Die Aymara oder Aimara sind ein indigenes Volk in Südamerika, die hauptsächlich im andinen Raum Boliviens und Perus vertreten sind. Der langjährige bolivianische Präsident Evo Morales gilt als wichtiger politischer Repräsentant der Aymara.
Über die Herkunft des Volks der Aymara gibt es verschiedene Thesen.
Die Aymara gelten als eine der ältesten noch lebenden Volksgruppen der Hochanden und sind nach heutigen Erkenntnissen die Nachkommen der (lange vor den Inkas existierenden) Tiwanaku-Hochkultur (1580 v. Chr. bis 1172 n. Chr.).[1] Ihre Kalenderrechnung beginnt jedoch schon zur Wintersonnenwende (21. Juni) des Jahres 3507 v. Chr. Das ehemalige Reichsgebiet stimmt ungefähr mit dem heutigen Sprachraum des Aymara überein. Die auf 3600 m Höhe gelegene Hauptstadt des Tiwanakureiches hatte im 12. Jahrhundert vermutlich über 40.000 Einwohner; diese Kultur gilt als eine der ersten Gesellschaften Südamerikas überhaupt, die mit Stein bauten. Obwohl Archäologen die Stätte bislang erst zu einem Sechstel freigelegt haben, gilt sie schon jetzt mitunter als die wichtigste Sehenswürdigkeit Südamerikas.
Dem widersprechen Sprachforscher, die den Ursprung des Aymara in nördlich gelegenen Teilen der Anden, vor allem in Peru vermuten. Die Dialekte dort hätten sich allmählich nach Süden in den bolivianischen Altiplano ausgeweitet und seien später schließlich vor allem von den Inkas stark beeinflusst worden.
Gegenwärtige Verbreitung
Angehörige des Volks der Aymara leben im Andenraum auf dem Altiplano in Bolivien (etwa 30–40 % der Bevölkerung), im Süden Perus (etwa 5 % der Bevölkerung) und in geringerer Anzahl (etwa 0,3 % der Bevölkerung) im Norden Chiles. Mitunter wird für sie auch (ungenauerweise) die Bezeichnung Colla verwendet, die auf eine vorherige Urbevölkerung zurückgeht. Ein äußerst geringer Bevölkerungsanteil findet sich zudem in Ecuador – spanische Zwangsumsiedelungen in der Kolonialzeit sind hierfür verantwortlich, deren Zweck es war, einem „Wir-Gefühl“ der indigenen Bevölkerungsgruppen vorzubeugen, aus dem sich Widerstand gegen die Kolonialherren hätte bilden können.
Kultur
Kulturell teilen die Aymara vieles mit anderen Völkern der Anden, zum Beispiel den quechuasprachigen Ethnien. Dies gilt auch für die andine Religion, von der viele Elemente bis heute überlebt haben, obwohl die Aymara nominell fast durchweg Katholiken sind. Hierbei ist es zur Verschmelzung indigener und christlicher Vorstellungen gekommen (Synkretismus). Bis heute verehren die Aymara zum Beispiel die Mutter Erde (Pachamama) und den Vater Sonne (Willkatata) und bringen ihnen Opfer dar.
Mündliche Traditionen, Praktiken und Gebräuche der Aymara sind durch die moderne Lebensweise und die innere Migration der jungen Erwachsenen bedroht. Ein von der UNESCO unterstütztes Programm der Staaten Bolivien, Chile und Peru sollte diese Ausdrucksweisen von 2009 bis 2013 dokumentieren und dem Volk, vor allem den Grundschülern, vermitteln. Dabei wurden speziell Musik, Landwirtschaft und Textilherstellung genannt.[2] Das Programm wurde 2009 in das Register guter Praxisbeispiele aufgenommen.[3] Mit einem Budget von 205.550 US-$ sollten unter anderem 50 Grundschullehrer einbezogen sowie Feste und Wettbewerbe organisiert werden.
