Bayerischer Oberster Rechnungshof

Bayerischer Oberster Rechnungshof
– ORH –

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Staatliche Ebene Bayern
Stellung Unabhängiges Organ der staatlichen Finanzkontrolle des Freistaats Bayern und oberste Staatsbehörde
Gründung 1812
Hauptsitz München
Behördenleitung Heidrun Piwernetz, Präsidentin[1]
Bedienstete ca. 130 (ohne Staatliche Rechnungsprüfungsämter)
Haushaltsvolumen 38,76 Mio. EUR (2020)[2]
Netzauftritt www.orh.bayern.de

Der Bayerische Oberste Rechnungshof (ORH) ist eine der Bayerischen Staatsregierung gegenüber selbständige, nur dem Gesetz unterworfene oberste Staatsbehörde mit Sitz in München. Institution und richterliche Unabhängigkeit des Rechnungshofs sind durch die Bayerische Verfassung gewährleistet.[3] Seine Aufgabe ist die staatliche Finanzkontrolle in Bayern.

Aufgaben und Tätigkeit

Dienstgebäude des Bayer. Obersten Rechnungshofs in München, Kaulbachstr. 9
Dienstgebäude des Bayer. Obersten Rechnungshofs in München, Kaulbachstr. 9

Die Aufgaben des ORH sind in der Bayerischen Haushaltsordnung (BayHO) festgelegt. Danach wird die gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung des Freistaats Bayern einschließlich seiner Betriebe und Sondervermögen vom ORH geprüft.[4] Konkret prüft er

Der ORH prüft auch bei Stellen außerhalb der Staatsverwaltung, insbesondere wenn diese Stellen vom Staat Aufwendungsersatz oder Zuwendungen erhalten. Gewährt der Staat Kredite oder übernimmt er Bürgschaften, Garantien oder sonstige Gewährleistungen, begründet auch dies ein Prüfungsrecht des ORH.[6]

Ist der Staat an privatrechtlichen Unternehmen beteiligt, prüft der ORH die Betätigung des Staates unter Beachtung kaufmännischer Grundsätze.[7] Ein Prüfungsrecht bei juristischen Personen des privaten Rechts ergibt sich auch, wenn diese Zuschüsse erhalten, eine gesetzliche Garantie des Staates begründet ist oder sie vom Staat allein oder überwiegend verwaltet werden. Darüber hinaus prüft der ORH, wenn eine Prüfung durch ihn vereinbart oder durch Satzung vorgesehen ist.

Die landesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts prüft der ORH, soweit nicht ausnahmsweise eine anderweitige gesetzliche Regelung besteht oder wegen eines geringen finanziellen Interesses des Staates im Einvernehmen mit dem ORH von einer Prüfung abgesehen wird.

Für die überörtliche Prüfung der bayerischen Kommunen ist der ORH dagegen – anders als einige andere Landesrechnungshöfe – nicht zuständig. Auch die Prüfung der landesunmittelbaren Sozialversicherungsträger, deren Verbände und sonstiger Vereinigungen auf dem Gebiet der Sozialversicherung, gehört nicht zur Zuständigkeit des ORH.

Da der ORH die Prüfung aus Kapazitätsgründen praktisch nicht vollständig durchführen kann, kann er die Prüfung nach seinem Ermessen beschränken und Rechnungen auch ungeprüft lassen. Allerdings ist der ORH bestrebt, prüfungsfreie Räume zu vermeiden. Dafür wird der Prüfungsstoff alljährlich risikoorientiert bewertet und festgelegt, welche Prüfungen konkret durchgeführt werden (Arbeitsplanung).

Prüfungsmaßstab ist die Einhaltung der für die Haushalts- und Wirtschaftsführung geltenden Vorschriften und Grundsätze. Dazu gehört nicht nur, ob das Haushaltsgesetz und der Haushaltsplan eingehalten worden sind und alle Einnahmen und Ausgaben begründet und belegt sind. Geprüft wird insbesondere auch, ob dabei wirtschaftlich und sparsam verfahren worden ist und ob die Aufgabe mit geringerem Personal- oder Sachaufwand oder auf andere Weise wirksamer erfüllt werden kann.

Soweit für die Prüfung neben dem ORH noch andere Rechnungshöfe zuständig sind, erfolgt die Prüfung grundsätzlich gemeinsam. Aus Effizienzgründen schließen die beteiligten Rechnungshöfe jedoch häufig eine Prüfungsvereinbarung, mit der die Prüfungsaufgabe auf einen der beteiligten Landesrechnungshöfe oder dem Bundesrechnungshof übertragen wird.

Art, Zeit und Umfang der Prüfung bestimmt allein der ORH und nimmt dabei in der Regel auch örtliche Erhebungen vor. Sämtliche Unterlagen, die der ORH für die Prüfung für erforderlich hält, sind ihm vorzulegen. Entsprechendes gilt für elektronisch gespeicherte Daten. Die vom ORH erbetenen Auskünfte sind ihm zu erteilen.[8] Der ORH hat aber keine strafprozessualen Befugnisse. Er kann also keine Beschlagnahme anordnen, Hausdurchsuchungen durchführen oder Zeugen vernehmen.

