Das Bundesministerium für Justiz (kurz BMJ oder Justizministerium) ist das für Angelegenheiten des Zivilrechts (Bürgerliches Recht, Handelsrecht, Urheberrecht, Vertragsversicherungsrecht, Kartellrecht, Konkurs- und Ausgleichsrecht), des gerichtlichen Strafrechts, die Organisation der Gerichtsbarkeit, die staatsanwaltlichen Behörden, die Justizverwaltung, das Strafvollzugswesen und den Datenschutz zuständige Bundesministerium der Republik Österreich.
Das Justizministerium ging, ebenso wie der Oberste Gerichtshof (OGH), im Jahre 1848 aus der 1749 gegründeten Obersten Justizstelle hervor, welche bis dahin sowohl die Gerichtsbarkeit als auch die Justizverwaltung wahrgenommen sowie neue Justizgesetze (u. a. das ABGB) ausgearbeitet hatte. 1860 wurde das Justizministerium mit Innen- und Unterrichtsministerium zum Staatsministerium vereint; 1867 für die cisleithanischen Länder erneut ein k.k. Justizministerium errichtet. 1918 wurde ein Staatsamt für Justiz geschaffen, aus welchem nach Inkrafttreten des B-VG unter der Bundesregierung Mayr II per 20. November 1920 das Bundesministerium für Justiz hervorging. Es wurde 1923–1927 vom jeweiligen Vizekanzler geleitet. Mit Erlass vom 23. April 1938 erfolgte die Auflösung des BMJ und die Eingliederung seiner Dienststellen in das deutsche Reichsministerium der Justiz. 1945 wurde erneut ein Staatsamt für Justiz geschaffen, aus welchem abermals nach dem Wiederinkrafttreten des B-VG (19. Dezember 1945) das BMJ hervorging. Das Justizministerium unterschied sich insofern von den anderen österreichischen Ministerien, als mehrfach parteilose Richter, Beamte oder Hochschullehrer das Ressort leiteten (u. a. Egmont Foregger, Hans Klecatsky, Nikolaus Michalek).
Seit 2008 bietet das BMJ zahlreiche Online-Formulare an. Diese Formulare können direkt als Webformular ausgefüllt werden. Das österreichische IT-Unternehmen aforms entwickelte und betreut diese Formularlösungen, mit denen etwa Anträge zur Klage wegen Geldleistungen, arbeitsrechtliche Mahnklagen oder auch ein Sanierungsplan direkt von zuhause aus gestellt werden können.[2] 2014 wurde dem Bundesminister ein Weisenrat, ab 2016 umbenannt: Weisungsrat, beigestellt, nachdem sich die Anzahl der Weisungen des Bundesministers an die Staatsanwaltschaften von 2009 bis 2013 von jährlich 7 auf 43 vervielfacht hatte. Von 2014 bis 16. Juni 2016 hat der Weisungsrat 5 Weisungen verhindert und in 4 weiteren Fällen Modifikation von Weisungen bewirkt, beantwortete ÖVP-Justizminister Brandstetter auf Anfrage der Grünen.[3]
Vom 8. Jänner 2018 (BGBl. I Nr. 164/2017) bis zum 28. Jänner 2020 (BGBl. I Nr. 8/2020) war das Bundesministerium auch für den Verfassungsdienst zuständig und führte die Bezeichnung Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz.
Aufgaben
Das Bundesministerium für Justiz ist zuständig für:[4]
Angelegenheiten des Zivilrechts, soweit sie nicht in den Wirkungsbereich eines anderen Bundesministeriums fallen.
Angelegenheiten des bürgerlichen Rechts mit Ausnahme des Arbeitsvertragsrechts, jedoch einschließlich arbeitsvertragsrechtlicher Regelungen, bei denen andere Gegenstände des bürgerlichen Rechts im Vordergrund stehen.
Angelegenheiten des Handelsrechts einschließlich des Gesellschafts- und des Genossenschaftsrechts sowie des Wechsel- und Scheckrechts.
Urheberrecht und verwandte Schutzrechte.
