Brand New Bundestag (BNB) ist eine 2019 gegründete parteiunabhängigepolitische Initiative, die junge Politiker mit dem Ziel unterstützt, ihnen den Einzug in Parlamente auf Bundes- und Landesebene zu ermöglichen.[4] Erklärtes Ziel der Initiative ist es, „progressive Politik“ voranzutreiben und die Parlamente diverser zu machen. Unter progressiver Politik versteht die Initiative unter anderem den Einsatz für die Einhaltung des 1,5-Grad-Klimaziels, soziale Gerechtigkeit und ein vereintes Europa.[5] Bei der Bundestagswahl 2021 und der Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin 2021 trat die Initiative das erste Mal öffentlich in Erscheinung und unterstützte Kandidaten.[6]
Die Bewegung wurde von Eva-Maria Thurnhofer, Maximilian Oehl und Daniel Veldhoen 2019 initiiert und wurde nach Angaben der Initiatoren von der amerikanischen Organisation Brand New Congress inspiriert.[7] Die gleichen Personen stehen auch für die beim Amtsgericht Charlottenburg eingetragene Genossenschaft „Wir für Zukunft e.G.“[8] welche die Initiative Brand New Bundestag trägt.[9] Die Projekte werden fast ausschließlich von ehrenamtlichen Helfern verwirklicht und finanzieren sich hauptsächlich aus Spenden, Stiftungsgeldern und Fördermitteln.[1]
Durch die Initiative wurden bei der Bundestagswahl 2021 elf Kandidaten unterstützt, von welchen drei in den Bundestag gelangten (Rasha Nasr, Kassem Taher Saleh, Armand Zorn).[10] Die Kandidaten konnten eingangs von jedem Bürger auf der Website der Initiative vorgeschlagen werden. Anhand eines Auswahlprozesses wurden von diesen in mehreren Schritten dann 120 Kandidaten nominiert, welche anschließend einer selbst zusammengestellten Jury vorgestellt wurden.[5][1] Die Jury bestand aus Raúl Krauthausen, Kübra Gümüşay, Melanie Stein (Journalistin und Gründerin der Initiative Wir sind der Osten[11]), Roman Huber (Geschäftsführender Bundesvorstand bei Mehr Demokratie e. V.), Shai Hoffmann und Anna Dushime (Redaktionsleiterin bei der Berliner Produktionsfirma Steinberger Silberstein).[12]
Für die Kandidaten gibt es ein breites Angebot an Unterstützung, wie Coachings, Workshops und Interviewtrainings zur Verbesserung der Öffentlichkeitsarbeit sowie finanzielle Unterstützung aus gemeinsamen Crowdfunding.[13]
Ziele
Brand New Bundestag versteht sich als Graswurzelbewegung,[14] deren erklärtes Ziel es ist Diversität zu fördern und die politischen Ziele aktueller Bewegungen in die Parlamente zu bringen.[7][15]
Forderungskatalog
Der Forderungskatalog der initiative betrifft die vier Themen Klimakrise, soziale Gerechtigkeit, nachhaltiges Wirtschaften und ein solidarischesEuropa:[7][16]
Es werden unter anderem eine chancengerechte Bildung, ein fortschrittliches Gesundheitssystem und eine Reform des Sozialsystems gefordert. Außerdem sollen bessere Perspektiven für Geflüchtete geschaffen, ein faires Steuersystem umgesetzt und die gesellschaftliche Spaltung überwunden werden.
Nachhaltiges Wirtschaften
BNB fordert unter anderem eine durch staatliche Regulation ökologischere Wirtschaft, ein erneuertes krisensicheres Finanzsystem, kürzere und flexiblere Arbeitszeiten, den Ausbau der Infrastruktur und stärkere Förderung von Bildung und neuen Geschäftsmodellen.
Solidarisches Europa
Darunter versteht BNB eine handlungsfähigere Europäische Union mit mehr Mitgliederperspektiven, einer einheitlicheren Wirtschaft und Politik und einer sozialeren Migrations- und Grenzpolitik.
Politische Einordnung
BNB versteht sich selbst als überparteilich.[17] Der Vorstand räumt allerdings ein, aufgrund ihrer politischen Ziele vor allem Schnittmengen mit der SPD und den Grünen zu haben. Dennoch finden sich mittlerweile unter den von BNB unterstützten Kandidierenden nicht nur Politiker von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, Linken und freie Kandidaten, sondern auch von CDU und FDP. Von der AfD distanziert sich Brand New Bundestag bewusst.[1]
Vor der Bundestagswahl veröffentlichte BNB eine Liste mit 50 Bundestagskandidaten, die für die Initiative Progressivität verkörpern. In dieser zeichnete sich dieselbe Tendenz einer vermehrten Schnittmenge mit Bündnis 90/Die Grünen- und SPD-Kandidaten ab, allerdings gab es auch Empfehlungen für Personen, die für FDP, Linke, CDU bzw. als Parteiunabhängige kandidierten.[18]
Rezeption
Im Vorfeld der Bundestagswahl 2021 wurde BNB von den Medien verstärkt wahrgenommen. Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen widmeten ARD und ZDF der Initiative einen dreiviertelstündigen Beitrag, der in dem gemeinsamen Kanal Phoenix gezeigt wurde.[19] Gezeigt wird der Weg einiger der von BNB unterstützten Kandidaten im Wahlkampf und die Art der von der Initiative gegebenen Unterstützung. In den Printmedien (Welt,[20][21]Spiegel,[22]Zeit,[23]Frankfurter Rundschau,[5]FAZ,[6]RND[7]) und im Rundfunk (Deutschlandfunk Kultur[13]) standen die unterstützten Kandidaten und die Darstellung der Ziele der Initiative, den Bundestag diverser und „progressiver“ zu machen, im Vordergrund.
Benjamin Höhne, Leiter des Berliner Instituts für Parlamentarismusforschung, bewertete die Unterstützung parteiungebundener Kandidaten in einem Beitrag für die Welt 2020 als „recht aussichtslos“. Dies erfordere den Gewinn eines Wahlkreises, wobei alle Kandidaten der etablierten Parteien auszustechen seien.[20] Das Modell sei aus den USA abgeschaut (Brand New Congress), wo es neben Republikanern und Demokraten keine Chance für andere politische Parteien gibt und versucht werde, die Mehrheiten innerhalb der Parteien zu beeinflussen. Dazu gibt es mit den Primaries (Vorwahlen) in den USA auch ein probates Mittel, das in Deutschland fehle. Nach Höhnes Vermutung wäre es daher in Deutschland immer noch effektiver, neue Parteien zu gründen. Der Berliner Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel machte 2021 auf das Problem einer erheblichen Intransparenz aufmerksam, wenn private Vereinigungen mit bedeutenden finanziellen Mitteln und einer eigenen Agenda von außen in die Parteien eingreifen, wenn auch sich das Wirken von Brand New Bundestag hauptsächlich auf Coachings, Interviewtrainings und kampagnenhafte Unterstützung begrenzt.[21]