Bernard Lazare wurde in Nîmes geboren und wählte als Pseudonym die Vertauschung seines Vor- und Nachnamens. Er war der älteste der vier Söhne von Jonas Bernard, einem Händler von Damenbekleidung, und von Douce Noémie Rouget, einer traditionellen Provencalin. Die bürgerliche Familie Rouget führte das Jacquard-Handwerk in Toulouse ein und startete eine der ersten erfolgreichen Fabriken für Textilien mit Drapierungen und Besatzartikeln.
Lazare Bernard absolvierte sein Abitur in Naturwissenschaften, aber seine Leidenschaft war die Literatur. Diese teilte er mit seinem Freund Éphraïm Mikhaël aus Toulouse. Die beiden gaben sich als Vettern aus. Es war Éphraïm Mikhaël, der ein Jahr nach seiner Einschreibung an der Archivarschule in Paris Bernard Lazare überzeugte, nach Paris zu kommen.
Duchesnes Buch Geschichte der alten Kirche (Histoire de l'église ancienne) wurde auf den Index gesetzt. Sein Schreibstil sei „historisch“ und nicht „theologisch“. Während des Universitätsjahres 1887–1888 schrieb Lazare eine wissenschaftliche Arbeit „la législation conciliaire relative aux Juifs“ (Konzilsgesetzgebung über die Juden).
Er schrieb 1888 zusammen mit Éphraïm Mikhaël das Werk La Fiancée de Corinthe, eine dramatische Geschichte in drei Akten, in dem erstmals sein Pseudonym auftaucht. Zwei Jahre später starb Mikhaël an Tuberkulose. Dieser Umstand markierte auf tragische Weise das Ende der Jugend Lazares. Es war gleichzeitig die Zeit, in der er sich dem Anarchismus zuwandte, obwohl er die direkte Aktion nie wirklich guthieß. Doch unterstützte er stets die Ideen und deren Gefährten, indem er ihre Veröffentlichungen und Wege finanzierte. Als Anarchist sorgt er für eine Reihe von Nachrichten, die den Grund für einige Vorladungen darstellten. Er schrieb als anarchistischer Literaturkritiker und veröffentlichte in der konservativen, nationalistischen Zeitung L’Écho de Paris die schmerzhafte Revolte der Arbeiter und Handwerker von Carmaux. Mit seinem journalistischen Geist der Revolte nahm er 1896 am Congrès Socialiste de Londres (Kongress der Sozialisten) teil und denunzierte den „autoritären und eifersuechtigen, des eigenen Programmes treuelosen Karl Marx, dessen Ziele von einer Internationalen abwichen.“ 1896 überwarf er sich mit Drumont und duellierte sich mit ihm.[2]
In der Dreyfus-Affäre war Bernard Lazare von der Unschuld des Hauptmanns Alfred Dreyfus überzeugt und schrieb „Une Erreur Judiciaire: La Vérité sur l’Affaire Dreyfus“ (Ein Justizirrtum: Die Wahrheit über die Dreyfus-Affäre) im Jahr 1896.[3] Nach den Erfahrungen der antisemitischen Kampagnen in Frankreich änderte Lazare seine Haltung für die Assimilation der Juden[4] und unterstützte die Idee eines anarchistischen Zionismus ohne Staat als selbstverwaltetem jüdischen Gebiet.[5]
Schriften (Auswahl)
L’antisémitisme son histoire et ses causes (1894 – Léon Chailley, Hrsg.): Antisemitism: Its History and Causes. 1894. (online)
L’affaire Dreyfus – Une erreur judiciaire. Édition établie par Philippe Oriol, – Ed. Allia, 1993.
Le fumier de Job. Texte établi par Ph. Oriol – Ed. Honoré Champion, 1998. (engl. Übers. 1948: Harry Lotin Binsse)
Juifs et antisémites. Édition établie par Ph. Oriol – Ed. Allia, 1992.
Literatur
Hannah Arendt: Vorwort (ohne Titel) und Anm. zu Bernard Lazare: Job’s Dungheap. Essays on Jewish Nationalism and Social Revolution Schocken, New York 1948. (wieder in: dies.: Reflections on Literature and Culture. SUP Stanford, Calif. 2007, ISBN 978-0-8047-4499-7, § 19, S. 143–147).
Hannah Arendt: Bernard Lazare. Der bewußte Paria. In: Die verborgene Tradition. Acht Essays. Suhrkamp TB, Frankfurt 1976, ISBN 3-518-06803-2, S. 55–58. (Neuaufl. Jüdischer Verlag, Frankfurt 2000, ISBN 3-633-54163-2).
Stefania Mazzone: Anarchists and Jews: Bernard Lazare's Analysis of Antisemitism. In: Alessandra Tarquini (Hrsg.): The European Left and the Jewish question, 1848–1992, between Zionism and antisemitism, Palgrave Macmillan, Cham 2021, ISBN 978-3-030-56661-6, S. 67–80.
Philippe Oriol: Bibliographie de B. L. Verlag Le Fourneau, 1994, ISBN 2-86288-399-9.
↑Sebastian Voigt: Erforderliche Reaktionen. Moritz Lazarus‘ Erwiderung auf Heinrich von Treitschkes »Unsere Aussichten« (1879) und Bernard Lazares Auseinandersetzung mit Édouard Drumonts »La France Juive« (1886). In: Mareike König, Oliver Schulz (Hrsg.): Antisemitismus im 19. Jahrhundert aus internationaler Perspektive. 1. Auflage. V&R Unipress, Göttingen / Bristol (CT) 2019, ISBN 978-3-8471-0977-8, S.335–354.
↑Mina Graur: Zionismus. In: Lexikon der Anarchie. abgerufen am 1. August 2911.