Zu Beginn der 1860er Jahre nahm Lipsius an einer Reihe regionaler und nationaler Architekturwettbewerbe teil. Zugleich erweiterte er seine Kenntnisse beim Bau von Wohnhäusern und Restaurierungen. Sein Wettbewerbsbeitrag zum Bau der Kunstakademie Dresden 1866 zeigt bereits Einzelheiten, die er in seinem endgültigen Entwurf rund 20 Jahre später wieder aufgreifen sollte. Sein preisgekrönter Entwurf zum Neubau des Johannis-Hospitals in Leipzig brachte Lipsius den Titel eines Königlichen Baurats ein. 1874 wurde Lipsius zum Präsidenten der neu gegründeten „Vereinigung Leipziger Architekten“ ernannt und übernahm die Leitung der Baugewerkschule. 1877 begann er die Restaurierung der Thomaskirche, die bis 1889 andauerte. Sie gilt heute als bedeutendste Leistung ihrer Art in Sachsen.
Als Hermann Nicolai 1881 starb, wurde Lipsius zum Professor für Architektur an der Dresdner Kunstakademie ernannt. Kurz danach erhielt er den Auftrag, den gesamten Akademie-Komplex neu zu erbauen, was im Spiegel der damaligen Presse innerhalb kürzester Zeit zu einem kontrovers diskutierten Vorhaben wurde. Der Grund für die Auseinandersetzung war, dass das Gebäude als zu groß für den Bauplatz erachtet wurde. Dazu sahen viele Zeitgenossen es als mangelhafte Nachempfindung der Dresdener Neorenaissance-Bauten von Semper und Nicolai an.
Dass der Auftrag zudem ohne eine öffentliche Ausschreibung vergeben worden war, trug Lipsius erhebliche Missgunst ein. Die Meinungen über den Bau sind bis heute geteilt. Im Volksmund erhielt die ungewöhnliche Glaskuppel den Namen „Zitronenpresse“; dennoch steht der Bau zweifelsohne für die fortschrittlichste Architekturtheorie der ersten Hälfte der 1880er Jahre in Europa. Er repräsentierte damals eine konservative Annäherung an die architektonische Sprache Gottfried Sempers, wie sie in der dekorativen Ausführung des Kunsthistorischen Museums Wien zu finden ist. Zugleich wandte Lipsius sich damit dem architektonischen Symbolismus als stilistische Erneuerung zu. Vor diesem Hintergrund wird die bizarre Glaskuppel zum Vorbild von nicht repräsentativer Architektur. Dieses Konzept, das Lipsius ausdrücklich auf die Theorien Gottfried Sempers bezieht, spiegelt die erste Phase des architektonischen Realismus wider. Kurz nach Vollendung des Akademie-Komplexes erschien er als ein groteskes, viel zu ornamental geratenes Ungetüm; der architektonische Realismus war bereits vorangeschritten und hatte im theoretischen Werk Otto Wagners viel schärfere Konturen erhalten. Die Ablehnung seines Hauptwerks in der Öffentlichkeit verbitterte Lipsius bis zu seinem Lebensende.
In den 1880er Jahren wurde Lipsius zum stärksten Befürworter des Realismus; dieser nahm der sklavischen Nachahmung historischer Standardformen die Bedeutung, überdachte die ursprüngliche symbolische Kraft der Bauformen neu und versuchte damit, die zeitgenössische Architektur wiederzubeleben. Architekturrealisten in Deutschland, Österreich, Frankreich und in der Schweiz hofften so, dass eine Stilerneuerung sich organisch entwickeln würde. Diese Theorie wurde zum Ausgangspunkt der frühen Moderne und führte über den Jugendstil zu den späteren Entwicklungen im 20. Jahrhundert.
Nach seinem Tod folgte Paul Wallot, der Architekt des Berliner Reichstags, als Professor auf Lipsius’ Lehrstuhl nach.
Constantin Lipsius wurde auf dem Trinitatisfriedhof in Dresden beigesetzt.
In der Dresdner Gemarkung Altstadt II wurde eine Straße nach ihm benannt und an der Ecke Lipsiusstraße/Stübelallee ihm zu Ehren eine Stele errichtet.
Bauten
Private Bauten
Wohnhaus für den Verlagsbuchhändler Ernst Keil in Leipzig, Südostvorstadt, Königstraße (heute: Goldschmidtstraße) (1860–1861)
Wohnhaus Frege in Leipzig, Ostvorstadt, Dörrienstraße (nicht datiert)
Bernhard Kühn: Rede beim Begräbnis des Königl. Baurates und Professors an der Akademie der bildenden Künste Johann Wilhelm Constantin Lipsius in Dresden. Leipzig 1894.
Karl Emil Otto Fritsch: Zur Erinnerung an Constantin Lipsius. In: Deutsche Bauzeitung, 29. Jahrgang 1895, S. 181–203.
Wolfgang Rother: Der Kunsttempel an der Brühlschen Terrasse. Das Akademie- und Ausstellungsgebäude von Constantin Lipsius in Dresden. Dresden / Basel 1994, ISBN 3-364-00292-4.
Volker Helas: Sempers Dresden. Die Bauten und die Schüler. Dresden 2003, ISBN 3-930382-95-4, S. 38, S. 42, S. 49–51, S. 71.
J. Duncan Berry: Steinerne Glock gegen Zitronenpresse. Lipsius' Ikonologie der Kuppel. In: Gilbert Lupfer u. a. (Hrsg.): Der Blick auf Dresden. Die Frauenkirche und das Werden der Dresdner Stadtsilhouette. Dresden 2005, ISBN 3-422-06576-8, S. 16–19.