Das Unternehmen stellte zunächst Damen- und Herrenschuhe, später auch Accessoires her. Unter der internationalen Luxusmarke Bally werden heute Schuhe, Bekleidung und Accessoires vermarktet. Bally hat heute seinen Sitz, nach jahrzehntelanger Beheimatung im Kanton Solothurn, in Caslano bei Lugano im Kanton Tessin.[2]
Im Jahr 1851 wurde von Carl Franz Bally und seinem Bruder Fritz Bally die Schuhfabrik «Bally & Co.» im schweizerischen Schönenwerd im Kanton Solothurn gegründet, damit handelt es sich um die zweitälteste der Schweizer Schuhfabriken.[3] Diese Fabrik ging aus dem vom Vater übernommenen Betrieb hervor, der Bänder und elastische Gewebe (u. a. für Hosenträger) herstellte. Fritz schied im Jahr 1854 aus dem Betrieb aus, woraufhin das Unternehmen in C.F. Bally umfirmiert wurde und Filialen in Basel, Bern und Zürich eröffnete.
Im Jahr 1860 beschäftigte Bally bereits mehr als 500 Arbeiter. Nach einem weiteren Jahrzehnt expandierte das Unternehmen auch ausserhalb der Schweiz mit Niederlassungen in Montevideo (1870), Buenos Aires (1873), Paris (1879) und London (1882).[4] Neue Fabriken entstanden, daneben machte Heimarbeit einen erheblichen Anteil der Bally-Produktion aus. Typisch für seine Zeit, bot Bally seinen Angestellten eine Krankenversicherung, Wohnraum und Erholung im eigens angelegten Ballypark in Schönenwerd, verhinderte jedoch die Bildung einer Gewerkschaft.[4]
Carl Franz Bally starb 1899 und das Unternehmen wurde von seinen Söhnen Eduard und Arthur weitergeführt. Zu diesem Zeitpunkt wurden jährlich ca. 2 Millionen Paar Schuhe produziert und in zahlreichen europäischen Ländern sowie Südamerika verkauft. Das Unternehmen beschäftigte 3200 Angestellte. Im Jahr 1907 erfolgte die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft, bei der die Familie Bally die Stimmenmehrheit behielt. Das zusätzliche Kapital erlaubte eine massive Expansion. Im Jahr 1916 beschäftigte das Unternehmen mehr als 7000 Personen und produzierte 3,9 Millionen Paar Schuhe. 1921 wurde Bally zu einer Holdinggesellschaft. Mit Iwan, Ernst und Max Bally übernahm die dritte Generation die Unternehmensführung.[4]
Bally überstand die Weltwirtschaftskrise und den Zweiten Weltkrieg, indem man das Portfolio auf sportliche Schuhe und Militärschuhe ausweitete. Konkurrenten wie der Schuhhersteller Bata wurden allerdings auch mit aggressiven Mitteln bekämpft.[5] In der Nachkriegszeit expandierte das Unternehmen und etablierte sich erfolgreich im weltweiten Markt. Im Jahr 1942 wurde das ehemalige Wohnhaus Zum Felsengarten des Gründers in Schönenwerd in ein Schuhmuseum umgewandelt, das bis heute als Bally-Schuhmuseum besteht.[6] Im Jahr 1951 lancierte Max Bally den Scribe, einen rahmengenähten Herrenschuh, der nach dem Pariser Hôtel Scribe benannt wurde und bis heute gefertigt wird. Der Bally-Konzern umfasste mittlerweile Produktionsstätten in der Schweiz, Frankreich, Südafrika, Grossbritannien, Österreich und den USA, ausserdem einige Gerbereien in Südamerika sowie Immobilien- und Handelsunternehmen. Bally beschäftigte rund 15.000 Menschen in der Schweiz und weltweit und produzierte etwa 10,2 Millionen Paar Schuhe im Jahr.[4]
Wirtschaftliche Schwierigkeiten, Verkauf und Neubeginn
