen müssen und nur zu seinem Kindermädchen Take eine emotionale Beziehung aufgebaut. Er las viel und begann im Alter von 13 Jahren Geschichten zu schreiben.[2]
Ein einschneidendes Erlebnis in seiner Jugend war der Freitod seines Idols Akutagawa Ryūnosuke im Jahr 1927. An der Universität in Tokio studierte Dazai französische Literatur (1930 bis 1935). Sein Ehrgeiz galt weniger dem akademischen Erfolg und so begann er seine Zeit mehr und mehr mit Schreiben zu verbringen, schloss sich kurzzeitig einer marxistischen Bewegung an und brach das Studium schließlich ab.
1933 veröffentlichte er die ersten Kurzgeschichten und nahm das Pseudonym „Dazai Osamu“ an. Er fand erst als Schüler von Ibuse Masuji ab 1935 allgemeine Anerkennung. In den Jahren 1928 bis 1935 beging er drei Selbstmordversuche. 1928 versuchte er sich mit einer Überdosis Schlafmitteln das Leben zu nehmen, 1930 verbündete er sich mit der 19-jährigen Kellnerin Shimeko, beide wollten zusammen ins Wasser gehen: Das Mädchen starb, Dazai überlebte und musste sich vor der Polizei verantworten und schließlich misslang ihm 1935 der Versuch, sich zu erhängen. Drei Wochen nach seinem letzten gescheiterten Suizidversuch bekam er eine Blinddarmentzündung und musste operiert werden. Durch die Behandlung im Krankenhaus wurde Dazai abhängig von Schmerzmitteln. Über ein Jahr kämpfte er gegen die Sucht an und wurde im Oktober 1936 schließlich in eine Anstalt gebracht, in der er sich zu einem kalten Entzug entschloss. Seine dort gemachten Erfahrungen lässt er in das Buch Gezeichnet einfließen. Die Behandlung dauerte über einen Monat; währenddessen betrog ihn seine erste Frau Oyama Hatsuyo (小山 初代) mit einem engen Freund. Als Dazai von der Affäre erfuhr, versuchten die beiden Eheleute gemeinsam Suizid zu begehen. Als dies nicht gelang, ließen sie sich scheiden. Dazai heiratete am 8. Januar 1939 Ishihara Michiko (石原 美知子). Das Paar reiste viel und er schrieb literarische Reiseberichte. Am 7. Juni 1941 wurde ihre Tochter Sonoko geboren.
Als Japan in den Zweiten Weltkrieg eintrat, wurde Dazai aufgrund eines Brustkorbleidens nicht eingezogen. Während der Kriegsjahre war sein Schaffen sehr gebremst, nicht zuletzt wegen der stärker werdenden Zensur, die den Druck seiner Arbeiten unterband. Sein Haus wurde mehrmals bombardiert. Am 10. August 1944 wurde der Sohn Masaki geboren. Aufgrund des Bombardements verließ die Familie im April 1945 die Stadt und als sie im November zurückkam, begann Dazai mit mehreren Frauen ein Verhältnis. 1947 kamen zwei Töchter Dazais zur Welt: die zweite eheliche Tochter Satoko (später Yūko (佑子)) am 30. März, außerdem gebar eine Geliebte Dazais, Ōta Shizuko, am 12. November ein Mädchen, das Haruko genannt wurde.
Nach dem Zweiten Weltkrieg veränderte sich sein Schreibstil und spiegelte vermehrt die Probleme, Rebellionen und selbstmörderischen Gedanken seiner Jugend wieder.
Am 13. Juni 1948 ertränkte sich Dazai mit Yamazaki Tomie (山崎 富栄), seiner Geliebten, im Tama-Kanal (玉川上水, Tamagawajōsui).[3][4] Am 19. Juni, seinem 39. Geburtstag, wurde seine Leiche geborgen. Er hinterließ einen nicht vollendeten Fortsetzungsroman mit dem Titel Guddo bai.