Vertragsversicherungsrecht.
Kartellrecht.
Angelegenheiten der juristischen Personen des Privatrechts.
Personenstandsangelegenheiten, die von Justizbehörden zu vollziehen sind.
Vorbereitung der Ehelicherklärung durch den Bundespräsidenten.
Angelegenheiten des gerichtlichen Strafrechts.
Angelegenheiten des gerichtlichen Medienrechts.
Angelegenheiten der Zivil- und Strafgerichtsbarkeit.
Angelegenheiten der Organisation und des Verfahrens der ordentlichen Gerichte, der Kartellgerichte und des schiedsrichterlichen Verfahrens.
Angelegenheiten der staatsanwaltschaftlichen Behörden sowie der Verfahren von Verwaltungsbehörden im Dienst der Strafrechtspflege.
Angelegenheiten des Vollzuges der Entscheidungen und Verfügungen der Gerichte in Zivil- und Strafrechtssachen.
Exekutionswesen.
Angelegenheiten des Vollzuges der Verwahrungs- und der Untersuchungshaft sowie von gerichtlichen Strafen, von vorbeugenden Maßnahmen und gerichtlichen Erziehungsmaßnahmen.
Angelegenheiten der Resozialisierung einschließlich der Bewährungshilfe.
Angelegenheiten des Dienstbetriebes der Justizwache.
Angelegenheiten der Auslieferung, soweit sie von Justizbehörden zu vollziehen sind.
Insolvenz- und Anfechtungsrecht.
Vorsorge für die Errichtung sowie die Organisation und der Betrieb von Anstalten zum Vollzug von Freiheitsstrafen und der mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahmen und ihre administrative Verwaltung.
Angelegenheiten der Justizverwaltung der ordentlichen Gerichte und der Kartellgerichte.
Angelegenheiten der Rechtsanwälte und Notare einschließlich ihrer beruflichen Vertretung sowie der Verteidiger in Strafsachen.
Angelegenheiten der Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren.
Organisatorische Angelegenheiten der Verwaltungsgerichtsbarkeit mit Ausnahme der Angelegenheiten des Bundesfinanzgerichtes.
Rechtliche Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens.
Rechtliche Angelegenheiten des Datenschutzes und der elektronischen Datenverarbeitung.
Struktur
Das Bundesministerium für Justiz gliedert sich wie folgt:[5]
Bundesministerin für Justiz
Kabinett der Bundesministerin
Stabsstelle für europäische und internationale Ressortangelegenheiten
Kompetenzstelle Internationale Beziehungen und Stärkung der Rechtsstaatlichkeit
Stabsstelle für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Mediensprecherin für das Ressort
Stellvertretende Mediensprecherin für das Ressort
Stabsstelle für Datenschutz
Kompetenzstelle GDSR – Geschäftsstelle des Datenschutzrates
Kompetenzstelle Zentrale Behörde in Kindschafts- und Erwachsenenschutzsachen
Abteilung I 2: Sachen-, Schuld- und Wohnrecht
Abteilung I 3: Wirtschaftsrecht: Unternehmens-, Gesellschafts- und Insolvenzrecht
Abteilung I 4: Urheber-, Kartell-, Grundbuchs- und Exekutionsrecht
Abteilung I 5: Internationales Privat- und Zivilverfahrensrecht
Kompetenzstelle Internationale Rechtshilfe und EJNZ-Management
Abteilung I 6: Berufs- und Amtshaftungsrecht: Freie Rechtsberufe, Sachverständige, Dolmetscher:innen und Amtshaftungssachen
Abteilung I 7: Allgemeine Angelegenheiten: Persönlichkeitsrechte, zivilrechtliche Nebengesetze, Gerichtsgebühren und Unternehmensberichterstattung
Abteilung I 8: Zivilverfahrensrecht
Sektion II: Generaldirektion für den Strafvollzug und den Vollzug freiheitsentziehender Maßnahmen
