Dieser Artikel behandelt Capriccio als Gattungsbegriff. Für weitere Bedeutungen siehe Capriccio (Begriffsklärung).
Capriccio (aus dem Italienischen, Mehrzahl it. Capricci, eingedeutscht Capriccios; entsprechend französisch caprice, daraus deutsch Caprice, Kaprice, Kaprize, Mehrzahl Capricen, Kapricen, Kaprizen) bezeichnet Formen der Musik, der Malerei und der Literatur.
Als Begriff der Kunsttheorie bezeichnet es den absichtlichen, lustvollen Regelverstoß, die phantasievolle, spielerische Überschreitung der akademischen Normen, ohne die Norm außer Kraft zu setzen. In die Kunstgeschichte führte den Begriff Giorgio Vasari ein, der ihn für all das verwendete, was dem Kunstkanon seiner Zeit widersprach.[1] Laut Werner Hofmann stammen viele Freiheiten, die sich die moderne Kunst nimmt, „aus dem Zeichen- und Rezeptionsangebot des Capriccio“.[2]
Die Herkunft des Wortes ist ungeklärt. Das Etymologische Wörterbuch der deutschen Sprache von Friedrich Kluge vermutet eine Kombination von italienisch capo (Kopf) und riccio (Igel, Seeigel), woraus sich die Bedeutung „Wirrkopf“ oder „eigensinniger, launischer Mensch“ ableiten lässt.
Im modernen Sprachgebrauch gibt es folgende Bedeutungsvarianten:
In der Druckgraphik des Barock bezeichnet der Begriff eine Folge von Blättern mit einem Deckblatt in kleinem Format, die ohne programmatische Gebundenheit improvisierte Szenen zeigen und die, ohne sich auf eine Ordnung festzulegen, von einem Bildgegenstand zum nächsten übergehen.
Der Begriff wurde von Jacques Callot eingeführt, der eine 1617 entstandene Serie von Radierungen für den Herzog Cosimo II. de’ MediciCapricci di varie figure nannte.
Ein berühmter Capriccio-Maler und -Graphiker ist Giovanni Battista Piranesi; neben den berühmten Carceri („Kerker“), die an und für sich reine Architekturvisionen sind, hat Piranesi auch zahlreiche römische Porträts und Architekturelemente auf seinen Vedutenstichen willkürlich zusammengestellt. Oft sind diese Capricci die einzigen Dokumente verlorener antiker Kunstwerke.
Kurt Wölfel: Capriccio. In: Ästhetische Grundbegriffe, Bd. 7, Stuttgart 2010, S. 66 ff.
Roland Kanz: Die Kunst des Capriccio. Kreativer Eigensinn in Renaissance und Barock (=Kunstwissenschaftliche Studien 103). Deutscher Kunstverlag, München u. a. 2003, ISBN 3-422-06392-7, (Zugleich: Düsseldorf, Univ., Habil.-Schr., 2000).
Ekkehard Mai, Joachim Rees (Hrsg.): Kunstform Capriccio. Von der Groteske zur Spieltheorie der Moderne (=Kunstwissenschaftliche Bibliothek 6). König, Köln 1998, ISBN 3-88375-291-6.
Anmerkungen
↑Ekkehard Mai: Vorwort. In: Ders., Joachim Rees (Hrsg.): Kunstform Capriccio. Von der Groteske zur Spieltheorie der Moderne (=Kunstwissenschaftliche Bibliothek 6). König, Köln, 1998, S. 7–11, hier S. 9.
↑Werner Hofmann, Das Capriccio als Kunstprinzip. In: E. Mai/J. Rees (Hrsg.): Das Capriccio als Kunstprinzip. Zur Vorgeschichte der Moderne von Arcimboldo und Callot bis Tiepolo und Goya: Malerei – Zeichnung – Graphik. Skira, Mailand 1996, S. 30.
↑Hubert Zanoskar (Hrsg.): Gitarrenspiel alter Meister. Original-Musik des 16. und 17. Jahrhunderts. Band 1. B. Schott’s Söhne, Mainz 1955 (= Edition Schott. Band 4620), S. 11.
↑Sammlung von 12 Violinkonzerten, die 24 technisch anspruchsvolle „Capricci“ (ausgeschriebene Solokadenzen) enthalten.
↑Ernst Dahlke (Hrsg.): Matteo Carcassi, Sonatinen und Capricen, op1 und op. 26. B. Schott’s Söhne, Mainz (= Gitarren-Archiv. Band 5).
Lexikon der Alten Musik BR-Klassik: Capriccio in: br-klassik.de, 30. Dezember 2015; abgerufen am 12. Februar 2021 (Lexikonartikel mit zusätzlichem Audiobeitrag inkl. Musikbeispielen)