Im Jahr 1976 erlangte der Schweizer Finanzspekulant Werner K. Rey die Aktienmehrheit an Bally.[9][10] Mit der Übernahme der Aktienmehrheit durch Rey verlor die Bally-Familie ihren Einfluss auf die Unternehmung.[11] Im Folgejahr musste Rey seine Aktien auf öffentlichen Druck wieder veräussern:[9] Der Rüstungskonzern Oerlikon-Bührle übernahm im Jahr 1977 die Aktienmehrheit von Rey. Unter dem Verwaltungsratsvorsitz von Hortense Anda-Bührle war Bally zwar erfolgreich, allerdings verkaufte sie zahlreiche hochwertige Immobilien aus dem Bally-Portfolio, darunter den umsatzstarken Flagship-StoreCapitol in der Zürcher Bahnhofstrasse und das exklusive Ladengeschäft am Pariser Boulevard de la Madeleine.[12] In den 1990er Jahren befand sich Bally im Niedergang; Auslöser waren Managementfehler, ein zu hoher Anteil der Eigenproduktion und eine weltweit uneinheitliche Markenführung. Im Jahr 1992 übernahm Hans Widmer, Chef von Oerlikon-Bührle, selbst von Alfred Niederer die Geschäftsführung, gab sie jedoch bereits wenige Monate später an Stefano Ferro.[12] Zwischen 1993 und 1995 setzte die Designerin Andrée Putmann ein neues Innenraumdesign für zahlreiche Bally-Läden um, so wie vor ihr Robert Mallet-Stevens (1928) und Le Corbusier (1949).[8][13] Ferro wurde 1995 von Ernst Thomke abgelöst, der eine harte Rationalisierung durchführte. Tausende Angestellte wurden entlassen und zahlreiche Fabriken geschlossen. Der Betriebsverlust belief sich im Jahr 1995 auf 6,7 Mio. Franken. Thomke wollte Bally an die Börse bringen, konnte sich mit seinem Plan jedoch nicht durchsetzen und verliess daraufhin im August 1997 Oerlikon-Bührle und Bally.[12] Im Herbst 1997 schickte Bally einen Sonderzug durch Deutschland, von welchem aus in den Bahnhöfen mehrerer Grossstädte Restposten-Schuhe aus den Jahren 1992 bis 1996 verkauft wurden.[14] Thomkes Nachfolger wurde im Jahr 1998 Bernd Wahler; Bally hatte zu dieser Zeit noch rund 2'800 Mitarbeitende, 422 Filialen und eine Fabrik im Kanton Tessin.[12]
Im darauffolgenden Jahr verkaufte Oerlikon-Bührle Bally an die US-Investmentgesellschaft Texas Pacific Group (TPG). TPG restrukturierte den Betrieb, verkleinerte das Filialnetz und überführte den Firmensitz von Schönenwerd nach Caslano, wo dem Unternehmen bereits zuvor eine Produktionsstätte gehörte.[15][4] Auch das Distributionskonzept wurde überarbeitet und TPG setzte den ehemaligen Gucci-Manager Marco Franchini als CEO sowie den New Yorker Designer und ehemaligen Salvatore Ferragamo-Mitarbeiter Scott Fellows als Kreativdirektor ein.[16][17][18]
Bally repositionierte sich zunehmend erfolgreich als Lifestyle-Marke im Luxus-Segment.[19] Man konzentrierte sich wieder auf das Kerngeschäft Schuhe und seit 2004 schrieb das Unternehmen wieder schwarze Zahlen.[20] 2001 feierte das Unternehmen sein 150-jähriges Bestehen. Chefdesigner Fellows verliess das Unternehmen Ende 2002, weil seine Kreationen kommerziell nicht erfolgreich waren[17]; ihm folgte bis 2006 der Designer Luca Ragonese (1969–2006).[21] Im Jahr 2007 wurde in Caslano die Fondazione Bally per la Cultura («Bally-Stiftung für die Kultur») zur Förderung von Künstlern aus dem Tessin gegründet.
JAB
Im April 2008 verkaufte TPG das Unternehmen für geschätzte 370 Mio. Euro an die Labelux Group (seit 2014: JAB Luxury), die Teil der JAB Holding war.[22][2] Die Bally-Umsätze wurden für 2008 mit 400 Mio. Euro angegeben. Die Gruppe verlegte Ende 2011 ihren Sitz von Wien nach Caslano, Standort des Hauptsitzes von Bally.