Seine Urne wurde im Tempel Zenrin-ji (禅林寺) in Mitaka, Präfektur Tokio beigesetzt. Das Geburtshaus Dazais beherbergt heute als Dazai-Osamu-Gedenkstätte ein seinem Leben und Werk gewidmetes Museum. Zum Gedenken an den Schriftsteller wird alljährlich der Dazai-Osamu-Preis gemeinsam von der Stadt Mitaka und dem Verlag Chikuma Shobō an Nachwuchsschriftsteller vergeben.
Dazai war stark vom Shishōsetsu (Ich-Roman) beeinflusst. So sei er laut James A. O’Brien eher an persönlichen, archetypischen Erfahrungen interessiert gewesen, als daran fiktionale Charaktere zu schaffen. Sein Werk ist hochgradig subjektiv.[5]
Dies bedeutet jedoch nicht, dass sein Werk rein autobiographisch ist. Vielmehr erfand er zum Zwecke der emotionalen Kommunikation Ereignisse. Auch wird in seinem Werk ein Einfluss der proletarischen Literatur ausgemacht, der sich vor allem in der Zeit vor 1945 zeigte. Dieser wird auf Dazais Herkunft sowie auf die Attraktivität des Hōgan Biiki zurückgeführt. Hōgan Biiki (判官贔屓), das bedeutet, auf der Seite des Verlierers zu stehen, erkläre auch den Standpunktwechsel Dazai nach Ende des Zweiten Weltkriegs. In Der sinkenden Sonne steht er nun auf der Seite der Landbesitzer.[6]
Dazai behandelte universelle Themen und verwandte eine scheinbar einfache Sprache. Doch machte es u. a. sein eigenwilliger Humor schwer, sein Werk zu übersetzen. Die Traurigkeit, die sein Schreiben durchziehe, werde stets von dem Bewusstsein, dass dies eine absurde Welt sei, ausgeglichen.[7]
Die Erschaffung einer fiktionalen Welt sowie einer Rahmenhandlung waren die Hauptprobleme Dazais beim Schreiben, deren er sich aber bewusst gewesen sei. Er griff daher neben anderen auf Werke von Saikaku und Schiller zurück.[8]
Donald Keene vergleicht Dazais Talent mit dem eines großartigen Kameramannes, der seinen Blick an Momenten des eigenen Lebens schärfe, aber Komposition und Auswahl mache seine Arbeit zu einem kreativen Kunstwerk.[9]
Erstmalig wird seit 2024 das Gesamtwerk von Dazai Osamu in zwölf Bänden von Erika Strohbach ins Deutsche übersetzt.[10]
Dazai Osamu: Das Gemeine. Iudicium, München 1992, S.313 (japanisch: ダスゲマイネ. Übersetzt von Stefan Wundt und Fumiya Hirataka).ISBN 978-3-89129-306-5.
Dazai Osamu: Gezeichnet. Insel, Frankfurt 1997, S.150 (japanisch: 人間失格. Übersetzt von Jürgen Stalph).
Dazai Osamu: Ein Besucher. In: Nippon. Moderne Erzählungen aus Japan von Mori Ogai bis Mishima Yukio. Diogenes, Zürich 1965, S.47–58 (japanisch: 親友交歓. Übersetzt von Monique Humbert).
Dazai Osamu: Villons Ehefrau. In: Eduard Klopfenstein (Hrsg.): Träume aus zehn Nächten. Japanische Erzählungen des 20.Jahrhunderts. Theseus, München 1992, ISBN 3-85936-057-4, S.227–250 (japanisch: ヴィヨンの妻. Übersetzt von Jürgen Berndt).
Dazai Osamu: Warten. In: Hefte für Ostasiatische Literatur. 1983, S.61–63 (japanisch: 待つ. Übersetzt von Jürgen Stalph).
Dazai Osamu: Die sinkende Sonne. Hanser, München 1958, S.167 (japanisch: 斜陽. Übersetzt von Oscar Benl).
Dazai Osamu: Blätter. In: Einspruch der Dekadenz. Angkor (Edition Nippon), Frankfurt 2011, S.133–146 (japanisch: 葉. Übersetzt von Alexander Wolmeringer).