Das Prüfungsergebnis teilt der ORH den zuständigen Stellen mit, damit diese sich zu den Feststellungen äußern können. Prüfungsergebnisse von grundsätzlicher oder erheblicher finanzieller Bedeutung teilt der ORH auch dem Bayerischen Staatsministerium der Finanzen mit.

Organisation

Der ORH gliedert sich in Prüfungsabteilungen und eine Präsidialabteilung. In den Prüfungsabteilungen sind jeweils mehrere Prüfungsgebiete zusammengefasst.[9] Derzeit (Stand: 30. Januar 2019) gibt es vier Prüfungsabteilungen mit insgesamt 12 Prüfungsgebieten.

Die Prüfungsgebiete werden jeweils von einem Prüfungsgebietsleiter geleitet. Jedem Prüfungsgebiet sind zudem mehrere Prüfungsbeamte zugeteilt. Aktuell sind etwa 80 Prüfungsbeamte im ORH beschäftigt.

Mitglieder des ORH und damit richterlich unabhängig[10] sind nur der Präsident, der Vizepräsident, die Abteilungsleiter und die Prüfungsgebietsleiter.[11] Mitglied des ORH kann nur werden, wer über eine abgeschlossene Hochschulausbildung verfügt. Der Präsident, der Vizepräsident und die Hälfte der weiteren Mitglieder müssen die Befähigung zum Richteramt haben. Außer dem Präsidenten sind alle Mitglieder des ORH Beamte auf Lebenszeit.

Der Vizepräsident und die weiteren Mitglieder des ORH werden auf Vorschlag des Präsidenten vom Bayerischen Ministerpräsidenten ernannt. Das Große Kollegium ist zuvor anzuhören.

Die Prüfungsgeschäfte werden für die Dauer eines Geschäftsjahres vorab durch das Präsidium, dem der Präsident, die Abteilungsleiter und der dienstälteste Prüfungsgebietsleiter angehören, auf die Abteilungen und Prüfungsgebiete verteilt.

Dem ORH nachgeordnet sind fünf Staatliche Rechnungsprüfungsämter in Ansbach (mit Dienststelle in Nürnberg), Augsburg, Bayreuth, Regensburg und Würzburg.[12] Die Rechnungsprüfungsämter führen ihre Prüfungsaufgaben unter der Leitung und nach Weisung des ORH durch.

Präsident

Der Präsident wird auf Vorschlag der Staatsregierung vom Bayerischen Landtag für die Dauer von 12 Jahren gewählt.[13] Er tritt mit dem Ende der Amtszeit oder mit dem Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze für Richter in den Ruhestand.[14] Eine Wiederwahl ist ausgeschlossen. Ohne seine Zustimmung kann der Präsident vor Ablauf seiner Amtszeit nur abberufen werden, wenn auch ein Richter auf Lebenszeit seines Amtes enthoben werden könnte. Das Amtsenthebungsverfahren kann nur mit Zustimmung von zwei Dritteln des Bayerischen Landtags durchgeführt werden.

Der vom Bayerischen Landtag gewählte Präsident wird vom Bayerischen Ministerpräsidenten ernannt.[15]

Der Präsident leitet die Verwaltung des ORH und führt die Dienstaufsicht über den ORH und die nachgeordneten Rechnungsprüfungsämter. Er vertritt den ORH nach außen und ist als Mitglied des Obersten Rechnungshofs an dessen Beschlüssen beteiligt.

Nr. Name Lebensdaten Beginn der Amtszeit Ende der Amtszeit
1 Maximilian Karl Heinrich Graf von Thurn und Taxis 1745–1825 1812 1817
2 Max Graf von Lodron 1757–1823 1817 1823
3 Franz Sales Ritter von Schilcher 1766–1843 1823 1843
4 Hermann von Beisler 1790–1859 1843 1859
5 Johann von Wanner 1849 1870
6 Gotthard von Reber 1871 1876
7 Ludwig von Pummerer 1876 1893
8 Josef Bernhard von Hoeß 1893 1897
9 Ludwig von May 1897 1904
10 Anton von Ulsamer 1904 1915
11 Andreas von Stöckle 1856–1940 1915 1924
12 Albert Stenglein 1869–1935 1925 1935
Theodor Berchtold (geschäftsführend) 1871–1945 1935 1937
13 Friedrich Cammerer 1882–1963 1945 1952
14 Richard Kallenbach 1889–1984 1952 1954
15 Heinrich Schellhorn 1896–1976 1954 1961
16 Josef Hausner 1902–1968 1961 1967
17 Gotthard Brunner 1911–1992 1967 1976
18 Karl Mann 1920–2010 1976 1985
19 Walter Spaeth 1929–2024 1986 1994
20 Helmut Vaitl 1934–2010 1994 1999
21 Alfons Metzger 1939– 1999 2004
22 Heinz Fischer-Heidlberger 1952– 2004 2016
23 Christoph Hillenbrand 1957– 2016 2023
24 Heidrun Piwernetz 1962– 2023