Ausbeutung und Diskriminierung
Zur Zeit der Inkas und besonders während der Kolonialzeit wurden die Aymara innerhalb des Andenraums zwangsumgesiedelt. Auch nach der Unabhängigkeit Boliviens und Perus besaßen Aymara keine Rechte und waren von Ausbeutung und Diskriminierung betroffen. Durch die Verbreitung des Systems der Hazienda wurden sie zudem aus weiten Gebietsteilen vertrieben. Zusätzlich wurde ihnen durch Privatisierung der kollektiven Ländereien die materielle Existenzgrundlage entzogen. Als Folge mussten viele Aymara Zwangsarbeit auf den Landgütern der Großgrundbesitzer leisten.[1]
Juan Evo Morales Ayma (* 1959), Präsident Boliviens (2006–2019), Vorsitzender der Bewegung zum Sozialismus, stammt aus einer Aymara-Familie des Ortes Orinoca (Urinuqa)
Juliana Ströbele-Gregor: Dialektik der Gegenaufklärung. Zur Problematik fundamentalistischer und evangelikaler Missionierung bei den urbanen Aymara in La Paz (Bolivien). Holos Verlag, Bonn 1988.
Angela Meentzen: Weiblichkeit, Macht und Geschlechterverhältnisse im Wandel. Die soziale Ordnung der ländlichen Aymara Perus aus weiblicher Sicht. (= Berliner Lateinamerika-Forschungen. 11). Vervuert, Frankfurt am Main 2000, ISBN 3-89354-161-6.
Raimund Schramm: Symbolische Logik in der mündlichen Tradition der Aymaras. Dietrich Reimer Verlag, Berlin 1988, ISBN 3-496-00984-5.
Iván Tavel: Religion und Politik in der Ethnie Aymara. tuduv, München 1989.
Moema Viezzer: „Wenn man mir erlaubt zu sprechen...“: Das Zeugnis der Domitila, einer Frau aus den Minen Boliviens. 4. Auflage. Lamuv, Göttingen 1990, ISBN 3-921521-56-4.
Englisch
Laurie Adelson, Arthur Tracht: Aymara Weavings: Ceremonial Textiles of Colonial and 19th Century Bolivia. Smithsonian Institution Traveling Exhibition Service, Washington, D.C. 1983, ISBN 0-86528-022-3.
Hans C. Buechler: The Masked Media: Aymara Fiestas and Social Interaction in the Bolivian Highlands. (= Approaches to semiotics. 59). Mouton, The Hague 1980, ISBN 90-279-7777-1.
Hans C. Buechler, Judith-Maria Buechler: The Bolivian Aymara. (= Case studies in cultural anthropology). Holt, Rinehart and Winston, New York 1971, ISBN 0-03-081380-8.
William E. Carter: Aymara Communities and the Bolivian Agrarian Reform. University of Florida Press, Gainesville 1964.
James Eagen: The Aymara of South America. Lerner Publications Co, First peoples, Minneapolis 2002, ISBN 0-8225-4174-2.
Ted C. Lewellen: Peasants in Transition: The Changing Economy of the Peruvian Aymara : a General Systems Approach. Westview Press, Boulder, Colo 1978, ISBN 0-89158-076-X.
Andrew Orta: Catechizing Culture: Missionaries, Aymara, and the „New Evangelism“. Columbia University Press, New York 2004, ISBN 0-231-13068-6.
Silvia Rivera Cusicanqui: Oppressed but Not Defeated: Peasant Struggles Among the Aymara and Qhechwa in Bolivia, 1900–1980. United Nations Research Institute for Social Development, Geneva 1987.
Harry Tschopik: The Aymara of Chucuito, Peru. 1951.
Zurück in die Zukunft. In: wissenschaft.de, 13. Juni 2006. – Bei den Aymara liegt die Zukunft hinten und die Vergangenheit vorn; sie haben ein gänzlich anderes Zeitkonzept als alle bisher untersuchten Kulturen dieser Erde.
↑UNESCO Intangible Cultural Heritage (Hrsg.): Proposal of a programme, project or activity to be selected and promoted as best reflecting the principles and objectives of the Convention in 2009. Abu Dhabi 2009 (englisch, unesco.org).