Nachdem ab 1842 Concord von Boston her mit der Eisenbahn erreichbar war, plante man, die Strecke in Richtung Montréal fortzusetzen. In gerader Richtung waren Berge im Weg, sodass man sich entschloss, die Strecke zunächst zum Connecticut River zu bauen. Von hier aus waren bereits Strecken in Richtung Kanada geplant, an die man anknüpfen konnte. Als Knotenbahnhof wurde White River Junction gewählt. 1844 gründeten ortsansässige Unternehmer die Northern Railroad of New Hampshire, und erhielten noch im gleichen Jahr die Konzession zum Bau und Betrieb der Bahnstrecke. Der Abschnitt von Concord bis Canaan wurde am 1. September 1847 eröffnet, der übrige Streckenabschnitt folgte am 20. November 1847.
Ab November 1852 wurden in White River Junction Kurswagen auf die Vermont Central Railroad nach Montréal übergeben. Ab 1870 stand eine weitere Verbindung ab White River Junction nach Montréal und Québec über die Connecticut and Passumpsic Rivers Railroad zur Verfügung, über die ebenfalls Kurswagen geführt wurden. 1884 übernahm die Boston and Lowell Railroad die Betriebsführung, die nun die gesamte Strecke von Boston bis White River Junction unter ihrer Kontrolle hatte und somit durchlaufende Züge anbieten konnte. Drei Jahre später wurde die Boston&Lowell ihrerseits durch die Boston and Maine Railroad gepachtet. Mehrere Expresszüge am Tag verkehrten nun zwischen Boston und Montréal bzw. Québec.
Am 15. September 1907 kam es auf der Bahnstrecke zum schwersten Zugunglück in der Geschichte New Hampshires. Der Morgen des Tages war neblig, was zu Verspätungen führte. Die eingleisige Hauptstrecke war stark befahren, sodass an fast allen Stationen die Möglichkeit für Zugkreuzungen bestand. Der etwas verspätete Expresszug 34 (Chicago/Québec–Boston) musste einen entgegenkommenden Güterzug kreuzen. Der Fahrdienstleiter legte die Begegnung auf den Bahnhof West Canaan, meldete an den Expresszug jedoch nur Canaan, woraufhin dieser in West Canaan durchfuhr. Um 4:26 Uhr stießen die beiden Züge zwischen West Canaan und Canaan frontal zusammen. 25 Personen starben bei dem Unglück, zahlreiche weitere wurden schwer verletzt. In der Folge benannte die Boston&Maine bis 1917 nahezu alle Bahnstationen ihres Netzes um, die Himmelsrichtungen als Zusätze hatten, um weitere derartige Verwechslungen zu vermeiden.[3]
Die wichtigsten Expresszüge hatten in den 1920er Jahren Namen erhalten und so verkehrten der Red Wing, der Alouette, der New Englander und der Ambassador auf ihrem Weg von Boston nach Kanada oder Chicago über die Strecke. Der Alouette fuhr später über die White-Mountain-Strecke, wurde jedoch nach deren Stilllegung ab 1954 wieder über White River Junction geführt. 1937 wurde in White River Junction ein neues Bahnhofsgebäude in Betrieb genommen, nachdem das alte zwei Jahre vorher abgebrannt war. Nachdem der Personenverkehr immer weiter zurückging, wurden entlang der Strecke in den 1940er und 1950er Jahren viele Stationen geschlossen oder zu unbesetzten Bahnhöfen degradiert. Der Red Wing verkehrte am 25. Oktober 1959 letztmals. Die übrigen Expresszüge wurden bereits seit 1957 nur noch mit Budd Rail Diesel Cars betrieben. 1960 fuhren nur noch der Ambassador und der Alouette, die in Franklin, Potter Place, Canaan, Enfield und Lebanon hielten. Potter Place, Canaan und Enfield waren Bedarfshaltepunkte, nur Franklin und Lebanon waren noch besetzte Bahnhöfe mit Fahrkartenausgabe und Gepäckabfertigung.[4] Am 4. Januar 1965 stellte die Boston&Maine den Personenverkehr auf der Strecke ein. Auch der Güterverkehr endete Anfang der 1980er Jahre zwischen Penacook und Westboro. Das letzte Mal wurde die Strecke in voller Länge durch einen Zug benutzt, als sie nach einem Zwischenfall bei Brattleboro 1982 einmalig als Ausweichstrecke benutzt wurde.[5] Die New England Southern Railroad pachtete den Abschnitt von Concord nach Penacook, stellte jedoch den Betrieb auf ihm 1990 ein. Ab 1983 oblag die Betriebsführung der Guilford Transportation, die die Boston&Maine übernommen hatte. 1992 legte die Guilford den Abschnitt Penacook–Westboro still und verkaufte drei Jahre später die Trasse an den Bundesstaat. Die Gleise wurden 1996 abgebaut. Danach wurde begonnen, die Strecke zwischen Lebanon und Boscawen in einen Wanderweg umzuwandeln.[6] 1997 endete auch der Verkehr zwischen White River Junction und Westboro, die Strecke wurde an den Staat verkauft. Dieser verpachtete sie im Mai 2000 an die Claremont Concord Railroad, die den Güterverkehr wieder aufnahm.