Kollegium

Beschlüsse des ORH werden kollegial mit Stimmenmehrheit gefasst, entweder im Kleinen Kollegium oder im Großen Kollegium. Das Kleine Kollegium besteht aus dem zuständigen Abteilungsleiter und dem zuständigen Prüfungsgebietsleiter. Berührt eine Angelegenheit die Zuständigkeit mehrerer Prüfungsabteilungen und -gebiete, so treten deren Leiter dem Kollegium bei. Der Präsident tritt dem Kollegium bei, wenn bei einem nur aus zwei Mitgliedern bestehenden Kollegium keine Übereinstimmung zu erzielen ist. Er kann zudem jederzeit beitreten, wenn er es für geboten hält.[16]

Das Große Kollegium besteht aus allen Mitgliedern des ORH unter dem Vorsitz des Präsidenten. Es ist insbesondere für die Beschlüsse über den Jahresbericht und über Sonderberichte zuständig sowie in einigen anderen, abschließend im Bayerischen Rechnungshofgesetz (RHG) geregelten Fällen.[16]

Die Beratung und die Abstimmung in den Kollegien unterliegt dem Beratungsgeheimnis.

Jahresbericht

Über alle Einnahmen und Ausgaben des Freistaats Bayern hat der Bayerische Staatsminister der Finanzen dem Bayerischen Landtag zur Entlastung der Staatsregierung Rechnung zu legen.[3][17] Der ORH fasst das Ergebnis seiner Prüfung, soweit es für diese Entlastung von Bedeutung sein kann, in einem Jahresbericht zusammen, den er dem Bayerischen Landtag sowie der Bayerischen Staatsregierung zuleitet. Der Jahresbericht wird zudem auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Im Jahresbericht wird zunächst die Ordnungsmäßigkeit der Haushaltsrechnung testiert. Ferner enthält der Jahresbericht eine Auswahl wichtiger Prüfungsergebnisse in zusammengefasster Form.

Der Jahresbericht wird anschließend im Bayerischen Landtag behandelt. Dieser stellt die wesentlichen Sachverhalte fest und beschließt sodann über die Entlastung der Staatsregierung. Er kann dabei die Staatsregierung ersuchen, aufgrund der Prüfungsergebnisse des ORH bestimmte Maßnahmen einzuleiten und hierüber zu berichten. Er kann auch bestimmte Sachverhalte ausdrücklich missbilligen.

Sonderbericht

Über Angelegenheiten von besonderer Bedeutung kann der ORH den Bayerischen Landtag oder die Staatsregierung jederzeit unterrichten (Sonderbericht). Der Landtag kann einen solchen Bericht vom ORH auch verlangen.[18]

Beratende Äußerung / Gutachten

Aufgrund seiner Prüfungserfahrungen kann der ORH den Bayerischen Landtag, die Bayerische Staatsregierung und die einzelnen Staatsministerien auch beraten (Beratende Äußerung). Umgekehrt kann der Bayerische Landtag oder die Bayerische Staatsregierung den ORH um Gutachten ersuchen zu Fragen, die für die Haushalts- und Wirtschaftsführung von Bedeutung sind.

Geschichte

Der ORH wurde durch Verordnung vom 20. Oktober 1812, veröffentlicht im Königlich-Baierischen Regierungsblatt vom 28. Oktober 1812, durch König Max I. Joseph „in der Absicht, dem gesamten Rechnungswesen der Finanzen unseres Königreichs eine gleichförmige, auf übereinstimmenden Grundsätzen beruhende feste Geschäftsleitung zu verschaffen“ errichtet.

Von April 1937 bis 1945 fungierte der ORH lediglich als Außenabteilung München für den Rechnungshof des Deutschen Reiches.

Einzelnachweise

  1. Vita - Bayerischer Oberster Rechnungshof. Abgerufen am 1. September 2023.
  2. stmfh.bayern.de: https://www.stmfh.bayern.de/haushalt/staatshaushalt_2019/haushaltsplan/. Abgerufen am 26. Juni 2020.
  3. a b Art. 80 Bay. Verfassung. In: Bayern.Recht. Abgerufen am 1. August 2024.
  4. Art. 88 BayHO
  5. Art. 89 BayHO
  6. Art. 91 BayHO
  7. Art. 92 BayHO
  8. Art. 95 BayHO
  9. Art. 2 RHG
  10. Art. 6 RHG
  11. Art. 3 RHG
  12. RPrüfSitzV - Bayerischer Oberster Rechnungshof. Abgerufen am 5. Dezember 2019.
  13. Art. 80 Bayerische Verfassung
  14. Art. 3 RHG
  15. Art. 5 RHG
  16. a b Art. 8 RHG
  17. Art. 114 BayHO
  18. Art. 99 BayHO