Dazai Osamu: Schwarzes Tagebuch. In: Einspruch der Dekadenz. Angkor (Edition Nippon), Frankfurt 2011, S.147–157 (japanisch: めくら草子. Übersetzt von Alexander Wolmeringer).
Dazai Osamu: Der Zug. In: Einspruch der Dekadenz. Angkor (Edition Nippon), Frankfurt 2011, S.158–162 (japanisch: 列車. Übersetzt von Alexander Wolmeringer).
Dazai Osamu: Tand. In: Einspruch der Dekadenz. Angkor (Edition Nippon), Frankfurt 2011, S.163–169 (japanisch: 玩具. Übersetzt von Alexander Wolmeringer).
Dazai Osamu: Der Verbrecher. In: Einspruch der Dekadenz. Angkor (Edition Nippon), Frankfurt 2011, S.170–183 (japanisch: 犯人. Übersetzt von Alexander Wolmeringer).
Dazai Osamu: Der Besucher. In: Einspruch der Dekadenz. Angkor (Edition Nippon), Frankfurt 2011, S.184–193 (japanisch: たずねびと. Übersetzt von Alexander Wolmeringer).
Dazai Osamu: I can speak. In: Hefte für Ostasiatische Literatur. Nr.50. Iudicium, München 2011, S.108–110 (japanisch: アイキャンスピーク. Übersetzt von Matthias Igarashi).
Dazai Osamu: Die Lampe. In: Hefte für Ostasiatische Literatur. Nr.50. Iudicium, München 2011, S.111–117 (japanisch: 灯篭. Übersetzt von Matthias Igarashi).
Dazai Osamu: Von Frauen. In: Bergkette in der Ferne: Begegnungen mit japanischen Autoren und Texten. Edition Peperkorn, Thunum 2002, S.159–168 (japanisch: 雌に就いて. Übersetzt von Siegfried Schaarschmidt).
Dazai Osamu: Sado. In: Hefte für Ostasiatische Literatur. Nr.35. Iudicium, München 2003, S.47–61 (japanisch: 佐渡. Übersetzt von Jutta Marlene Vogt).[Anm. 1]
Dazai Osamu: Die Teufel des Tsurugi-Bergs. Erzählungen. Übersetzt und mit einem Nachwort von Verena Werner. be.bra verlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-86124-915-3.
Dazai Osamu: Alte Freunde. Cass, Löhne 2017 (japanisch: Shin'yū-kōkan. Übersetzt von Jürgen Stalph).
Dazai Osamu: Sarushima – Die Affeninsel. In: Gezeichnet (No Longer Human) und zwei Kurzgeschichten: Die neue Übersetzung vom japanischen Klassiker und zwei weitere Erzählungen erstmalig auf Deutsch. Köln 2024 (japanisch: Sarugashima. Übersetzt von Erika Strohbach) ISBN 979-8321627624
Dazai Osamu: Erhöre mein Flehen. In: Gezeichnet (No Longer Human) und zwei Kurzgeschichten: Die neue Übersetzung vom japanischen Klassiker und zwei weitere Erzählungen erstmalig auf Deutsch. Köln 2024 (japanisch: Kakekomi Uttae. Übersetzt von Erika Strohbach) ISBN 979-8321627624
Gesammelte Werke
Dazai Osamu’s Werke (Band 1): Das Gesamtwerk des japanischen Autors in mehreren Bändern - Erstmalig auf Deutsch. Königswinter 2024 (Übersetzt von Erika Strohbach) ISBN 979-8-327-99770-7
Hörbücher
Dazai Osamu: Gezeichnet. Gesprochen von Bastian Palmersheim. Übersetzt von Erika Strohbach. Ohrensive, Königswinter 2024, EAN 4099995795561
Literatur
Phyllis I. Lyons: The Saga of Dazai Osamu: A Critical Study With Translations, Stanford, Calif.: Univ. Press, 1985. ISBN 0-8047-1197-6.