Streckenbeschreibung
Die Strecke bildet zunächst die nördliche Fortsetzung der Bahnstrecke Nashua–Concord. Von Anfang an benutzte die Northern Railroad den Endbahnhof dieser Strecke in Concord mit, wie auch die übrigen Bahngesellschaften, die die Stadt bedienten. Die Bahnstrecke verläuft zunächst nordwärts am Westufer des Merrimack River und überquert bei Penacook, wo heute die Gleise enden, den Contoocook River direkt an seiner Mündung in den Merrimack. Die Bahntrasse erreicht weiter entlang des Flusses kurz darauf Boscawen und nach einigen Kilometern Franklin. Kurz vor dem 1847 eröffneten Bahnhof Franklin wurde mit Inbetriebnahme der hier einmündenden Bahnstrecke von Tilton ein neuer Haltepunkt Franklin Junction gebaut. In Franklin zweigte bis 1940 eine kurze Stichstrecke nach Bristol ab.
Hier verlässt die Trasse den Merrimack River und führt zunächst nordwestlich am Webster Lake vorbei, ab dem sie der Staatsstraße 11 in westlicher Richtung folgt. Kurz vor Andover erreicht die Strecke den Blackwater River, den sie insgesamt viermal überquert. Der nächste Bahnhof, Potter Place (siehe Bild), befindet sich unmittelbar nach der vierten Flussbrücke und ist bis heute erhalten. Er wurde in das National Register of Historic Places aufgenommen. Die Bahn folgt nun weiterhin dem Blackwater River und dem U.S. Highway 4 in nördliche Richtung. Bei South Danbury verlässt sie das Flusstal und durchquert im weiteren Verlauf einen Höhenzug. Durch Danbury und Grafton hindurch führt die Strecke kurvenreich immer in der Nähe von Highway 4 weiter nordwärts. Vorbei am Kilton Pond und am Tewksbury Pond erreicht die Bahn nach einigen Kilometern die Stadt Canaan und damit das Tal des Mascoma River, dem sie nun bis Lebanon folgt. Insgesamt 25 Mal überquert die Bahnstrecke den Fluss auf ihrem Weg nach Vermont.
Ab Canaan verläuft die Strecke wieder in westlicher Richtung, weiterhin parallel zum Highway 4. Hinter Enfield erreicht die Bahn den Mascoma Lake. Die Trasse verläuft direkt entlang des Nordufers des Sees und erreicht wenige Kilometer weiter die Stadt Lebanon. Nach dem eigentlichen Zentrum biegt die Strecke zunächst scharf nach Norden ab, um kurz darauf den Connecticut River und damit die Staatsgrenze nach Vermont zu überqueren. Unmittelbar nach der Brücke beginnt das Bahnhofsgelände von White River Junction. Der Bahnhof war früher als Kreuzungsbahnhof ausgebaut, heute liegt der Personenbahnhof, der einmal täglich pro Richtung von Amtrak bedient wird, westlich der niveaugleichen Kreuzung mit der Bahnstrecke White River Junction–Lennoxville an der Strecke nach Burlington, in die die Strecke von Concord hier einmündet.
Literatur
Robert M. Lindsell: The Rail Lines of Northern New England. Branch Line Press, Pepperell, MA 2000, ISBN 0-942147-06-5.
↑Hans Joachim Ritzau: Schatten der Eisenbahngeschichte. Ein Vergleich britischer, US- und deutscher Bahnen. Pürgen: Ritzau KG, 2. Auflage, 1994. ISBN 3-921304-69-5. Seite 165.
↑The Official Guide of the Railways and Steam Navigation Lines of the United States, Porto Rico, Canada, Mexico and Cuba. Ausgabe Mai 1960. Boston&Maine Railroad, Seite 125.