Ab dem Jahr 2009 war der Deutsche Berndt Hauptkorn (* 1968) CEO von Bally. Hauptkorn war bereits ab dem Jahr 2007 am Aufbau der Labelux-Gruppe beteiligt und bekleidete dort bis Ende 2009 die Position des CEO.[23][24] Er verliess das Unternehmen im Dezember 2011. Interimistisch übernahm Reinhard Mieck, seit Anfang 2010 CEO der Labelux Group und ab 1997 Mitarbeiter bei Reckitt Benckiser, die Stelle.[25] Von 2013 bis 2019 hatte Frédéric De Narp den CEO-Posten bei Bally inne.[26]
Im Frühjahr 2010 kündigte die Labelux Group an, dass man sich von Atwood trenne und er durch die ehemaligen Aquascutum-Designer Graeme Fidler und Michael Herz aus Grossbritannien ersetzt werde.[30] Das Design-Studio von Bally (15 Mitarbeiter) befand sich seither in London (2017 geschlossen), die Produktion verblieb in Italien. Fidler und Herz kündigten Anfang 2013. Anfang 2014 wurde der Argentinier Pablo Coppola zum neuen Bally-Kreativdirektor ernannt, verliess das Unternehmen Ende 2016 jedoch wieder. Seither kümmert sich ein internes Design-Team um die Kollektionen.[31] Ein von David Chipperfield entworfener Flagship-Store wurde 2014 in London eröffnet.[32]
Eine im Februar 2018 angekündigte Übernahme[35] durch den chinesischen Textilkonzern Shandong Ruyi, zu dem auch die Marken Cerruti und Aquascutum gehören,[36] wurde im Frühjahr 2020 abgebrochen.[37] Aufgrund der weltweiten COVID-19-Pandemie konnte Shandong Ruyi den Kaufpreis von 600 Millionen Dollar nicht aufbringen.[37]
Die Bally-Erlöse setzten sich Ende der 2000er zusammen aus Schuhen (50 %), Taschen und Accessoires (40 %) sowie Bekleidung (10 %). 2011 beschäftigte das Unternehmen 1560 Mitarbeiter, davon 430 in der Schweiz.[25] 2018 waren es weltweit ca. 1600 Mitarbeiter. Bally unterhielt mit Stand 2018 weltweit 160 Filialen sowie seit 2009 einen Onlineshop und bedient zahlreiche Geschäftspartner weltweit.[20][38] Im April 2019 übernahm Nicolas Girotto von Frédéric De Narp den CEO-Posten.[26]
Regent
2024 erfolgte die Übernahme durch die amerikanische Investmentfirma Regent.[39]
Bally in der Populärkultur
In den späten 1980ern erreichten Bally-Schuhe unter Rappern einen Kultstatus. Bekannte Vertreter der Szene erwähnten Bally in ihren Liedern, darunter Jay-Z und Slick Rick. Letzterer rappte 1985 in The Show/La Di Da Di folgenden Satz: «Put on the Bally shoes and the fly green socks». Der Rapper Rick Ross verwies noch 2010 auf dieses Lied, indem er auf seiner Kollaboration mit P. DiddyAnother One rappte: «1.5 for this brand new black Bugatti // jewels like I’m Slick Rick, Bally shoes, La Di Da Di». Bally-Schuhe sind zudem eine Ikone der Old-School-Szene.[40]
Literatur
Das Haus Bally in Schönenwerd. In: Vom Jura zum Schwarzwald, Band 7. 1890. S. 56–74 (Digitalisat).
Rolf Thalmann, Paul Weber: Bally-Plakate 1910–1992. Ausstellung 10. Juli – 17. Oktober 1993. Hrsg.: Museum für Gestaltung Basel. Schwabe, Basel 1993.
Anna-Brigitte Schlittler, Katharina Tietze (Hrsg.): Bally – A History of Footwear in the Interwar Period. transcript-Verlag, Bielefeld 2021, ISBN 978-3-8376-5738-8, doi:10.14361/9783839457382.
↑ abKlaus Max Smolka, Birgit Dengel: Finanzinvestor veräußert Bally-Schuhe. In: Financial Times Deutschland. 23. April 2008 (seca.ch [PDF; abgerufen am 28. Dezember 2021]).