Abteilung II 1: Grundsatzfragen, Fortentwicklung, Rechtsschutz, rechtliche sowie internationale Angelegenheiten des Strafvollzuges und des Vollzuges freiheitsentziehender Maßnahmen
Kompetenzstelle Rechtsschutz
Begutachtungs- und Evaluationsstelle für Gewalt- und Sexualstraftäter:innen
Gruppe Sicherheit, Betreuung, Ressourcen
Koordinationsstelle Extremismusprävention und Deradikalisierung
Abteilung II 2: Exekutive, Aufsicht, Budget, Wirtschaft, Bau und Sicherheit im Strafvollzug und im Vollzug freiheitsentziehender Maßnahmen
Kompetenzstelle Budget und Wirtschaft
Kompetenzstelle Aufsicht und Überstellungen
Kompetenzstelle Sicherheit und Extremismusprävention
Kompetenzstelle Elektronische Überwachung
Abteilung II 3: Vollzug und Betreuung im Strafvollzug und im Vollzug freiheitsentziehender Maßnahmen
Chefärztlicher und chefzahnärztlicher Dienst
Kompetenzstelle Maßnahmenvollzug und Extremismusprävention
Clearingstelle für den Maßnahmenvollzug gemäß § 21 Abs. 2 StGB
Abteilung II 4: Personalangelegenheiten im Strafvollzug und im Vollzug freiheitsentziehender Maßnahmen
Referat II 4/a: Planstellenbewirtschaftung
Referat II 4/b: Personalangelegenheiten
Sektion III: Präsidialsektion
Gruppe Budget und Infrastruktur
Kompetenzstelle III PKRS: Parlamentskoordination und Rechtsschutz
Abteilung III 1: Koordination und Ressourcenverwaltung
Referat III 1/a: Personal
Kompetenzstelle Controlling, Zahlungsvollzug und Reisemanagement
Kompetenzstelle Wirtschaft und Veranstaltungswesen
Abteilung III 2: Budget und Bau
Kompetenzstelle Bauangelegenheiten
Abteilung III 3: Rechtsinformatik, Informations- und Kommunikationstechnologie
Kompetenzstelle Großprojekte (Justiz 3.0), Strafverfahren, Strafvollzug und Datawarehouse
Kompetenzstelle IKT-Infrastruktur, IKT-Budget, IT-Administration und ELAK
Abteilung III 4: Freie Rechtsberufe, Förderungswesen, Rechtsfürsorge und Mediation
Kompetenzstelle Förderungswesen und Rechtsfürsorge
Gruppe Personal
Abteilung III 5: Personalmanagement Gerichte und Staatsanwaltschaften
Kompetenzstelle Beamtinnen und Beamte sowie Vertragsbedienstete der Gerichte und Staatsanwaltschaften
Abteilung III 6: Organisationsentwicklung sowie Personalplanung und -controlling
Kompetenzstelle Personalcontrolling
Abteilung III 7: Personalentwicklung, Diversity Management, Gesundheitsmanagement
Abteilung III 8: Innenrevision, Compliance und Rechnungshof
Kompetenzstelle Revision Strafvollzug
Kompetenzstelle Organisationsberatung
Sektion IV: Strafrecht
Abteilung IV 1: Materielles Strafrecht
Abteilung IV 2: Strafrechtliche Nebengesetze und multilaterale Zusammenarbeit in Strafsachen
Abteilung IV 3: Strafverfahrensrecht
Sektion V: Einzelstrafsachen
Abteilung V 1: Internationale Strafsachen
Abteilung V 2: Großverfahren und berichtspflichtige Strafsachen
Abteilung V 3: Einzelstrafsachen, Extremismusdelikte und Gnadensachen
Manfred Görtemaker, Christoph Safferling (Hrsg.): Die Rosenburg. Das Bundesministerium der Justiz und die NS-Vergangenheit – eine Bestandsaufnahme. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2013, ISBN 978-3-525-30046-6.
Manfred Görtemaker, Christoph Safferling: Die Akte Rosenburg, Das Bundesministerium der Justiz und die NS-Zeit, C.H. Beck, München 2016, ISBN 978-3-406-69768-5.[6]