Nach seiner Rückkehr nach Palästina erhielt er 1936 zunächst die Zulassung als Rechtsanwalt und eröffnete im folgenden Jahr eine eigene Kanzlei in Jerusalem.
Nach der Gründung des Staates Israel 1948 wurde er zum Leiter der Abteilung für Gesetzgebung im Justizministerium ernannt und bald darauf zum Staatsanwalt. 1949 wurde er zum Generaldirektor des Justizministeriums und schon ein Jahr darauf zum Generalstaatsanwalt ernannt und übte dieses Amt bis 1960 aus. In dieser Position traf er wichtige Entscheidungen: Er erhob Anklage gegen Malchiel Grünwald, dessen Aussagen zum Beginn des Prozesses gegen Rudolf Kasztner geführt haben, und er gab Anweisung, homosexuellen Geschlechtsverkehr nicht zu bestrafen,[2] obwohl die aus der britischen Mandatszeit stammenden Gesetze dies (bis 1988) vorsahen.
1960 wurde er Richter am Obersten Gerichtshof (Beit haMishpat ha'Elyon), dem er bis zu seiner Verabschiedung in den Ruhestand 1981 angehörte. Zeitweise war er Vizepräsident des Obersten Gerichtshofs. Viele seiner bemerkenswertesten Entscheidungen als Richter waren Minderheitsmeinung in Menschenrechtsfragen. In einem Fall stimmte er der Mehrheitsmeinung des Obersten Gerichtshofes nicht zu, die einer extremistischenarabischenPartei das Recht zur Kandidatur für die Knesset absprach. Später wurde sein Standpunkt im umgekehrten Kontext verwendet, als dem jüdischen Extremisten und RabbinerMeir Kahane die Kandidatur für die Knesset verboten wurde. In einer seiner letzten Minderheitsmeinungen argumentierte Cohn 1980 gegen das Recht der Regierung, palästinensischeAktivisten aus Gaza und dem Westjordanland auszuweisen.[3]
Nach seiner Berentung war er weiterhin zu Belangen in Menschenrechtsfragen aktiv, so war unter anderem von 1982 bis 1988 Präsident der Vereinigung für Bürgerrechte in Israel.
Im Jahr 1968 veröffentlichte Cohn sein Buch Der Prozeß und Tod Jesu aus jüdischer Sicht in hebräischer Sprache. Es folgten Übersetzungen ins Englische und ins Deutsche (1997, 2017). Der Neutestamentler Klaus Berger (Theologe) setzte sich damit kritisch in einer Besprechung auseinander[4] und schreibt, Cohn ist
„... bemerkenswert fair gegenüber den frühchristlichen Texten und versucht - im Unterschied zu sehr vielen christlichen Exegeten - an der Historizität der Einzelberichte so lange wie möglich und auch dann festzuhalten, wenn sie seiner eigenen These widerstreben. Cohn bezeichnet Jesus als eine ‚ausgesprochen bewundernswerte Persönlichkeit‘, und er betont immer wieder, daß Jesus von vielen seiner jüdischen Zeitgenossen geliebt und verehrt worden sei.“
Heirat
Im April 1966 heiratete er Michal Semora. Um ein Heiratsverbot zu umgehen, welches damals in Israel galt, wurde die Eheschließung in New York vollzogen. Das Heiratsverbot bezieht sich auf eine Stelle im 3. Buch Mose, die Männern, die Kohanim sind, verbietet, geschiedene Frauen zu heiraten.[5]
Der Prozeß und Tod Jesu aus jüdischer Sicht. Übersetzung aus dem Englischen von Christian Wiese, Hannah Liron. Jüdischer Verlag, Berlin 1997, ISBN 978-3-633-54141-6
Aus meinem Leben. Übersetzung aus dem Hebräischen Eva-Maria Thimme, Jonathan Nieraad. Jüdischer Verlag, Berlin 2019, ISBN 978-3-633-54291-8.
Literatur
Cohn, Haim Hermann, in: Werner Röder, Herbert A. Strauss (Hrsg.): Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933. Band 1: Politik, Wirtschaft, Öffentliches Leben. München : Saur, 1980, S. 113
Michael Krupp: Haim Cohen gestorben. In: Informationen aus Israel. Materialdienst. Herausgegeben vom Arbeitskreis Kirche und Israel in der Evangelischen Kirche Hessen.
↑Klaus Berger: Nach dem Gesetz mußte er nicht sterben. Chaim Cohn klärt auf: Die Juden wollten Jesus retten, die Römer töteten ihn als Usurpator, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2. Dez. 1997.