August Naegle kam als Sohn des Ehepaares Thomas Naegle (1838–1920), Hauptlehrer in Annweiler am Trifels und Maria Josephine, geborene Schmitt (1842–1909), Tochter eines Winzer und Gutsbesitzer in Edesheim zur Welt. Nach dem Abitur am Bischöflichen Konvikt in Speyer folgte im Wintersemester 1887/88 ein Theologiestudium an der Universität München; im Wintersemester 1888/89 immatrikulierte er sich an der Universität Würzburg. Er wurde während des Studiums Mitglied der katholischen Studentenverbindungen KDStV Aenania München und KDStV Markomannia Würzburg.
Am 25. November 1891 erhielt er von BischofJoseph Georg von Ehrler in Speyer die Priesterweihe.
Drei Jahre später, am 1. November 1906, erhielt August Naegle eine Professur für Kirchengeschichte und Patrologie an der Theologischen Fakultät der Deutschen Karl-Ferdinands-Universität in Prag. Viermal bekleidete er das Amt des Dekans dieser Fakultät, zwei Jahre nacheinander das Amt des Rektors der Universität (1918/19 und 1919/20), – was einmalig in der Geschichte der Prager Universität ist – und ein drittes Mal im Studienjahr 1929/30, wo er trotz geschwächter Gesundheit die einstimmige Wahl annahm.
Nach 1918 (Ende Erster Weltkrieg), der Gründung der Tschechoslowakei, der Neuordnung der Karls-Universität Prag mit der Zulassung von Frauen zum Studium in Prag (siehe auch: Frauenstudium im deutschen Sprachraum) trat Naegle als entschiedener Verfechter der Rechte der Deutschen Universität hervor. Ihm ist es zu verdanken, dass nach der Proklamation der Tschechoslowakei die Deutsche Universität erhalten blieb; er erhielt deshalb zur Erinnerung den Ehrennamen »Eiserne Magnifizenz«. Als Naegle 1918 zum Rektor der deutschen Karl-Ferdinands-Universität Prag gewählt wurde, stellte sich die Frage nach dem Weiterbestehen dieser Universität vor allem im Insignienstreit, und nicht nur, ob sie neben der tschechischsprachigen Universität Univerzita Karlova staatlich anerkannt wurde. Naegle gelang es, in mühevollen Verhandlungen die Existenz zu sichern und das Universitätsgesetz gegenüber dessen ursprünglicher Fassung zu mildern. Er erreichte, dass es zu seinen Lebzeiten nicht mehr durchgeführt wurde.
Seit seiner Ankunft in Prag widmete sich Naegle auch intensiver wissenschaftlicher Tätigkeit auf dem Gebiet der Kirchengeschichte in Böhmen sowie populärwissenschaftlicher Mitarbeit in zahlreichen Organisationen der Deutschen der Ersten Tschechoslowakischen Republik, u. a. im Verein für Geschichte der Deutschen in Böhmen, Mitglied der Gesellschaft zur Förderung der deutschen Wissenschaft, Kunst und Literatur. 1926 wurde er Senator der Deutschen Akademie der Wissenschaften in München.
Politisches Wirken
August Naegle gehörte der deutschen christlich-sozialen Partei und seit 1920 der Deutschen Nationalpartei in der Tschechoslowakei an und war für diese 1920 bis 1925 Fraktionsvorsitzender im Senat. Als es 1920 darum ging, einen Deutschen als Gegenkandidaten zu Tomáš Garrigue Masaryk für das Amt des Staatspräsidenten zu benennen, einigten sich alle deutschen Parteien auf ihn. Naegle entfaltete nicht nur eine reiche Lehrtätigkeit; 1930 wählten ihn Volksvertreter der Sudetendeutschen zu ihrem Vertreter bei der zweiten Präsidentenwahl.
Mit seinem Tod 1932 in Prag verloren die katholischen Sudetendeutschen einen ihrer geistigen Führer, die Universität einen angesehenen Gelehrten, ihre »Eiserne Magnifizenz« und die Römisch-katholische Kirche einen guten Priester. Sein Leichnam wurde am 14. Oktober 1932 in Prag-Smíchov auf dem Friedhof Malvazinka bestattet, Anfang März 1936 nach seinem Geburtsort Annweiler gemäß letztem Wunsch überführt und dort am 4. März auf dem Bergfriedhof beigesetzt.
Sein Nachfolger auf dem Lehrstuhl wurde Eduard Winter.
Schriften
Naegles Werke beschäftigen sich vor allem mit dem Kirchenlehrer Johannes Chrysostomus sowie mit der Kirchengeschichte in Böhmen, welche auch den Landesheiligen Wenzel von Böhmen und die Zeit der Hussiten umfasste.
Ratramnus und die hl. Eucharistie. Zugleich eine dogmatisch-historische Würdigung des ersten Abendmahlsstreites, 1903
Die angebliche Taufe des Böhmenherzog Boriwoj, 1910
Die Gründung des Bistums Prag, 1910
Germanische Christen in Böhmen vor Einwanderung der Slawen, 1913
Kirchengeschichte Böhmens, 1915–1918
Die feierliche Haarschur und Haarweihe des Hl. Wenzel, 1917
Die Prager deutsche Universität nach dem Umbruch, 1921
August Naegle, Dominik Duka (Vorwort): Der heilige Wenzel, der Landespatron Böhmens. 1. Auflage. Verlagsbuchhandlung Sabat, Kulmbach 2014, ISBN 978-3-943506-22-8, S.160.
Mads Ole Balling: Von Reval bis Bukarest: statistisch-biographisches Handbuch der Parlamentarier der deutschen Minderheiten in Ostmittel- und Südosteuropa 1919–1945. Bd. 1. Dokumentation Verlag, Kopenhagen 1991, ISBN 87-983829-4-2, S. 364.
Ferdinand Seibt, Hans Lemberg, Helmut Slapnicka: Biographisches Lexikon zur Geschichte der böhmischen Länder. Herausgegeben im Auftrag des Collegium Carolinum, Bd. III, R. Oldenbourg Verlag, München 2000, ISBN 3-486-55973-7, S. 5, mit weiteren Literaturhinweisen.
Fritz Wertheimer: Von deutschen Parteien und Parteiführern im Ausland. 2. Auflage. Zentral-Verlag, Berlin 1930, S. 196.